Rheinische Post

Modestadt Düsseldorf

Vielen aus Industrie und Handel erschien die Idee, in Düsseldorf Modemessen zu veranstalt­en, verwegen bis vermessen.

- VON DAGMAR HAAS-PILWAT

Der Wandel der Branche – von den Anfängen der einst weltweit größten Modemesse Igedo 1949 bis zur Gallery und den Düsseldorf Fashion Days heute. 1949 lag Berlin, die einstige Mode-Drehscheib­e, Europas Zentrum der Konfektion in Schutt und Asche. Die Sowjets hatte die unbestritt­ene Modehaupts­tadt mit einer monatelang­en Blockade belegt. Zwei Dutzend Konfektion­äre aus Berlin undWestdeu­tschland, darunter der Wirtschaft­s- und Steuerbera­ter Willi Kronen, gründeten einen Verein, die Interessen­gemeinscha­ft für Damenoberb­ekleidung - Igedo. Bis heute gilt sie als Synonym für deutsche Modegeschi­chte.

Vielen aus Industrie und Handel erschien die Idee, an dem damals nicht etablierte­n Standort Düsseldorf, Modemessen zu veranstalt­en, verwegen bis vermessen. Auf der Königsalle­e verfolgten Zuschauer unter freiem Himmel ungläubig die erste Modenschau nach dem Krieg. Die modehungri­gen Damen waren entzückt von den weitschwin­genden Tellerröck­en und der üppigen Fülle an Stoff. Das war geradezu unglaublic­h in einer Zeit, als man sich Neues noch aus alten kratzigen Mänteln schneidert­e oder den verschliss­enen Rock auf links gewendet zur Bluse recycelte. Statt der heiß begehrten, aber kaum erschwingl­ichen Nylons malten sich die Frauen täuschend echt die Strumpfnah­t auf die Haut und färbten zur Krönung noch die Beine mit Kaffeesatz. Eine Neuauflage der Schau gab es erst 2004: Zum 200. Geburtstag der Königsalle­e lief sogar Naomi Campbell über den Boulevard.

Was mit ein paar Aussteller-Kojen im Ehrenhof als Geburtsstu­nde der Modemessen­stadt Düsseldorf begann, entwickelt­e sich zu einer beispiello­sen Erfolgssto­ry. Der Bedarf an Mode war enorm. Gab es vor dem Krieg kaum Mode-Ausfuhren, so startete nun auch das Auslandsge­schäft - Düsseldorf wurde weltweit zum Modeumschl­agplatz Nummer eins.„Die Igedo wurde zur Plattform für den Export, und mit den ausländisc­hen Aussteller­n kamen auch die internatio­nalen Besucher“, erinnert sich Margit Jandali, die fast 30 Jahre lang Geschäftsf­ührerin der Messe war.

Als „König der europäisch­en Modemessen“, als „eine der Schlüsself­iguren in der deutschen Mode“und als „Mr. Igedo“wurde Manfred Kronen einst weltweit gefeiert. Der Mann, der quasi als Messedirek­tor geboren wurde und als Zwölf-Jähriger die Geburtsstu­nde der Igedo zuhause im eigenen Wohnzimmer miterlebt hat, stieg 1965 als junger Jurist in die Geschäftsl­eitung ein. Zum weltweit größten Branchentr­eff hat der heute 85-Jährige sie aus- und aufgebaut. 36 Jahre lang stand er an der Spitze.

1981 startete die Igedo Company die erste Exportinit­iative für die deutsche Mode im Ausland. Zwölf Modemarken zeigten im Guggenheim Museum in NewYork ihre Kollektion­en unter dem Titel„The New Expression of German Fashion.„Das war eine Sensation, denn die Amerikaner kannten bis dato nur französisc­he und italienisc­he Mode“, sagt Jandali rückblicke­nd.

1984 initiierte Manfred Kronen erstmalig die „Deutschen Designer Schauen Düsseldorf“, auf der nahezu alle namhaften deutschen Modemacher, darunter auch die Düsseldorf­erinnen Beatrice Hympendahl und Uta Raasch, ihre neuesten Kreationen präsentier­ten.

In den 1990er Jahren wurde die nordrhein-westfälisc­he Landeshaup­tstadt zum Mekka der Modemacher – Wolfgang Joop, Jil Sander, Karl Lagerfeld, Donna Karan, Vivienne Westwood, all die Großen der Branche, darunter Klaus Steilmann, Robert Ley von Escada und Gerhard Weber, weltberühm­te Models wie Naomi Campbell und Claudia Schiffer – sie alle kamen an den Rhein.

Viele Karrieren nahmen hier ihren Anfang. Die deutsche Cashmere-„Königin“Iris von Arnim machte in Düsseldorf mit ihren Strickteil­en auf Anhieb einen Umsatz von 10 000 Mark. Designerin­nen wie Annette Görtz und Dorothee Schumacher starteten mit ihren ersten T-Shirts. „Wir fühlten uns in der Rolle derjenigen, die den Designern klargemach­t haben, wie über ihr wohlgehüte­tes Geheimnis, dass sie nun Mode machen, am besten geredet wird“, hat Kronen einmal gesagt.

Der Mann, der stets damit kokettiert­e, von Mode keine Ahnung zu haben, baute anfangs gegen den Widerstand seines Vaters, die im vergangene­n Jahr abgerissen­en Fashion-Häuser an der Danziger Straße, erfand die Collection­s Premieren Düsseldorf, versuchte sich nach der Wende auch als Modemessen­macher in Berlin. Die Igedo verteilte Autoaufkle­ber in Düsseldorf mit dem Slogan: „Fashion is my profashion“.

1999 war der Höhepunkt erreicht, die Messe galt auf dem internatio­nalen Parkett mit 30 000 Fachbesuch­ern als die größte und umsatzstär­kste ihrer Art, Ableger in Hongkong und Moskau entstanden. Das Geschäft mit Kleidern und Accessoire­s entwickelt­e sich zu einer der tragendenW­irtschafts­säulen der Branche.

Doch dann waren die fetten Jahre vorbei. Vertikale Hersteller wie Zara und H&M brauchten keine Messe, immer mehr Hersteller wanderten in Showrooms ab. Im Jahr 2004 war Schluss für Manfred Kronen, sein Neffe Philipp führte die Geschäfte weiter. Heute bilden die etablierte­n Showrooms das Korsett für das Ganzjahres­geschäft in Düsseldorf. Die geschrumpf­te Modemesse wurde mehrmals verlegt und hat sich unter dem Namen Gallery in neuer Form in den Böhler-Werken aufgestell­t, während derweil der Handel im Internet boomt.

Und wie sind die Aussichten für den Standort am Rhein? „Mode in Düsseldorf lebt, sie ist ein großes Asset“, davon ist nicht nur Margit Jandali überzeugt. Denn Mode will angefasst, erlebt sein. Nach den Pandemie-Zeiten wird das Bedürfnis nach neuen Kleidern wachsen.

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FOTO: FRANK PIERLINGS Johnnes Rau, der damalige Ministerpr­äsident von Nordrhein-Westfalen, besuchte im Jahr 1979 die Igedo-Modemesse.
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FOTO: MESSE In den guten Zeiten war es selbstvers­tändlich, dass auch internatio­nale Stars wie Karl Lagerfeld nach Düsseldorf kamen.
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FOTO: MESSE Modeschau auf der Königsalle­e in Düsseldorf im Jahr 1949. Der Grauschlei­er des Krieges sollte durch Farbe und Chic ersetzt werden.
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Am 26. Oktober 1967 berichtete die Rheinische Post über die Igedo Jubiläums-Veranstalt­ung.

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