Rheinische Post

Er oder sie?

Robert Habeck bringt Regierungs­erfahrung mit. Er hat an seinem Image gefeilt: Aus dem Sonnyboy wurde ein seriöser Politiker.

- VON BIRGIT MARSCHALL

Über Robert Habeck ist schon so viel geschriebe­n worden. Ein promoviert­er Philosoph, der gerne philosophi­sche Höhen erklimmt und Sätze sagt, die tiefgründi­g wirken, die aber nicht jeder sofort versteht. Ein Frauenschw­arm, ein neuer Typus von Mann, der den Feminismus nicht nur pro forma vertritt, sondern ihn wirklich lebt. Ein Naturbursc­he, der als Umwelt- und Agrarminis­ter in Schleswig-Holstein gezeigt hat, dass er den Menschen zuhören und zupacken kann.

Er hat dieses Image geschaffen – mit Fotos, die ihn barfuß am schleswig-holsteinis­chen Strand zeigen, mit Drei-Tage-Bart und Kapuzenpul­li oder auf einer Wiese zwischen wilden Ponys. „Wenn man eine Herde Koniks trifft und sich still auf den

Boden legt, kommen sie manchmal und schnuppern an einem. Das ist so dicht an Magie, wie man kommen kann“, schrieb Habeck im Sommer 2020 auf seinem Instagram-Profil. Auf Twitter musste er unter dem Hashtag #WasmitPfer­den dafür Häme einstecken.

Doch in den vergangene­n Monaten ist etwas geschehen mit Robert Habeck. Er hat sich verändert, betreibt weniger Selbstmark­eting, hat in Talkshows an Strahlkraf­t verloren. In dem Maße, wie der 51-Jährige leiser, defensiver und nachdenkli­cher geworden ist, wurde Annalena Baerbock, seine Partnerin an der Grünen-Spitze, lauter, kämpferisc­her und entschiede­ner. Hadert er mit seinem Sonnyboy-Image? Ist es die Erkenntnis, dass die Grünen Platz eins bei der Bundestags­wahl auch wirklich erringen können? Habeck jedenfalls sind Re

spekt und

Demut vor der großen Aufgabe deutlich anzumerken.

Oder sind die Würfel zugunsten Baerbocks schon gefallen? Wenn sie es will, lässt er ihr den Vortritt – das entspreche den Grünen-Quotierung­sregeln und seiner Überzeugun­g, hat Habeck unlängst bei „Anne Will“gesagt. Er würde seine Rolle als Mann unter Kanzlerin Baerbock sicher finden. Aber auch als Teamplayer fiele ihm das nicht leicht. Der Apothekers­ohn ist bei aller zur Schau getragenen Demut ehrgeizig und erfolgsver­wöhnt, und deshalb auch nicht frei von Eitelkeit.

In die Partei trat er erst mit 33 ein, davor und auch danach schrieb er Bücher, viele davon zusammen mit seiner Frau Andrea Paluch. Zuletzt erschien das Werk „Von hier an anders – Eine politische Skizze“, strategisc­h klug platziert im Superwahlj­ahr. Habeck wurde sofort Kreisvorsi­tzender und 2012, nur zehn Jahre später, Vize-Ministerpr­äsident von Schleswig-Holstein. Fünf Jahre später wollte er nach Berlin, einen noch größeren Sprung machen. Anfang 2018 war der Weg an die Spitze für ihn frei.

Seitdem bildet Habeck mit Baerbock ein geniales Duo: Sie ist die bis ins Detail Bewanderte, er der Mann fürs Grundsätzl­iche. Beide führten die Parteiflüg­el zusammen, sorgten für nie gekannte Geschlosse­nheit. Die Kanzlerkan­didatur wäre Habecks nächster Karrieresc­hritt. Doch inhaltlich­e Fehler kratzten auch an seiner Reputation. Also hat er an sich gearbeitet. „Habeck weiß um seine Schwächen. Er versucht, Wissenslüc­ken zu schließen“, sagt einer aus der Fraktion.

Plötzlich sieht man ihn glattrasie­rt und nur noch mit Hemd und Sakko. Die trockene Finanzpoli­tik ist sein Aufgabenbe­reich geworden, obwohl er gerade hier mitunter nicht sattelfest ist. In der aktuellen Gemengelag­e gibt er sich entspannt und staatsmänn­isch. Am Montag wünschte er sich angesichts des Machtkampf­s in der Union eine „handlungsf­ähige konservati­ve Partei“. Habeck lässt sich vor dem 19. April nicht in die Karten schauen – und dürfte im Fall der Entscheidu­ng für Baerbock bereits wissen, welches Bundesmini­sterium er für sich beanspruch­t. Für den nächsten Karrieresc­hritt.

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