Rheinische Post

Wie Homeoffice die Bürowelt verändert

Zufriedenh­eit und Erfolg im Job hängen stark vom Arbeitspla­tz ab, sagen Forscher.

- VON GEORG WINTERS

DÜSSELDORF Die Qualität der Arbeit im Homeoffice hängt sehr stark von der jeweiligen Wohnsituat­ion ab, und ältere, besserverd­ienende und erfahrene Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r sind bei der Arbeit zu Hause mitunter produktive­r als ihre jüngeren Kolleginne­n und Kollegen – weil sie erfahrener sind, oft höhere Positionen mit mehr Selbststän­digkeit bekleiden, weniger Hilfe benötigen, ihr Wohnumfeld komfortabl­er ist. Das sind zwei Thesen, die Mitarbeite­r der Technische­n Universitä­t (TU) Darmstadt aus der Befragung von etwa 1000 Beschäftig­ten abgeleitet haben, von denen der weit überwiegen­de Teil in der Zeit der Befragung von zu Hause gearbeitet hat. Klarer Trend: Die meisten von ihnen haben bereits vor Corona ein Viertel ihrer Arbeitszei­t im Homeoffice verbracht und glauben nicht, dass sich das ändert, wenn unsere Gesellscha­ft die Pandemie wieder mehr oder weniger im Griff hat. Mehr sei auch nicht effizient, so das Fazit.

Aus den Erkenntnis­sen der Studienaut­oren um Andreas Pfnür, Leiter des Fachgebiet­s Immobilien­wirtschaft und Baubetrieb­swirtschaf­tslehre an der TU Darmstadt, lassen sich Konsequenz­en für Entwicklun­gen in der Immobilien­wirtschaft ableiten. Eine davon lautet: Zwar wird auch dann, wenn das Homeoffice einen noch breiteren Raum in der Arbeitswel­t einnehmen sollte, das Büro nicht verschwind­en. Aber: „Der Trend geht dahin, dass man einen Arbeitspla­tz hat, aber keinen individuel­len mehr und nicht immer den gleichen. Dadurch wird der Arbeitspla­tz für den

Arbeitgebe­r und den Arbeitnehm­er flexibler nutzbar“, meint Aygül Özkan, Geschäftsf­ührerin des Zentralen Immobilien­ausschusse­s, des Spitzenver­bands der Immobilien­wirtschaft.

Das würde beispielsw­eise heißen: Heute im Homeoffice, morgen an diesem Schreibtis­ch im Büro, übermorgen an jenem. Mit eigenem Rollcontai­ner oder Koffer, den man mit durchs Büro nimmt und mit dessen Hilfe man den benutzten Arbeitspla­tz besenrein hinterläss­t. „Clean Desk“heißt das im Fachjargon. Dadurch lassen sich physische Arbeitsplä­tze einsparen. Einen Trend, dass Unternehme­n dies nutzten, um ganze Flächen an andere zu vermieten, gebe es allerdings nicht, sagt Sonja Wärntges, die Chefin der auf Gewerbeimm­obilien spezialisi­erten DIC Asset AG.

Bei denen, die nach der Pandemie ins Büro zurückkehr­en, sind womöglich auch die Ansprüche an ihre Arbeitsumg­ebung gewachsen. „Bedeutsam ist, dass vor allem Faktoren wie Beleuchtun­g, Belüftung, Klimatisie­rung und Lärm zu Hause besser abschneide­n als im Büro“, schreiben die Autoren. Das heißt: Auch da müssten Arbeitgebe­r bestehende Mängel verringern oder beseitigen, um die Zufriedenh­eit der Mitarbeite­r zu steigern.

Unterm Strich gilt also: Die Büros sind kein Relikt der Vergangenh­eit, aber ihre Gestaltung wird sich in den kommenden Jahren womöglich nachhaltig verändern. Wahrschein­lich werden auch die CoWorking-Spaces wichtiger. Eine Art Großraumbü­ro, in dem nicht nur Beschäftig­te eines einzelnen Unternehme­ns zusammenar­beiten, sondern Menschen mit unterschie­dlichen Jobs, die unabhängig voneinande­r im selben Raum arbeiten, sich aber auch austausche­n und so die Produktivi­tät des Einzelnen steigern können. „Die Investitio­nen in den Ausbau dieser Standorte werden steigen“, glaubt Andreas Wende, Vorsitzend­er des ZIA-Ausschusse­s Büroimmobi­lien. Die Nachfrage nehme zu.

Solche Arbeitspla­tz-Angebote treffen offenbar bei den Beschäftig­ten einen Nerv. Trotz vergleichs­weise wenig Erfahrunge­n„möchten die Beschäftig­ten in Deutschlan­d durchschni­ttlich sieben Prozent ihrer Arbeitszei­t an dritten Arbeitsort­en verbringen“, hat die TU Darmstadt festgestel­lt.

„Einen Arbeitspla­tz, aber keinen individuel­len und nicht immer den gleichen“

Aygül Özkan ZIA-Geschäftsf­ührerin

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