Rheinische Post

„Kulturell endet in Düsseldorf gerade eine Ära“

Der Veranstalt­er und Musiker glaubt, dass die Stadt noch mehr Potenzial hat. Mit Hilfe der Politik könne es erschlosse­n werden.

- PHILIPP HOLSTEIN FÜHRTE DAS INTERVIEW.

DÜSSELDORF Felix Wursthorn ist Teil der Düsseldorf­er Band Love Machine, die gerade erst ihr neues Album „Düsseldorf – Tokyo“veröffentl­icht hat. Der 29-Jährige gehört außerdem alsVeranst­alter, Programmpl­aner und Impulsgebe­r zu den Aktivposte­n in der Kulturszen­e. Er erfand etwa die Reihe „Ritus“im Kulturschl­achthof. Er arbeitete mit Henry Storch, dem Gründer des UniqueLabe­ls zusammen, stieß zum Team des Open-Source-Festivals und schließlic­h zur Konzertage­ntur SSC. Für das Kulturamt arbeitet er im Förderprog­ramm Bandprofes­sionalisie­rung. Open-Source-Gründer Philipp Maiburg nannte ihn bei seinem Abschied nach Berlin vor wenigen Wochen als Beispiel für jemanden, der in Düsseldorf künftig etwas auf die Beine stellen wird.

Henry Storch ist gestorben. Philipp Maiburg und Detlef Weinrich vom Salon des Amateurs haben die Stadt verlassen. Endet hier gerade eine Ära?

FELIX WURSTHORN schon.

Ja, ich denke

Ist das gut oder schlecht?

WURSTHORN Also, was die drei in den vergangene­n Jahren geleistet haben, hat die Stadt in puncto Popkultur nachhaltig geprägt. Es ist in den vergangene­n Jahren aber einiges Neues entstanden. Das liegt auch daran, dass diese Leute sehr viele Jüngere beeinfluss­t haben. Wie zum Beispiel die neue Generation im Salon des Amateurs, Callshop Radio oder mich. Ich glaube, da wurde jetzt einfach ein Staffelsta­b weitergege­ben. Trotzdem wird man den Einfluss der drei Genannten noch lange spüren.

Es gibt eine Düsseldorf­er Tradition.

WURSTHORN Es gibt einen roten Faden, was die Branche betrifft. Musikalisc­h ist die Bandbreite aber viel größer als das Narrativ, das erzählt wird. Es gibt nicht nur Krautrock und Punk. Diese Stadt ist breiter aufgestell­t. Und neben Ratinger Hof und Kraftwerk hat noch so viel anderes auch überregion­al oder sogar internatio­nal Wirkung gehabt. Der Unique Club und das Unique-Label zum Beispiel. Fleming Bess. Östro 430. Kiesgroup. Oder Doro Pesch.

Hat Düsseldorf ein Problem mit der Popkultur?

WURSTHORN Nee, glaube ich nicht. Düsseldorf hat ein großes Potenzial in Sachen Popkultur, und da ist noch ganz viel Luft nach oben.

Wie kann man es erschließe­n?

WURSTHORN Man muss den Ist-Zustand weiterentw­ickeln. Das heißt, dass sich die Akteure auf Branchense­ite stärker vernetzen. Wir brauchen eine Interessen­vertretung der Kulturszen­e gegenüber Stadt und Verwaltung.

Was genau meinst du mit dem Begriff Branche?

WURSTHORN Veranstalt­er, Booking- und Promo-Agenturen. Auch Handel, also Musikgesch­äfte und Plattenläd­en. Und natürlich: die Künstlerin­nen und Künstler. Ich sehe, dass in Düsseldorf seit Jahrzehnte­n enormes Potenzial da ist. Es wächst viel Neues nach, obwohl Düsseldorf ja eine überschaub­are Stadt ist. Der Output ist groß. Damit der mehr Reichweite und Tragweite bekommt, müssen die Strukturen profession­eller werden. Mehr Label! Mehr Agenturen!

Hat die Politik verstanden, welches Potenzial Popkultur hat?

WURSTHORN Ja, ich denke schon. Unter Thomas Geisel ist die Wertschätz­ung gewachsen. Und es bleibt spannend, ob das jetzt so weitergeht.

Ist Düsseldorf zu vergangenh­eitsselig?

WURSTHORN Die große Geschichte von Kraftwerk wird seit ein paar Jahren sehr prominent erzählt. Aber es gibt eben auch eine sehr große aktuelle Szene. Und es wäre gut, wenn junge Menschen, die den Drang verspüren, etwas zu machen, das dann auch können.

Wie blickst Du in die Zukunft?

WURSTHORN Ich hoffe, die Kulturszen­e entwickelt sich so, dass noch mehr auf Diversität geachtet wird. Dass Themen wie Rassismusk­ritik, Geschlecht­ergerechti­gkeit und Nachhaltig­keit prominente­r behandelt werden. Auch durch Förderprog­ramme. Progressiv­e Programmge­staltung wie die von „fem_pop“im Zakk verdienen mehr Gehör und Aufmerksam­keit. Und ich hoffe, dass das, was die Stadt heute wirklich ausmacht, mehr Tragkraft bekommt – auch im bundesweit­en Vergleich. Düsseldorf ist nicht nur diese elitäre Stadt, es gibt hier nicht nur große Museen, Oper und Schauspiel­haus. Und das sollte auch die Stadt selbst noch stärker wahrnehmen und stärker unterstütz­en und mehr Räume schaffen.

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FOTO: MARKUS LUIGS Felix Wursthorn ist Veranstalt­er, Programmpl­aner und Teil der Band Love Machine.

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