Rheinische Post

„Ich wäre gern Vorbild gewesen“

- Protokolli­ert von Carolin Streckmann.

Als Physiother­apeutin in Korschenbr­oich gehört Jana Mechelinck zu den Personen, die sich bereits gegen das Coronaviru­s impfen lassen können. Am liebsten hätte sie das als Erste in ihrer Praxis getan – aber sie ist schwanger. Wäre ich ein paar Wochen spä-ter

schwanger geworden, hätte ich mich gerade noch impfen lassen können. Aber die Natur lässt sich nun mal nicht immer steuern. Ausgezählt bin ich für September oder Oktober. Bis dahin erwarte ich nicht, dass Studien rauskommen, die belegen, dass auch Schwangere geimpft werden können. Und danach muss ich mich informiere­n, wie das in der Stillzeit ist. Ich bin vorsichtig, weil ich ja noch für ein anderes Leben verantwort­lich bin. Da würde ich ungern Testperson spielen.

Als Physiother­apeutin kann ich nicht auf Abstand zu meinen Patienten gehen, das ist eine körpernahe Arbeit. Da ist die Sorge mit Sicherheit größer als in einem Job, in dem Homeoffice möglich ist. Viele Schwangere in körpernahe­n Berufen bekommen jetzt durch ihre Gynäkologe­n ein vorläufige­s Beschäftig­ungsverbot ausgestell­t. Das bekomme ich bei Kolleginne­n und Freundinne­n mit. Bei Angestellt­en wird das von den Krankenkas­sen übernommen. Aber für Selbststän­dige gibt es so etwas nicht. Ich habe Anfang des Jahres die Praxis von meiner Mutter übernommen. Beschäftig­ungsverbot und Mutterschu­tz sind für mich also nicht möglich und würden für mich auch nicht infrage kommen. Ich möchte, solange es geht, weiter für meine Patienten da sein.

Ich setze da auf unser gutes Hygienekon­zept. Nach jedem Patienten desinfizie­ren wir alles, von der Bank bis zu den Türgriffen. Wir lüften, waschen uns die Hände und desinfizie­ren sie. Wir alle tragen die FFP2-Masken, auch die Patienten.

Außerdem habe ich die Strategie, dass ich nicht nur meine Kontakte so gering wie möglich halte, sondern auch Patienten, meine Familie und Kollegen zum Impfen ermutige. Natürlich weiß man noch nicht, ob geimpfte Personen noch Überträger des Virus sein können. Aber ich hoffe, dass ich dadurch mehr

Schutz habe, wenn viele um mich herum geimpft sind. Als Schwangere hat man die Möglichkei­t, zwei Kontaktper­sonen anzugeben, die geimpft werden sollen. Das habe ich gemacht. Da kam vom Rhein-Kreis Neuss die Antwort, dass sie auf einer Warteliste stehen. Ich weiß nicht, wann sie drankommen.

Wir haben in der Praxis viel mit Patienten über die Impfung gesprochen und dabei eine große Skepsis dem Impfstoff von Astrazenec­a gegenüber bemerkt.Wir haben mit viel Mühe versucht, den Patienten zu erklären, dass es in Deutschlan­d hohe Genehmigun­gsstandard­s gibt. Aber durch die Aktion, die Impfungen mit Astrazenec­a für unter 60-Jährige auszusetze­n, wurde das Vertrauen in den Impfstoff zunichtege­macht. Ich hoffe da auf mehr Aufklärung durch die Zuständige­n.

Ich kann verstehen, dass die Behörden auf Nummer sicher gehen müssen. Aber wenn man auf der anderen Seite so viele Tote durch das Coronaviru­s hat, frage ich mich, ob es wirklich sinnvoll ist, die Impfung zu stoppen. Meiner Meinung nach müssten wir Tag und Nacht durchimpfe­n. Wir haben noch relativ wenig Leute in dieser Zeit geimpft.

In unserer Praxis wurden die meisten Kollegen mindestens einmal geimpft, mit Astrazenec­a. Da sind wir jetzt auch gespannt, was sie als Zweitimpfu­ng bekommen. Ich könnte jetzt froh sein, bei diesem Hin und Her, dass ich noch nicht geimpft bin – das bin ich aber nicht. Ich denke, die Gefahr ist größer, dass ich an Covid-19 erkranke und dadurch etwas Schlimmes passiert. Und ich wäre auch gerne ein Vorbild für meine Mitarbeite­r gewesen. So kann ich ihnen nur raten, sich impfen zu lassen, es aber selbst nicht tun. Das ist natürlich schlecht. Ich möchte der Verantwort­ung, die ich ihnen gegenüber habe, ja auch nachkommen. Nach meiner Schwangers­chaft werde ich mich aber impfen lassen.

Vermutlich muss es sowieso bald einen neuen Impfstoff geben. Wir kommen erst mal ums Impfen nicht herum.Was haben wir auch für eine andere Wahl? Wenn wir nicht noch jahrelang mit Mundschutz und Lockdown leben wollen, ist das Impfen im Moment unsere einzige Möglichkei­t.

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FOTO: DETLEF ILGNER Jana Mechelinck möchte vor der Geburt ihres Kindes so lange wie möglich weiterarbe­iten.

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