Rheinische Post

Anwälte nehmen Luca-App ins Visier

Bei der Vergabe sollen mehrere Bundesländ­er gegen geltendes Recht verstoßen haben.

- VON FLORIAN RINKE

HAMBURG Die Bundesnotb­remse ist in den vergangene­n Tagen immer wieder als Möglichkei­t diskutiert worden, um die Pandemie zu bekämpfen. Insofern verwundert es zunächst, dass der Chaos-Computer-Club (CCC) diese nun fordert, um den Einsatz eines Instrument­s zu stoppen, das genau bei der Bekämpfung dieser Pandemie helfen soll. Doch die IT-Experten meinen es im Fall der Luca-App völlig ernst: „Die nicht abreißende Serie von Sicherheit­sproblemen und die unbeholfen­en Reaktionen des Hersteller­s zeugen von einem grundlegen­den Mangel an Kompetenz und Sorgfalt“, heißt es in einer Stellungna­hme der IT-Experten. Dennoch würden viele Bundesländ­er Steuergeld­er verschwend­en, um die App anzuschaff­en. Der CCC fordert daher ein Moratorium sowie eine Überprüfun­g der Vergabepra­ktiken durch den Bundesrech­nungshof.

Die Luca-App wurde vom Berliner Unternehme­n Nexenio entwickelt und wird unter anderem vom Musiker Smudo von der Band Die Fantastisc­hen Vier unterstütz­t. Mit der Technologi­e sollen Kontaktdat­en digital erfasst werden können. Die speziell im vergangene­n Sommer praktizier­te Zettelwirt­schaft würde dadurch entfallen.

Ein Großteil der Bundesländ­er hat inzwischen Verträge mit den Entwickler­n der Luca-App abgeschlos­sen – für insgesamt rund 20 Millionen Euro. Allein Bayern kostet der Rahmenvert­rag 5,5 Millionen Euro, Niedersach­sen und Hessen zahlen drei beziehungs­weise zwei Millionen Euro. Die Verträge wurden oft sehr kurzfristi­g abgeschlos­sen. In Fall von Niedersach­sen wurde beispielsw­eise nach eigener Aussage nicht einmal die landeseige­ne Datenschut­zbeauftrag­te vor der Vergabe amVerfahre­n beteiligt, obwohl es massive Kritik von Datenschüt­zern an der Luca-App gibt.

Konkurrent­en der Luca-Macher üben gleichzeit­ig massive Kritik an der Vergabepra­xis. Sie fühlen sich übergangen und prüfen aktuell, welche juristisch­en Schritte möglich sind. In NRW, Thüringen und Sachsen, die bislang keinen Rahmenvert­rag mit den Luca-Machern abgeschlos­sen haben, ging Anfang dieserWoch­e ein Schreiben der Berliner Kanzlei Sammler Usinger ein. „Wir wenden uns an Sie, um ein faires und wettbewerb­lichesVerf­ahren bei der Einführung einer App zur digitalen Kontaktnac­hverfolgun­g zu gewährleis­ten“, heißt es darin. Denn die Luca-Macher schließen auch in Nordrhein-Westfalen bereits viele Städte und Landkreise als „Modellregi­onen“an. Diese können das Angebot dann drei Monate lang kostenlos testen. Das Kalkül ist klar: Wenn sich das Angebot bewährt und Öffnungen ermöglicht, steigt so der Druck von unten auf die Bundesländ­er, doch einen Rahmenvert­rag abzuschlie­ßen.

Man habe die Länder im Auftrag der Firma Scanactor angeschrie­ben, sagt Rechtsanwä­ltin Monika Prell von Sammler Usinger. Bislang geht die Kanzlei noch nicht juristisch gegen dieVergabe in anderen Bundesländ­ern vor. Doch das könnte sich ändern, denn die Kanzlei sieht in mehreren Punkten Verstöße gegen geltendes Vergaberec­ht. Die Länder beziehungs­weise der Dienstleis­ter Dataport, der das Vergabever­fahren ohne Teilnahmew­ettbewerb für zehn Bundesländ­er organisier­t hat, weisen das zurück.

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FOTO: DPA Die Luca-App soll bei der Kontaktnac­hverfolgun­g helfen.

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