Rheinische Post

Ich rödele, also bin ich

Im Homeoffice fehlt Bestätigun­g durch Austausch. Das ruft nach Ausgleich.

- DOROTHEE KRINGS

Nun setzt bei vielem, was die Corona-Pandemie unserem Leben diktiert, Gewöhnung ein. Viele Menschen arbeiten seit Monaten im Homeoffice, absolviere­n ihre geschäftli­chen Termine digital, haben sich gefügt in die neuen Abläufe. Und wenn man sie über ihre neuen Arbeitsbed­ingungen reden hört, sagen sie oft, dass sich alles inzwischen eingespiel­t habe. Aber auch, dass sie mehr arbeiteten als früher. Und dazu braucht es meist nicht mal einen Chef, der Druck macht und Anforderun­gen nach oben schraubt. Die Selbstausb­eutung funktionie­rt auch so. Aus eigenem Antrieb.

Das mag damit zu tun haben, dass bei der Heimarbeit Arbeit und Privatlebe­n leicht verschmelz­en. Wenn es keine räumliche Trennung zwischen den beiden Bereichen gibt, fällt oft auch die inhaltlich­e Trennung schwer. Und dann wird das Mittagesse­n eben schnell-schnell am Rechner verspeist und abends noch das dringende Papier rausgeschi­ckt. Doch das Räumliche ist es nicht allein. Angestellt­e in pandemiebe­dingter Heimarbeit haben mit einem Schlag ihr profession­elles Umfeld verloren. Das Gespräch mit den Kollegen ist ja nicht nur wichtig, um in der Kaffeeküch­e mal über die Kinder zu plaudern, sondern auch, weil es oft Feedback enthält. Ein Dankeschön hier, eine Anerkennun­g da. Selbst Kritik bestätigt einen Menschen in seiner berufliche­n Rolle. All das trägt zur Anerkennun­g des Selbstbild­s bei, das Menschen über den Beruf von sich entwickeln und das Teil ihrer Identität ist. Fällt der Austausch zwischen Kollegen weg, kann das den Bedarf nach Selbstbest­ätigung erhöhen. Und dann fangen Leute an, immer mehr zu arbeiten, um zu zeigen, dass sie da sind, dass sie nötig sind, dass sie gelobt werden wollen.

Dieses Rödeln daheim ist für die Leistungsb­ilanz vielleicht positiv. Doch wenn es auf einem Mangel an Anerkennun­g beruhrt, kann es in die Erschöpfun­g führen. Im Homeoffice müssen Menschen lernen, den Computer beizeiten runterzufa­hren. Und Feedback einfordern, wenn es ihnen fehlt. Unsere Autorin ist Redakteuri­n des Ressorts Politik/Meinung. Sie wechselt sich hier mit unserem stellvertr­etenden Chefredakt­eur Horst Thoren ab.

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