Die Kinobranche ist schwer mitgenommen
Die Chefs der Lichtspielhäuser vermissen einen positiven Ausblick. Bei einigen sind noch keine Hilfsgelder angekommen.
DÜSSELDORF Die Kultur ist in der Krise, arg gebeutelt von den Dauer-Beschränkungen sind auch die Kinos. Von 18. März 2020 an hatten die Kinos geschlossen, vom 4. Juni bis 1. November durften sie wieder offen sein. KlareWorte spricht Sebastian Riech, der aus einer namhaften Kinobetreiber-Familie stammt und unter anderem Chef des Ufa-Palastes am Hauptbahnhof ist.„Seit sechs Monaten haben wir nun wieder zu. Wir haben noch gar nichts bekommen – weder die November- und Dezemberhilfen noch die Überbrückungshilfe“, sagt er. „Alles sei in Bearbeitung, heißt es. Das ist ein sehr schlechter Scherz.“Zum Glück hat er sich mit den Hauseigentümern in Düsseldorf einigen können. „Seit Januar zahlen wir keine Miete, und die beträgt im Monat 100.000 Euro. Am Ende wird es auch nicht mehr die gleiche Miete sein können.“
Riech ist klar: „Wenn die Hilfen nicht kommen, dann machen wir gar nicht mehr auf. Dann bekommen wir das nicht gestemmt. Wir sind noch zuversichtlich, dass die Unterstützung uns erreicht, aber die Frage ist: wann?“Er rechnet mit Einbußen in Millionenhöhe. Vor Corona hatte er 60 Mitarbeiter, jetzt sind es noch 28 – allerdings wurde keiner gekündigt, alle seien gegangen, weil sie als Aushilfen keine Perspektive mehr hatten. Die, die konnten, sind in Kurzarbeit. „Ich habe zwei Mitarbeiter, die nicht in Kurzarbeit gehen können, die im Haus tätig sind und aufräumen und putzen.“Riech selbst war in den vergangenen Monaten ein Mal die Woche im Kino für eine halbe Stunde, „dann schreibe ich zwei Mails und fahre nach Hause“.
Nicht viel besser ergeht es dem UCI im Medienhafen. Theaterleiter Stephan Kalkbrenner will aber optimistisch bleiben. „Wir wollen und werden bleiben. Die Öffnung in Spanien macht positive Stimmung. Die Kollegen scharren mit den Hufen, wir haben Lust und die Gäste auch.“Von der Politik hätte er sich mehr Planbarkeit und Geradlinigkeit gewünscht. „Wir sind froh, dass Kinos in den Stufenplänen vorgerückt sind und eine Öffnungsperspektive greifbarer wird.“Zahlen gibt das UCI nicht preis. Dem allgemeinen
Vernehmen nach gehen die Verluste in Düsseldorf aber in die Hunderttausende, gute Vereinbarungen mit Lieferanten und Zulieferern konnten Schlimmeres verhindern. Alle Mitarbeiter sind zu 100 Prozent in Kurzarbeit, „wir hatten und haben 50 Mitarbeiter, Vollzeit und Teilzeit“, sagt Kalkbrenner. Die Kinosäle ließ er grundreinigen und Kleinigkeiten reparieren. Zur Eröffnung soll es auch neue Services geben.
Dafür ist das UCI wie die anderen Kinos in Düsseldorf auch gerüstet: Top-Lüftungen sind eingebaut, die Reinigungsintervalle eingestellt und die Desinfektionsanlagen stehen.„Wir freuen uns über jeden Film, der verschoben wird, denn dann kommt er ins Kino und nicht in den Streamingdienst“, sagt Kalkbrenner. Das UCI ist zudem im Gespräch, Corona-Schnelltestzentrum zu werden, „aber noch ist nichts entschieden“.
