„Ich wäre gern Vorbild gewesen“
Als Physiotherapeutin in Korschenbroich gehört Jana Mechelinck zu den Personen, die sich bereits gegen das Coronavirus impfen lassen können. Am liebsten hätte sie das als Erste in ihrer Praxis getan – aber sie ist schwanger. Wäre ich ein paar Wochen spä-ter
schwanger geworden, hätte ich mich gerade noch impfen lassen können. Aber die Natur lässt sich nun mal nicht immer steuern. Ausgezählt bin ich für September oder Oktober. Bis dahin erwarte ich nicht, dass Studien rauskommen, die belegen, dass auch Schwangere geimpft werden können. Und danach muss ich mich informieren, wie das in der Stillzeit ist. Ich bin vorsichtig, weil ich ja noch für ein anderes Leben verantwortlich bin. Da würde ich ungern Testperson spielen.
Als Physiotherapeutin kann ich nicht auf Abstand zu meinen Patienten gehen, das ist eine körpernahe Arbeit. Da ist die Sorge mit Sicherheit größer als in einem Job, in dem Homeoffice möglich ist. Viele Schwangere in körpernahen Berufen bekommen jetzt durch ihre Gynäkologen ein vorläufiges Beschäftigungsverbot ausgestellt. Das bekomme ich bei Kolleginnen und Freundinnen mit. Bei Angestellten wird das von den Krankenkassen übernommen. Aber für Selbstständige gibt es so etwas nicht. Ich habe Anfang des Jahres die Praxis von meiner Mutter übernommen. Beschäftigungsverbot und Mutterschutz sind für mich also nicht möglich und würden für mich auch nicht infrage kommen. Ich möchte, solange es geht, weiter für meine Patienten da sein.
Ich setze da auf unser gutes Hygienekonzept. Nach jedem Patienten desinfizieren wir alles, von der Bank bis zu den Türgriffen. Wir lüften, waschen uns die Hände und desinfizieren sie. Wir alle tragen die FFP2-Masken, auch die Patienten.
Außerdem habe ich die Strategie, dass ich nicht nur meine Kontakte so gering wie möglich halte, sondern auch Patienten, meine Familie und Kollegen zum Impfen ermutige. Natürlich weiß man noch nicht, ob geimpfte Personen noch Überträger des Virus sein können. Aber ich hoffe, dass ich dadurch mehr
Schutz habe, wenn viele um mich herum geimpft sind. Als Schwangere hat man die Möglichkeit, zwei Kontaktpersonen anzugeben, die geimpft werden sollen. Das habe ich gemacht. Da kam vom Rhein-Kreis Neuss die Antwort, dass sie auf einer Warteliste stehen. Ich weiß nicht, wann sie drankommen.
Wir haben in der Praxis viel mit Patienten über die Impfung gesprochen und dabei eine große Skepsis dem Impfstoff von Astrazeneca gegenüber bemerkt.Wir haben mit viel Mühe versucht, den Patienten zu erklären, dass es in Deutschland hohe Genehmigungsstandards gibt. Aber durch die Aktion, die Impfungen mit Astrazeneca für unter 60-Jährige auszusetzen, wurde das Vertrauen in den Impfstoff zunichtegemacht. Ich hoffe da auf mehr Aufklärung durch die Zuständigen.
Ich kann verstehen, dass die Behörden auf Nummer sicher gehen müssen. Aber wenn man auf der anderen Seite so viele Tote durch das Coronavirus hat, frage ich mich, ob es wirklich sinnvoll ist, die Impfung zu stoppen. Meiner Meinung nach müssten wir Tag und Nacht durchimpfen. Wir haben noch relativ wenig Leute in dieser Zeit geimpft.
In unserer Praxis wurden die meisten Kollegen mindestens einmal geimpft, mit Astrazeneca. Da sind wir jetzt auch gespannt, was sie als Zweitimpfung bekommen. Ich könnte jetzt froh sein, bei diesem Hin und Her, dass ich noch nicht geimpft bin – das bin ich aber nicht. Ich denke, die Gefahr ist größer, dass ich an Covid-19 erkranke und dadurch etwas Schlimmes passiert. Und ich wäre auch gerne ein Vorbild für meine Mitarbeiter gewesen. So kann ich ihnen nur raten, sich impfen zu lassen, es aber selbst nicht tun. Das ist natürlich schlecht. Ich möchte der Verantwortung, die ich ihnen gegenüber habe, ja auch nachkommen. Nach meiner Schwangerschaft werde ich mich aber impfen lassen.
Vermutlich muss es sowieso bald einen neuen Impfstoff geben. Wir kommen erst mal ums Impfen nicht herum.Was haben wir auch für eine andere Wahl? Wenn wir nicht noch jahrelang mit Mundschutz und Lockdown leben wollen, ist das Impfen im Moment unsere einzige Möglichkeit.