Wie ein Kran aus Benrath die Titanic mitbaute
Der Journalist Jens Ostrowski wurde bei der Recherche für sein Buch über deutsche Schicksale der Titanic im Demag-Archiv fündig.
BENRATH Jens Ostrowoski ist überzeugt, dass er ohne seine frühzeitig aufkeimende Liebe zur Geschichte wohl nie Journalist geworden wäre. Und damit auch kein Buchautor. Einen besonderen historischen Reiz hat für ihn der Untergang der Titanic am 14. April 1912 auf ihrer Jungfernfahrt. Vieles wurde über dieses Unglück schon veröffentlicht; es gibt Sachbücher, Romane sowie Dokumentar- und Spielfilme. Doch eines war bislang noch nicht vorhanden, wie Jens Ostrowoski sagt: Ein Buch über die deutschen Bezüge der Katastrophe, bei der 1514 Menschen ihr Leben verloren. Diese Lücke hat der Dortmunder Journalist und Autor nun geschlossen.
Im Dezember erschien sein mit vielen historischen Fotos und Dokumenten bestücktes Buch „Die Titanic war ihr Schicksal. Die Geschichte der deutschen Passagiere und Besatzungsmitglieder“im Selbstverlag. Darin stellt er alle 22 Deutschen vor, die in jener Nacht an Bord waren: 15 Passagiere und sieben Besatzungsmitglieder. Damit vollendete er nach 20 Jahren etwas, was er 2001 mit dem Buch über eines der Opfer begonnen hat: Pater Joseph Benedikt Peruschitz.
Doch vollständig wurde das Buch für Ostrowski erst dadurch, dass er recherchiert hat, was es sonst noch an Bezügen von der Titanic nach Deutschland gibt, wie etwa der Gymnastikraum, der mit Sportgeräten aus Wiesbaden bestückt war. Und da ist ihm schnell ins Auge gefallen, dass der Schwimmkran, mit dessen Hife sowohl die Titanic als auch ihr Schwesterschiff Olympic in der Werft Harland & Wolff in Belfast gebaut wurden, aus Benrath kommen soll. Der Kran für die nordirische Hafenstadt war eine Sonderanfertigung der Firma Demag. Deren Name ist schon längst vom einstigen Firmengelände an der Forststraße verschwunden. Seit Mai 2016 weht dort die Fahne von Konekranes, unter der Marke Gottwald werden dort weiter Kräne gefertigt.
Fündig wurde Jens Ostrowksi im Mannesmann-Archiv in Mülheim, das das Demag-Archiv in seinen Bestand integriert hat. 1973 übernahm Mannesmann die Deutsche Maschinenbau-Aktiengesellschaft, die 1910 als Demag-Konzern durch den Zusammenschluss der Unternehmen
Märkische Maschinenbau-Anstalt L. Stuckenholz AG (Wetter an der Ruhr), Duisburger Maschinenbau AG (Duisburg) und der 1896 gegründeten Benrather Maschinenfabrik GmbH (Benrath) entstand.
Ostrowski tauchte für seine Recherchen tief in das Demag-Archiv ein und stieß dabei auch auf den Kaufpreis: 106.672,47 Reichsmark. Schon 1908 war der Schwimmkran nach Belfast geliefert worden und kam zum esten Mal am 26. Oktober in jenem Jahr bei der Austattung desWhite Star Liners Laurentic zum Einsatz. Das Schiff war einen Monat zuvor vom Stapel gelassen worden; die Olympic und die Titanic befanden sich da noch nicht im Bau.
Bei diesem ersten Einsatz, so schreibt es der Autor in seinem Buch, habe es Probleme gegeben, für den Hilfe aus Benrath benötigt wurde: Beim Richten des Krans in Belfast weigerten sich die irischen Arbeiter, die Spitze des Auslegers zu installieren. Der Aufstieg an den höchsten Punkt dieses Kran-Ungetüms schien ihnen zu riskant.
Daraufhin blieb dem deutschen Richtmeister nichts anderes übrig, als Hifskräfte aus Benrath anzufordern. Trotz dieser zeitlichen Verzögerung schafften es die deutschen Ingenieure, ihn pünktlich fertig zu stellen. Als Lohn durften sie über dem fertigen Kran die kaiserliche Flagge hissen, was die irischen Arbeiter kritisch beäugten.
Mithilfe des Krans konnten Teile auf die Schiffe gehievt werden, die bis zu 150 Tonnen schwer waren. Das Führerhaus ragte mehr als 20 Meter über dem Wasser. Das Innere sah aus wie ein kleines, aber gut eingerichtetes Maschinenhaus. Auch am Bau der Titanic, der im März 1909 mit der Kiellegung begann, und dem Schwesterschiff Olympic war der Kran aus Benrath laut Autor beteiligt. Bis 1936, so hat es Ostrowski recherchiert, wurden von der Demag 112 Schwimmkräne ausgelierfert. Aber nur zwölf von dieser Größe. Die irische Werft nutzte ihn noch bis Mitte der 1970er Jahre.
An Bord der untergegangenen Titanic befanden sich neben den 2224
Menschen, Passagiere und Besatzungsmitglieder, auch 600.000 Briefe aus Deutschland, die nach Übersee mitgeschickt wurden, darunter auch einige 1000 aus der Poststelle Düsseldorf. Das ist aber eine andere Geschichte.
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