Ich rödele, also bin ich
Im Homeoffice fehlt Bestätigung durch Austausch. Das ruft nach Ausgleich.
Nun setzt bei vielem, was die Corona-Pandemie unserem Leben diktiert, Gewöhnung ein. Viele Menschen arbeiten seit Monaten im Homeoffice, absolvieren ihre geschäftlichen Termine digital, haben sich gefügt in die neuen Abläufe. Und wenn man sie über ihre neuen Arbeitsbedingungen reden hört, sagen sie oft, dass sich alles inzwischen eingespielt habe. Aber auch, dass sie mehr arbeiteten als früher. Und dazu braucht es meist nicht mal einen Chef, der Druck macht und Anforderungen nach oben schraubt. Die Selbstausbeutung funktioniert auch so. Aus eigenem Antrieb.
Das mag damit zu tun haben, dass bei der Heimarbeit Arbeit und Privatleben leicht verschmelzen. Wenn es keine räumliche Trennung zwischen den beiden Bereichen gibt, fällt oft auch die inhaltliche Trennung schwer. Und dann wird das Mittagessen eben schnell-schnell am Rechner verspeist und abends noch das dringende Papier rausgeschickt. Doch das Räumliche ist es nicht allein. Angestellte in pandemiebedingter Heimarbeit haben mit einem Schlag ihr professionelles Umfeld verloren. Das Gespräch mit den Kollegen ist ja nicht nur wichtig, um in der Kaffeeküche mal über die Kinder zu plaudern, sondern auch, weil es oft Feedback enthält. Ein Dankeschön hier, eine Anerkennung da. Selbst Kritik bestätigt einen Menschen in seiner beruflichen Rolle. All das trägt zur Anerkennung des Selbstbilds bei, das Menschen über den Beruf von sich entwickeln und das Teil ihrer Identität ist. Fällt der Austausch zwischen Kollegen weg, kann das den Bedarf nach Selbstbestätigung erhöhen. Und dann fangen Leute an, immer mehr zu arbeiten, um zu zeigen, dass sie da sind, dass sie nötig sind, dass sie gelobt werden wollen.
Dieses Rödeln daheim ist für die Leistungsbilanz vielleicht positiv. Doch wenn es auf einem Mangel an Anerkennung beruhrt, kann es in die Erschöpfung führen. Im Homeoffice müssen Menschen lernen, den Computer beizeiten runterzufahren. Und Feedback einfordern, wenn es ihnen fehlt. Unsere Autorin ist Redakteurin des Ressorts Politik/Meinung. Sie wechselt sich hier mit unserem stellvertretenden Chefredakteur Horst Thoren ab.