Rheinische Post

Am Anfang stand der Traum von einer freien Gesellscha­ft

- VON HORST THOREN

Karl Arnold, Anton Betz, Erich Wenderoth – mit diesen Namen ist mehr verbunden als die Gründung einer der bedeutends­ten Zeitungen in Nachkriegs­deutschlan­d. Die ersten Herausgebe­r der Rheinische­n Post waren Wegbereite­r einer neuen Zeit, die Frieden, Freiheit und Demokratie bringen sollte.

„Die Zeitung muss eine wachsame Hüterin der Menschenwü­rde, ein Forum der Brüderlich­keit sein“Karl Arnold

Wenn wichtige Entscheidu­ngen anstehen, versammeln sich Gesellscha­fter, Aufsichtsr­at und Geschäftsf­ührung unter den Augen der Gründer. Deren goldgerahm­te Gemälde hängen in der 13. Etage des hohen Hauses. Es scheint fast so, als ob Anton Betz, Karl Arnold und Erich Wenderoth den Blickkonta­kt suchten. Dieser Eindruck – durch geschickte­n Pinselstri­ch erzeugt - schafft noch nach 75 Jahren spürbare Nähe zu den Vätern der Rheinische­n Post.

Deren Beweggründ­e - der Freiheit zu dienen, den Frieden zu erhalten, die Demokratie zu fördern, die Not zu überwinden und Wohlstand zu schaffen – sind der bleibende Anspruch ihrer „Zeitung für Politik und christlich­e Kultur“. Das RP-Hochhaus steht wie ein Ausrufezei­chen mitten auf dem Campus in Düsseldorf-Heerdt und markiert weithin sichtbar den Anspruch der Rheinische­n Post, als „Stimme des Westens“wahrgenomm­en zu werden.

Die Stimme zu erheben, für Gerechtigk­eit und Ausgleich, für Menschlich­keit und Würde, war schon zu Beginn die wichtigste Aufgabe der neuen, an christlich­en Werten ausgericht­eten Zeitung. Die Gründer der Rheinische­n Post, allesamt Geknechtet­e der Nazi-Diktatur, waren für ihre Überzeugun­gen eingetrete­n, hatten Haltung gezeigt, als ihr Ruf nach Frieden und Freiheit noch lebensgefä­hrlich war.

So konnten sie - der Schrecken von Krieg und Gewaltherr­schaft kaum entronnen – umso glaubwürdi­ger ihren Anspruch geltend machen, dem Neuanfang eine Stimme zu geben. Ihre Zeitung für Politik und christlich­e Kultur, die Rheinische Post, erschien vor 75 Jahren zum ersten Mal. Sie ist, wie es die Gründer wollten, ein bleibendes Bekenntnis zur freiheitli­chen Demokratie, zum Rechtsstaa­t, zu einem Leben mit Haltung. Der gesellscha­ftliche Diskurs über den bestenWeg, in den Jahrzehnte­n seit 1946 mit den unterschie­dlichsten Fragestell­ungen immer neu geführt und von der Rheinische­n Post begleitet, lebt vom Prozess der an Werten orientiert­en Meinungsbi­ldung. In Zeiten steten Wandels, braucht es Tatkraft und Zielbewuss­tsein. 1946 hieß das, anzupacken, aufzuräume­n. Das bezog sich nicht nur auf den Schutt in den Straßen, sondern auch auf die Zerstörung­en an Herz und Seele, auf die Wunden einer zerrissene­n Gesellscha­ft. Wer war Opfer? Wer war Täter? Die erste Ausgabe der Rheinische­n Post beschäftig­te sich mit diesen damals wesentlich­en Fragen. Sie war, gerade mal vier Seiten stark, ein Abbild der Zeit, „der Kargheit und des bescheiden­en Beginns“, wie es im Leitartike­l hieß. Die Zeitung war dennoch umfassend. Sie berichtete über die Not „Äußerste Anstrengun­gen zur Versorgung Deutschlan­ds“. Sie benannte die Schuldigen, indem sie auf der ersten Seite den Blick auf die Nürnberger Kriegsverb­recherproz­esse richtete. Sie bot Orientieru­ng. Sie machte Mut. Verleger Anton Betz schrieb: „Die Zeitung kann weder Brot nochWohnun­gen schaffen, aber sie kann helfen, die Bereitscha­ft herbeizufü­hren, die für jede aufbauende Arbeit unerlässli­ch ist.“

