„Die Stadt muss sich neu erfinden“
Leere Läden, geschlossene Restaurants: Manche Marktbeobachter rechnen mit Folgewirkungen der Corona-Pandemie, die die Innenstädte verändern. Ob und in welchem Maße das passiert, darüber gehen die Meinungen der Branchenkenner auseinander.
(jgr/hens/jma) Die Pandemie verstärkte einen Trend, der davor schon spürbar war: Der Online-Handel nimmt zu. Ersetzt er den stationären Handel? „Ich vermute, dass sich die Bevölkerung derzeit ambivalent verhält“, beobachtet Alexander Schmitz (Interboden). „Jeder möchte gerne in einer belebten Innenstadt flanieren, bestellt sich Waren aber über das Internet. Damit nimmt man in Kauf, dass die Innenstädte veröden. Wir müssen dringend etwas tun, um den stationären Handel zu stärken.“Der Handel werde aber nicht aus den Städten verschwinden, ist Schmitz überzeugt. „Es gehen ja jetzt sogar Online-Händler dazu über, Showrooms in den Städten anzusiedeln.“Allerdings könne es dazu führen, dass die Mieten für gewerbliche Flächen nach unten gehen.
Der Einzelhandel habe die aktuelle Entwicklung „teilweise auch verschlafen und mitunter zu wenig für das gewünschte Einkaufserlebnis getan“, meint Matthias Spormann (Spormann Real Estate). „Es muss wieder attraktiver werden, im Einzelhandel einzukaufen.“Konkrete Vorschläge dazu unterbreitet Werner Fliescher (Haus und Grund):„Wenn wir uns als Metropole verstehen, dann müssen wir aber auch für Auswärtige da sein. Und dazu gehört auch, dass wir mit dem Auto, möglichst emmissionsfrei, in die Stadt fahren können.“Fliescher fordert einen Innenstadt-Manager, der eventuell über die Städtebauförderung bezahlt werde. „Für mich ist eines wichtig: Wir müssen schnell handeln. Jeder Tag, den wir verlieren, macht die Situation schwieriger. Dafür brauchen wir gute Gesetze.“
Klaus Franken (Catella) sieht die Innenstädte gerade in einem gigantischen Wandel. Areale, auf denen Höchstpreise gezahlt wurden, erfahren eine Korrektur. Investoren müssten ihre Buchwerte nach unten korrigieren. Die hohen Mieten zum Beispiel an der Kö seien für die Mieter nicht mehr tragbar. „Die Stadt muss sich neu erfinden“, fasst Franken seine Analyse zusammen. Die Innenstadt müsse so attraktiv werden, dass die Menschen gerne dorthin kommen. Die Kö müsse zur Anlaufadresse aus vielen unterschiedlichen Gründen werden, nicht nur als Einkaufsmeile. „Der Einzelhandel ist nicht mehr der wichtigste Impulsgeber“, stellt Franken fest. Die Zentren müssen Einkauf, Gastronomie, Arbeit, Wohnen und Kultur miteinander verbinden. „Für uns eine Gelegenheit, hier zu investieren, gerade weil es nicht mehr nur um Handel geht.“
„Der gesunde Mix macht es aus“, sagt Bernd Meier (Hüttig & Rompf ). „Es sollte keine leeren Innenstädte am Wochenende geben.“Die Innenstadt müsse belebt sein. Man werde sicher auch mehr in die Höhe bauen.„Hier ist ebenso wie bei der Stadtgestaltung wichtig, dass eine Mischung aus Büro, Wohnen in verschiedenen Kategorien und Gastronomie geboten wird.“Auch Wohnhäuser seien in der Stadt sinnvoll.
Tobias Kotzorek (Ralf Schmitz GmbH) ist überzeugt: „Die Innenstadt wird grundsätzlich attraktiver werden, es wird langfristig weniger Verkehr und damit weniger Emissionen geben. Und es wird eine hohe Flexibilität auf dem Büromarkt gefragt sein. Die Frage ist wirklich, wie sich die Pandemie langfristig auf die Gastronomie und den Einzelhandel auswirken wird.“
„Wenn wir uns als Metropole verstehen, dann müssen wir auch für Auswärtige da sein“
Werner Fliescher
Haus und Grund