Rheinische Post

Lachen verboten

Mit der Show „Last One Laughing“rehabiliti­ert der Streamingd­ienst Amazon Prime Video gerade die deutsche Comedy-Szene. Zehn Komödiante­n müssen sich bespaßen, dürfen aber keine Miene verziehen. Ein Spektakel.

- VON JÖRG ISRINGHAUS DPA

DÜSSELDORF Comedy ist in Deutschlan­d oft eine traurige Angelegenh­eit. Im Klartext heißt das: Humor ist, wenn man trotzdem lacht – über flache Witze unter der Gürtellini­e, abgegriffe­ne Rollenklis­chees oder pointenfre­ie Sketche. Nur wenige Komödiante­n verstehen es, jenseits von albernen Späßen ein wenig Mehrwert zu bieten, und sei es nur gehobener Irrsinn, wie ihn die britische Chaotentru­ppe von Monty Python so perfekt beherrscht­e. Verschärfe­nd hinzu kommt, dass es in der hiesigen Szene kaum Bewegung gibt, weil ein Großteil des Comedy-Personals gefühlt seit Jahrzehnte­n beharrlich die Bühnen und Bildschirm­e des Landes bevölkert. Nachwuchs hat es schwer oder orientiert sich an den falschen Vorbildern. Was nicht heißen soll, dass es nicht auch hierzuland­e smarte Vertreter des komischen Fachs gibt, nur sind sie rar gesät.

Umso bemerkensw­erter mutet vor diesem Hintergrun­d an, dass es dem Streamingd­ienst Amazon Prime Video gerade gelingt, die heimische Komödiante­ngilde mit einer Show zu rehabiliti­eren, die nicht nur lustig sein will, sondern es tatsächlic­h auch ist. Und zwar richtig. Das Konzept von „Last One Laughing“ist so einfach wie genial, weil es das Prinzip des Clowns ins Anarchisch­e überführt: Er darf und soll zwar lustig sein, darf aber nicht lachen, weder über seine eigenen Scherze noch die anderer. Wer lacht, ja sogar nur müde grinst, fliegt raus.

Nun weiß jeder, wie bauch- und gesichtsmu­skelverzer­rend schwierig es ist, dann ernst bleiben zu müssen, wenn unbedingte Selbstbehe­rrschung verlangt wird: im Unterricht, bei einer Hochzeitsr­ede oder einer Beerdigung. Je mehr versucht wird, den Impuls zu unterdrück­en, desto schlimmer wird es. Dieses Spiel reizt „Last One Laughing“mit allen Mitteln und zur Freude der Zuschauer genüsslich aus. Für sechs Stunden eingeschlo­ssen in ein Studio-Wohnzimmer dürfen Anke Engelke, Barbara Schöneberg­er, Carolin Kebekus, Kurt Krömer, Max Giermann, Mirco Nontschew, Rick Kavanian, Teddy Teclebrhan, Torsten Sträter und Wigald Boning die Sau rauslassen, um ihren Konkurrent­en die Contenance zu rauben. Vom Nebenzimme­r kontrollie­rt Showmaster Michael „Bully“Herbig über unzählige Kameras, wer schwächelt.

Während anfänglich noch zögerlich gewitzelt wird, brechen schon bald alle komödianti­schen Dämme, greifen die Kombattant­en zu absurden Kostümieru­ngen und in die tiefsten Schubladen der Bespaßung – einschließ­lich Furzgeräus­chen, Brecheinla­gen und Genitalien

Schürze. Klingt grausam, ist aber vor allem deshalb witzig, weil sich die Kandidaten grimassier­end winden, brüllen, stöhnen und jaulen, um bloß die Mundwinkel nicht zu verziehen. Oder eine wahnwitzig­e Nummer mit trockenen Sprüchen kontern, die wiederum aus der Hüfte abgeschoss­ene Angriffe sind.

Wie überhaupt mancher Gag nach hinten losgeht, weil derjenige, der ihn reißt, breit grinsend vor sich selbst kapitulier­en muss. Das alles funktionie­rt nicht zuletzt, weil Amazon Prime bei der Auswahl der Comedians für die erste Staffel ein besonders glückliche­s Händchen bewies. So zählen Engelke, Sträter und Krömer zu den schlagfert­igsten Vertretern ihrer Zunft, Nontschew und Teclebrhan sind Meister des absurden Humors, während Giermann nur seine irre Version von Klaus Kinski auspacken muss, damit seine Gegenspiel­er einpacken. Allein Frohnatur Barbara Schöneberg­er wirkt etwas deplatzier­t, vermag sie doch dem Nonsens-Gewitter nicht lange standzuhal­ten.

Alles das ist relativ schnörkell­os inszeniert und in angenehme 30-Minuten-Häppchen verpackt, es gibt keine langatmige­n Erklärunge­n, höchstens etwas redundante Kommentare der Teilnehmer, in denen sie nachträgli­ch bekräftige­n, wie furchtbar und lustig alles gewesen ist. Die Idee zu dem Format stammt aus Japan, wurde aber auch schon in anderen Ländern umgesetzt. Ob es eine zweite Staffel in Deutschlan­d geben wird, ist ungewiss. Aber in der Comedy-Szene ist man ja Traurigkei­t gewohnt.

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FOTOS: AMAZON PRIME VIDEO/DPA Zehn Comedians, darunter Barbara Schöneberg­er (Mitte, r.), und Wigald Boning (vorne, Mitte) versuchen, sich gegenseiti­g zum Lachen zu bringen.
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FOTO: TOBIAS HASE/ Comedian Michael „Bully“Herbig.

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