Das dritte große Multiplex-Kino Düsseldorfs befindet sich in Oberkassel. Helmut Rehbein leitet den Filmpalast Cinestar mit insgesamt 16 Mitarbeitern. Er rechnet vor:„Wir hatten im Schaltjahr 2020 statt 366 Tage nur 213 geöffnet; 153 Tage hatten wir wegen der Pandemie also geschlossen. 2021 hatten wir bisher keinen Tag geöffnet.“Wie in allen Häusern der Cinestar-Gruppe ist der Betrieb weiterhin komplett heruntergefahren – bis auf die regelmäßigen Wartungs- und Kontrolltätigkeiten. „Unsere Mitarbeiter vor Ort sind nahezu vollständig in Kurzarbeit. Das Thema Förderhilfen ist sehr unbefriedigend. Abgesehen davon, dass Cinestar als Unternehmen mit 2500 Mitarbeitern vom Bund bisher überhaupt nur Abschlagszahlungen erhalten hat, ist immer noch nicht geklärt, wie viel Hilfe aus welchem Fördertopf am Ende tatsächlich beantragt werden kann und wann diese Hilfen überhaupt fließen.“
Die Branche habe 2020 einen Verlust von ca. einer Milliarde Euro gemacht. „Wie es dieses Jahr aussieht, wird sich zeigen, wenn klar ist, ab wann es weitergeht“, sagt Rehbein. Die Kinos hätten bereits nach dem ersten Lockdown bewiesen, dass sie aufgrund ihrer Hygiene- und Sicherheitsstandards, hochleistungsfähigen Lüftungssystemen sowie den guten Möglichkeiten der Kontaktverfolgung aufgrund des Online-Ticketings in der Pandemie vergleichsweise sichere Orte seien.
Eine Öffnung von heute auf morgen sei aber nicht möglich. „Nur wenn tatsächlich mindestens 80 Prozent der Kinos geöffnet sind, wird es auch möglich sein, ein breites Angebot an neuen Filmen zu präsentieren.Vorher werden die meisten neuen Filme nicht auf den Markt gehen.“
Hinzu komme, dass die Kinos für die Wiederaufnahme des Betriebs mit den dazugehörigen Vorbereitungen bis zu vier Wochen benötigten. Weitere Vorbedingung für die Wiedereröffnung sei der Wegfall der Maskenpflicht am Platz. Der Verzehr von Speisen und Getränken sei für einen wirtschaftlichen Kinobetrieb unerlässlich. „Hier gibt es also noch
Klärungsbedarf.“
Einen normalen Betrieb wie vor der Corona-Pandemie werde es nicht vor dem Herbst geben, sagt Nico Elze, Geschäftsführer der Filmkunstkinos Metropol, Cinema, Bambi, Souterrain und Atelier. Bei Wiedereröffnung hofft er auf so wenig Einschränkungen wie möglich. Denn in den Monaten Juni bis Oktober, als die Kinos offen waren, die Besucher aber den Mindestabstand von anderthalb Metern einhalten mussten, habe er nicht kostendeckend arbeiten können, zu aufwendig sei die Sitzverteilung für jeden Gast, für jede Familie, für jede Gruppe gewesen.
Finanziell stehen die Filmkunstkinos halbwegs stabil da, sagt Elze, weil im Februar nötige Überbrückungshilfen einliefen. Dennoch gebe es viele offene Fragen, zum Beispiel, ob weiteres Geld komme, ob und wie es versteuert werden müsse, für was es eingesetzt werden dürfe.„Dieses Durcheinander ist nur noch nervig“, sagt Elze. Den Lockdown habe das Team für Renovierungsarbeiten, neue Bestuhlung, neue Beleuchtung und den Einbau von Luftfiltern genutzt – und für die Planung des Open-Air-Kinos Vier Linden.
Auch die Black Box würde gerne so schnell wie möglich wieder starten. „Wir hatten im September und Oktober mit 40 statt mit 130 Plätzen gespielt und waren oft ausverkauft“, sagt Matthias Knop, stellvertretender Direktor des Filmmuseums, in dem sich das Kino befindet. Schon im Sommer habe es bei vielen einen großen Wunsch nach Filmkultur gegeben. Trotz des Lockdowns gebe es jeden Monat ein Filmprogramm, das zwar nicht veröffentlicht wird, aber für eine kurzfristigeWiedereröffnung fertig wäre. Weil die Black Box meist Klassiker der Filmgeschichte spielt, sei das Programm nicht abhängig von den Filmverleihern, die zurzeit ihre aktuellen Filme zurückhielten. Finanzielle Hilfe für das kleine Kino gab es unter anderem von der Filmförderungsanstalt – es wird für eine neue Bestuhlung genutzt.
„Wenn die beantragten Hilfen nicht kommen, machen wir gar nicht mehr auf“Sebastian Riech Ufa-Palast am Hauptbahnhof
„Im Schaltjahr 2020 hatten wir statt 366 Tage 213 geöffnet. 2021 noch keinen einzigen“Helmut Rehbein Filmpalast Cinestar