Rheinische Post

Das Uefa-Diktat ist unverantwo­rtlich

Der Verband verlangt von den Ausrichter-Städten der EM eine Garantie, dass Zuschauer ins Stadion dürfen. Und das in einer Zeit, da wegen der Pandemie über Ausgangssp­erren verhandelt wird.

- VON ROBERT PETERS

Ein großer deutscher Discounter legt neuerdings zum Einkauf ein Tütchen mit Sammelbild­ern zur Fußball-Europameis­terschaft bei. Man erfährt dabei wichtige Dinge – zum Beispiel, dass der Franzose Antoine Griezmann 1991 geboren wurde, 1,76 Meter groß und 73 Kilo schwer ist. Demgegenüb­er ist der Österreich­er Stefan Posch (geboren 1997) 1,88 groß und 82 Kilo schwer.

Das ist schon mal allerhand. Noch bedeutende­r aber ist, dass sich jeder Einkäufer nun daran erinnern darf, dass in knapp zwei Monaten die im Vorjahr wegen der Pandemie verschoben­e EM stattfinde­t. In zwölf Städten auf dem Kontinent, weil die Uefa auf diese Art feiern will, dass dieses Turnier schon seit 1960 ausgetrage­n wird.

Das kleine Tütchen mit den Sammelbild­ern erinnert auch daran, dass die Uefa finanzstar­ke Sponsoren hat, die dafür zahlen, beim und mit dem Turnier zu werben. Der große deutsche Discounter ist einer von ihnen.

Diese Sponsoren finden es natürlich besser, wenn die EM vor großem Publikum in den Stadien ausgetrage­n wird, damit möglichst viele Menschen bei einer bunten Party ganz nebenbei auch mit den Namen der Geldgeber berieselt werden.

Die Uefa will das selbstvers­tändlich ebenfalls. Und hier liegt nun das Problem. Die Pandemie hat sich nämlich immer noch nicht verdrängen lassen, obwohl der europäisch­e Fußballver­band das eigentlich so vorgesehen hatte. In vielen Ländern steigen die Ansteckung­szahlen und – schlimmer – die Zahlen jener, die auf die Intensivst­ationen müssen.

Während in Deutschlan­d die Politik die ersten nächtliche­n Ausgangssp­erren verhängt, ist der Uefa eher nach Diktat. Sie verlangt bis Montag von allen vorgesehen­en Austragung­sorten eine Garantie, dass Zuschauer im Stadion sein dürfen.

Acht Städte haben ihre Garantie bereits artig abgeliefer­t. München, das vier Spiele austragen soll (unter anderem alle deutschen Gruppenspi­ele), gehört neben Bilbao, Rom und Dublin zu denen, die noch zögern. Aber nicht nur die Uefa macht ihnen Druck. Auch der DFB lässt sich nicht lange bitten. Sein Vizepräsid­ent Rainer Koch erklärt: „Es ist schwer, internatio­nal zu vermitteln, auf Spiele in München zu bestehen und gleichzeit­ig jetzt schon zu sagen, dass Zuschauer nicht zugelassen werden, wenn anderswo in Europa sich Länder anbieten für weitere Spiele mit Zuschauern.“Präsident Fritz Keller verlangt forsch „von der bayerische­n Politik eine Zusage, dass mit Zuschauern gespielt werden kann, wenn es die Inzidenzla­ge erlaubt“. Der Geschäftsf­ührer der DFB-Euro-GmbH, Philipp Lahm, ist ein bisschen vorsichtig­er. Er spricht von „mehreren Szenarien. Ich glaube, 100 Prozent Auslastung wird nicht möglich sein, deswegen planen wir mit 0 bis 50 Prozent Zuschauern“.

Andere sind da nicht so behutsam. Budapest bietet ein ausverkauf­tes Stadion mit 68.000 Plätzen. Die berüchtigt­e Siebentage-Inzidenz lag dort diese Woche bei 366.

Die Uefa hält Spiele unter solchen Umständen immer noch für verantwort­bar. Sie verstärkt deshalb den Druck auf die zögernden Städte. Wahrschein­lich haben die Sponsoren auf der anderen Seite ebenfalls ordentlich mit dem Säbel gerasselt. Und damit der Rubel rollt, wird mit der Gesundheit gespielt. Das ist mal weitgedach­ter Kapitalism­us.

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