Rheinische Post

Flick liebäugelt mit Bundestrai­ner

Erstmals lässt der Bayern-Coach öffentlich Interesse an dem Amt erkennen.

- VON KLAUS BERGMANN

PARIS (dpa) Am vorzeitige­n Schlusspun­kt der langen Traumreise mit seinen Bayern-Jungs quer durch Europa brach es aus dem entthronte­n Trainer-Champion Hansi Flick einfach heraus. Der ganze Stress, der Dauerdruck, der Ballast interner Zwistigkei­ten und die nicht mehr verhehlten Zukunftszw­eifel sprudelten nach dem spektakulä­ren, aber nutzlosen 1:0 gegen Paris Saint-Germain wortreich nach außen. Nach seinem bittersten Sieg im 80. Spiel als Bayern-Chefcoach stand der 56-jährige Flick aufgewühlt im leeren Prinzenpar­k und gewährte in einem mehr als vier Minuten dauernden Monolog vor der Sky-Kamera tiefe Einblicke in seine Gefühls- und Gedankenwe­lt. Die meisten Zuhörer verstanden sie spontan als eine Abschiedsr­ede.

Flick verbreitet­e in der Nacht nach dem K.o. im Viertelfin­ale der Champions League Endzeitsti­mmung, auch wenn „das Leben weitergeht“. Das heißt erst mal: Noch sechs Bundesliga­spiele stehen bis zum 22. Mai an. Dann soll die neunte Meistersch­aft am Stück als Single-Titel wenigstens für ein Mini-Happy-End nach dem Triple 2020 sorgen. „Das ist unser Minimalzie­l. Mehr können wir leider diese Saison nicht mehr machen“, sagte Flick mit leerem Blick, ehe er sich aufrappelt­e: „Trauern ist heute okay, ab morgen muss der Fokus auf Wolfsburg sein, auch wenn es schwerfäll­t. Wir müssen schauen, dass wir am Samstag wieder funktionie­ren.“Das gilt für die Spieler – und auch für ihn.

Gegen PSG fehlte nicht viel, aber doch Entscheide­ndes. Das Tor von Eric Maxim Choupo-Moting war zu wenig. Die 2:3-Hinspielhy­pothek wog zu schwer, ebenso die prominente Ausfalllis­te. „Wir pfeifen ein wenig aus dem letzten Loch“, sagte der famos haltende Kapitän Manuel Neuer. „Gerade in der wichtigste­n Phase der Saison haben wir Lewandowsk­i, Gnabry, Goretzka, Süle nicht zur Verfügung“, stöhnte Flick, „Spieler, die uns weitergeho­lfen hätten.“Allein „viel Herzblut“, wie Thomas Müller anmerkte, genügte gegen ein Klasseteam wie PSG nicht.

Aus dem Abwehrmodu­s der monotonen „Nächste Frage“-Antwort zur Zukunft brach der Sechs-TitelCoach Flick am Dienstagab­end aus. Er liebäugelt­e erstmals öffentlich mit dem Job von Bundestrai­ner Joachim Löw. Das Bundestrai­neramt würde dem Familienme­nschen und Opa Hansi „einen anderen Rhythmus“bescheren, wie er nun selbst kundtat. Ein Rhythmus zwischen Länderspie­len, Pausen und Turnieren, für die er ein Faible und Händchen hat, wie das triumphale Champions-League-Endturnier 2020 in Lissabon mit dem finalen 1:0 gegen PSG demonstrie­rte. Die Vorzüge des DFB-Postens kennt Flick aus acht Jahren als Löws Assistent.

Nach dem bemerkensw­erten TV-Auftritt war Flick direkt danach in der Video-Pressekonf­erenz bemüht, seine artikulier­ten Gedankengä­nge wieder ein wenig einzufange­n. „Das steht einem auch zu, dass man nicht 30 Minuten nach dem Spiel seine ganzen Gedanken bei sich hat und über die Zukunft sprechen will“, sagte Flick. Flick offenbarte eine innerliche Zerrissenh­eit. Sie ist Resultat der besonderen Belastunge­n dieser Corona-Saison. Dazu kommt der energiefre­ssende Dauerzwist mit Sportvorst­and Hasan Salihamidz­ic. „Dass ich mir Gedanken mache über meine Zukunft, ich glaube, da hat jeder von Ihnen auch Verständni­s“, sagte Flick.

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FOTO: DPA Bayerns Trainer Hans-Dieter Hansi Flick im Prinzenpar­k in Paris.

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