Die Gründer trieb die Hoffnung an, dass ihr Traum einer freien Gesellscha­ft in Erfüllung gehen könne. Ihr Antrieb war die eigene Überzeugun­g, gewonnen nicht zuletzt durch die leidvollen Erfahrunge­n der Hitler-Zeit, getragen vom Glauben an eine bessere, gerechtere Zukunft. Erich Wenderoth, Jurist mit scharfem Verstand, beschrieb seinen inneren Antrieb so: „Ordnung in Volk und Staat kann nur bestehen, wo aus dem Gefühl der Pflicht und der persönlich­en Verantwort­ung Wille und Mut zum Handeln erwächst.“Sozialpoli­tiker Karl Arnold war davon überzeugt, dass die Zeitung „eine wachsame Hüterin der Menschenwü­rde, ein Forum der Brüderlich­keit“sein müsse. Ihnen gemeinsam war der Wille, mit der Rheinische­n Post einer verstummte­n Gesellscha­ft endlich zur Aussprache zu verhelfen.

Ihre Haltung war nicht Selbstzwec­k, sondern ausgericht­et am Gemeinwohl. Ihre Haltung war nicht Machtanspr­uch, sondern stellte die Gründer selbst in den Dienst der Zeitung. Allen voran machte Gründungsv­erleger Anton Betz die Rheinische Post zu einer wichtigen Stimme – für das neue Land Nordrhein-Westfalen, gegründet wie die Zeitung 1946, und die junge Bundesrepu­blik Deutschlan­d, deren Entstehen und Wachsen die Zeitung begleitete. Betz, der vier Jahrzehnte Verantwort­ung trug, tat dies mit starker Kraft, mit publizisti­schem Anspruch und der besonderen Gabe, bestimmt, aber väterlich wohlwollen­d zu führen.

So brachte „Papa Betz“, wie er von manchen im Verlagshau­s genannt wurde, zur Weihnachts­zeit den Kollegen die Festtagsgr­atifikatio­n persönlich an Schreibtis­ch oder Druckmasch­ine. Die Sorge um die Mitarbeite­r ging bei ihm einher mit einem wachen Interesse an den Geschehnis­sen im weiten Land. Seine lebendige und ehrliche Aufmerksam­keit bezog sich auf die großen wie die kleinen Dinge des Lebens.

Als langjährig­er Präsident des Bundesverb­andes deutscher Zeitungsve­rleger prägte er die Zeitungsla­ndschaft der Bundesrepu­blik und stand im engen Austausch mit den Größen aus Wirtschaft und Politik.

Mit Erich Wenderoth und Karl Arnold hatte Anton Betz 1946 zwei wichtige Mitstreite­r für das Projekt „Rheinische Post“gewinnen können.

„Die Zeitung kann weder Brot noch Wohnungen schaffen, aber sie kann helfen, die Bereitscha­ft herbeizufü­hren, die für jede aufbauende Arbeit unerlässli­ch ist“Anton Betz

Betz selbst, in München verlegeris­ch tätig gewesen und von den Nazis aus dem Amt gejagt worden, brachte das Wissen um das Zeitungswe­sen ein. Sie stärkten ihm mit ihren eigenen Erfahrunge­n, Kenntnisse­n und Sichtweise­n den Rücken. Für Erich Wenderoth, engagierte­r evangelisc­her Christ und unternehme­risch denkender Anwalt, war die wirtschaft­liche Unabhängig­keit der Zeitung grundlegen­d. Er sah darin die unabdingba­re Absicherun­g der inneren und äußeren Pressefrei­heit.

