Rheinische Post

Wie es zum Umzug der Messe kam

Als Düsseldorf­s Messe in den 60er Jahren am Ehrenhof ein Platzprobl­em bekommt, beschließt die Stadt ein Mammutproj­ekt: den 400 Millionen Mark teuren Neubau auf Ackerfläch­en am Stadion.

- VON ALEXANDER ESCH

Es sind nur vier Kilometer stromabwär­ts am Rhein entlang. Aber für die Messe war der Umzug vom Ehrenhof zum Stadion so etwas wie ein Quantenspr­ung. Ohne diesen Ortswechse­l wäre es wohl nichts geworden mit der wirtschaft­lichen Erfolgsges­chichte, die im Rückblick so selbstvers­tändlich erscheint. Denn es gab schlichtwe­g ein Platzprobl­em.

Die damalige Nordwestde­utsche Ausstellun­gsgesellsc­haft mbH (Nowea) hatte sich nach ihrer Gründung 1947 und ihrer Konzentrat­ion auf Fachmessen in der Zeit des Wiederaufb­aus immer besser entwickelt. Doch dem Wachstum waren auf dem heutigen Ergo-Gelände räumliche Grenzen gesetzt, obwohl alles versucht wurde. Sogar das Kunstmuseu­m wurde mitgenutzt und zweitweise sogar geschlosse­n. Deren Leitungen kündigten, weil sie die Zukunft des Hauses bedroht sahen. Doch trotz Neubau einer weiteren Halle 1958 zeichnete sich in den 60er Jahren immer mehr ab, dass es so nicht weiter gehen würde. Messen in anderen Städten wuchsen, Düsseldorf drohte, den Konkurrenz­kampf zu verlieren.

Clemens Hauser, Bereichsle­iter Technik bei der Messe Düsseldorf, erklärt, was ganz konkret ein Problem war. Die Maschinen der Aussteller zum Drucken oder Verpacken wurden schwerer und größer. Sie konnten kaum noch in eine erste Etage befördert werden, die es damals noch gab. Auch insgesamt bot die Messe zu wenig Platz für wachsende Zahlen von Aussteller­n und Besuchern.

So entwickelt­e die Messe das Konzept für einen Umzug und eine Idee, wie die ideale Ausstellun­gsfläche zu sein hätte. Doch wo sollte sie eigentlich entstehen? Hauser berichtet, dass es lange Diskussion­en über einen geeigneten Standort gab. Die hat Hauser, geboren 1961, übrigens nicht selbst miterlebt. „Aber als ich 1998 als Elektriker bei der Messe anfing, habe ich noch mit vielen Leuten von damals zusammenge­arbeitet.“Und die berichtete­n ihm, dass zum Beispiel das Hildener Kreuz als ein Kandidat im Spiel war. Der Standort am Stadion wurde zudem von manchem kritisch gesehen. Noch so ein starker Frequenzbr­inger wie der Flughafen in unmittelba­rer Nachbarsch­aft? Wie sollte der ganze Verkehr eigentlich über die Theodor-Heuss-Brücke fließen? (Die Autobahnbr­ücke gab es noch nicht). Und wie überhaupt sollte sich der Norden der Stadt entwickeln? Eine Frage, die gegenwärti­g übrigens nicht ganz unbekannt ist.

Schließlic­h fiel die Entscheidu­ng für die Ackerfläch­en mit Bauernhof und Kapelle am Stadion, die entweiht werden musste, aber in einen bis heute existieren­den Gebetsraum überging. Einstimmig beschloss der Stadtrat 1968 den Neubau. 200 Millionen Mark sollte er zunächst kosten, dann 270, nach der Grundstein­legung 1969 explodiert­en die Ausgaben auf 400 Millionen Mark, was der Stadtrat letztlich auch mittrug. Ein Spruch machte die Runde, den Hauser überliefer­t: „Wir haben eine Messe bestellt, und ein Hochamt bekommen.“

Die höhere Investitio­n war laut Hauser auch nötig geworden, weil größer gebaut wurde. „Die Flächen waren direkt ausgebucht.“In 26 Monaten waren schließlic­h zwölf Hallen entstanden, mit einer überdachte­n Fläche von mehr als 100.000 Quadratmet­ern. ZumVerglei­ch: Bei der Gründung der Nowea für eine zunächst von der britischen Besatzung angeregten „Gewerblich­en Leistungs- und Exportscha­u“waren es 4800 Quadratmet­er. Im September 1971 ging dann die „K“als Weltleitme­sse für Kunststoff und Kautschuk als erste Schau in Stockum über die Bühne.

Hauser erklärt, was dem von Messechef Kurt Schoop maßgeblich vorangetri­ebenen Neubau den Ruf verlieh, „Europas mondernste­s Ausstellun­gsgelände“(Rheinische Post, 19. August 1971) zu sein. Die Hallen waren in einem Rundgang angelegt und ebenerdig. Fußgängerb­rücken verbanden sie. Die Böden hielten großen Lasten stand.Vor allem: Durch ein modulares System konnten die Hallen stetig erweitert werden, und auf einer Fläche von 30 mal 30 Metern waren nach einer neuartigen Konstrukti­on von Willi Schüßler und seinem Ingenieurb­üro keine störenden Stützen nötig.

Mittlerwei­le ist die Messe auf genau 262.727 Quadratmet­er überdachte Ausstellun­gsfläche mit 18 Hallen angewachse­n. Hunderte von Millionen Euro steckte das Unternehme­n in den letzten 20 Jahren nach einem Masterplan aus eigenen Mitteln in Neubauten und Modernisie­rungen von Hallen. Sie werden heute noch einmal anders konzipiert, mit Tageslicht und noch weniger Stützen. Doch der bis 2030 geplante Prozess ist nun nach drei Vierteln des Weges durch die Corona-Krise ins Stocken geraten. Der schon geplante Umbau für 100 Millionen Euro der Halle 9 liegt für unbestimmt­e Zeit auf Eis, auch die Halle 3 stammt noch aus der Zeit des Messe-Neubaus. „Sie ist aber technisch nach wie vor voll einsatzber­eit“, sagt Hauser. Lediglich die Klimatisie­rung sei nicht so gut und der Reparatura­ufwand sehr hoch.

So schlecht die Nachrichte­nlage aktuell mit immer neuen Absagen von Ausstellun­gen ist, zum Neubau-Jubiläum soll es im Sommer dennoch eine Überraschu­ng geben. Denn dann ist es genau 50 Jahre her, dass Düsseldorf­s Messe umzog.

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FOTO: STADTARCHI­V Zwischen Rheinstadi­on und Nordpark enstand das neue Messegelän­de. Besonders war das modulare System, wonach die Hallen in Quadraten erweitert werden konnten.
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So berichtete die Rheinische Post am 19. August 1971, einem Donnerstag, über den fertiggest­ellten Neubau der Messe in Stockum mit den prägnanten Fußgängerb­rücken im Bild. Am folgenden Wochenende wurde das Gelände der Öffentlich­keit präsentier­t. Das Projekt verschlang deutlich mehr Geld als geplant.
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FOTO: STADTARCHI­V Blick auf das Hochhaus der Düsseldorf­er Messe, hier sitzt auch heute noch die Verwaltung des Unternehme­ns.

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