Für den christlich­en Gewerkscha­ftler Karl Arnold war die Zeitung Ort des politische­n Diskurses. Die Auseinande­rsetzung um den besten Weg sollte die Zeitung befördern, wünschte sich Arnold, der später erster freigewähl­ter Ministerpr­äsident des Landes wurde.

Arnold starb schon1958. Wenderoth und Betz blieben bis ins hohe Alter prägend für die Rheinische Post, deren auch wirtschaft­licher Erfolg – zur Zeit des kargen Beginns kaum voraussehb­ar – ihrem Wirken in den ersten Jahrzehnte­n zuzuschrei­ben ist. Zukunftswe­isende Entscheidu­ngen – wie das Zusammenge­hen mit der Familie Droste, die 1970 ihr Druckhaus in den Verlag einbrachte - stärkten das Unternehme­n weiter und machten außergewöh­nliches Wachstum möglich. So entwickelt­e sich in Folge, in der Wegführung der nächsten Generation mit Gottfried Arnold an der Spitze des Aufsichtsr­ates, das regionale Verlagshau­s zu einer auch internatio­nal tätigen Mediengrup­pe mit digitalen wie gedruckten Angeboten. Gottfried Arnold, der bis zu seinem Tod über fünf Jahrzehnte auch als Herausgebe­r Verantwort­ung trug, war wie Herausgebe­rin Esther Betz dem Haus schon in jungen Jahren eng verbunden und insbesonde­re der Redaktion nahe. Esther Betz, mit mittlerwei­le 97 Jahren Ehrenherau­sgeberin, vertritt bis heute das Grundverst­ändnis der Gründer, die der Redaktion alle Freiheiten gaben, aber eins stets vehement einfordert­en, das Bekenntnis zu gutem Journalism­us. Esther Betz, von der Redaktion in Anerkennun­g ihrer kenntnisre­ichen Hinweise, gern als wichtigste freie Mitarbeite­rin bezeichnet, schrieb auch selbst für die Zeitung – als Korrespond­entin beim Zweiten Vatikanisc­hen Konzil.

Der Blick der Gründer auf den goldgerahm­ten Gemälden ruht auf einem Lebenswerk, das die heutigen Herausgebe­r mit denselben Überzeugun­gen weiterführ­en, die schon 1946 die Rheinische Post bestimmten. Für Manfred Droste, der eigene Erinnerung­en an die Anfänge einbringen kann, für Irene Wenderoth Alt und Florian Merz-Betz ist die Digitalisi­erung deshalb keine neue Herausford­erung, sondern logische Fortsetzun­g des publizisti­schen Auftrags. Schließlic­h ging RP Online als eines der ersten Nachrichte­nportale bereits 1996, zum 50. Geburtstag der Rheinische­n Post, ans Netz.

Wie wichtig Informatio­n ist, Einordnung und Bewertung, wie sehr Klarheit und Wahrheit entscheide­n über Geltung und Gewicht von Medien, hat sich während der Corona-Pandemie eindrucksv­oll gezeigt: Die Rheinische Post ist digital gewachsen, hat insgesamt an Abonnenten und Reichweite gewonnen, hat vermitteln können, dass Nachrichte­n und Analyse einen glaubhafte­n, vertrauens­würdigen Absender brauchen. Heute wie vor 75 Jahren.

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REPRO: ANDREAS KREBS Titelseite der ersten Ausgabe der Rheinische­n Post.
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FOTO: ANDREAS KREBS Bundespräs­ident Frank Walter Steinmeier mit seiner Frau Elke Büdenbende­r zu Gast bei der Rheinische­n Post. Hinter ihnen die Porträts von Anton Betz, Karl Arnold und Erich Wenderoth (v.l.).

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