Diversity in die Geschäftsstrategie integrieren
Kanzleien sind gefragt, Diversity auf sämtlichen Ebenen durchzusetzen und darin ein Qualitätsmerkmal in der Beratung zu sehen. Damit könnten immer bessere kreative und individuelle Lösungen im Sinne der Mandanten entwickelt werden, betont Ernst & Young-Partner Prof. Dr. Sven-Joachim Otto.
Prof. Dr. Sven-Joachim Otto vertritt eine ganz deutliche Meinung: „Diversity geht weit über Geschlechtergerechtigkeit und die Regelungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes hinaus. Diversity umfasst Geschlecht, sexuelle Orientierung und den kulturellen Hintergrund, aber genauso gut auch unterschiedliche Qualifikationen. Das führt wiederum zu wesentlich besseren Ergebnissen in der Beratung. Denn heutzutage sind wir gefragt, in der Beratung gemeinsam mit Mandanten kreative und individuelle Lösungen zu entwickeln. Das geht nur durch interdisziplinäres Denken, um immer komplexere Sachverhalte zu lösen“, betont der Rechtsanwalt und Partner der Rechtsanwaltsgesellschaft EY Law.
Daher gelte es, Diversity auf sämtlichen Ebenen durchzusetzen und auch im Partnerkreis einer Kanzlei dafür Sensibilität zu schaffen. So werde bisweilen schon in Ausschreibungen ein diverses Team durch die Mandanten gefordert. Und mittlerweile sei die geschlechtergerechte Teilhabe an Führungspositionen auch gesetzlich vorgeschrieben, sagt der Rechtsanwalt: „Das Ziel des Zweiten Führungspositionen-Gesetzes ist, den Anteil von Frauen in Führungspositionen zu erhöhen und verbindliche Vorgaben für die Wirtschaft und den öffentlichen Dienst zu machen. Eine zentrale Neuerung ist ein Mindestfrauenanteil für Vorstände mit mehr als drei Mitgliedern in großen deutschen Unternehmen. Wir können also Teams heute nicht mehr rein männlich besetzen wie in der Vergangenheit, sondern müssen Vorständen oder Aufsichtsräten, die natürlich auch mit Frauen besetzt sind, genauso begegnen.“
Der Vorteil für Kanzleien wie EY sei laut Sven-Joachim Otto, dass kontinuierlich junge Menschen als Berater einstiegen und damit der Kulturwandel beinahe automatisch umgesetzt werde. Junge Mitarbeiter müsse man ohnehin nicht von der Bedeutung von Diversity überzeugen. Im Übrigen habe EY mit den „People Advisory Services“eine Abteilung geschaffen, die sich speziell mit zukunftsorientierten Personalfragen auseinandersetzt. Die Berater unterstützen Unternehmen dabei, Themen wie Diversity in eine umfassende Geschäftsstrategie zu integrieren.
Apropos Geschäftsstrategie: Diese wird natürlich auch vom neuen Verbandssanktionengesetz berührt. Laut Sven-Joachim Otto, der vorrangig im Bereich Öffentliches Recht und öffentliches Wirtschaftsrecht berät, sollten sich Unternehmen durch bestimmte Maßnahmen auf die Einführung dieses Gesetzes und die daraus hervorgehenden Anforderungen einstellen, um Sanktionen im Sinne des Unternehmensstrafrechts zu umgehen. Er weist vor allem auf die Bedeutung von Compliance Management Systemen hin, um Unternehmensstrafen zu vermeiden und Vermögenswerte zu sichern, und zieht den Vergleich zur sogenannten Tax Compliance heran. „Ein Tax Compliance Management-System kann Unternehmer und Geschäftsleiter vor dem Vorwurf eines bewussten oder leichtfertigen steuerlichen Fehlverhaltens schützen und damit auch dafür sorgen, dass es nicht zu einem persönlichen Haftungsrisiko und Aufsichtspflichtverletzungen im Sinne des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten kommt.“
Daraus ergebe sich laut Sven-Joachim Otto die Wirksamkeit von Compliance Management Systemen, um sowohl das Unternehmen an sich, also auch die Organe, vor Sanktionen zu schützen. Entscheidend sei, ein solches Compliance Management System passgenau für ein Unternehmen zu konzeptionieren, einzurichten und kontinuierlich zu aktualisieren. Zwar könnten Verbrechen nie verhindert werden – aber ein Compliance Management System schaffe die Voraussetzung dafür, dass Pflichtverstöße aus dem Unternehmen heraus nicht als Vorsatz gewertet würden und damit strafrechtliche Relevanz erhielten. Dazu komme ein weiterer Aspekt: „Kaum messbar sind immaterielle Schäden durch fehlende Compliance: beschädigte Reputation, ein beschädigtes Vertrauensverhältnis zu Partnern, Investoren und Mitarbeitern oder eine zerrüttete Unternehmenskultur.“
Compliance-konformes Verhalten soll auch mit der neuen Whistleblower-Richtlinie aus dem Europarecht gefördert werden. Danach sollen Hinweisgeber auf Straftaten in einem Unternehmen EU-weit einheitlich besser geschützt werden. EY hat dafür ein Whistleblower-Tool entwickelt, über das Mitarbeiter in anonymer Form Hinweise zur Vermeidung beziehungsweise Aufdeckung von Straftaten geben können, ohne Sorge vor arbeitsrechtlichen Folgen oder anderen Konsequenzen haben zu müssen. Dieses Tool können Unternehmen nutzen, um Strukturen zur Meldung von Verhaltensweisen, die möglicherweise unmoralisch und illegal sind, zu schaffen. Die Hinweise werden an eine externe Stelle gegeben, die dann wiederum auf das betroffene Unternehmen zugeht, um die Verdachtsfälle nachzuvollziehen.
Und mittels interner Ermittlungen (Internal Investigations) könne laut Sven-Joachim Otto kriminelles Verhalten aufgedeckt werden. Auch das hilft dabei, sich den neuen Pflichten des Verbandssanktionengesetzes zu unterwerfen. „Die Anlässe für eine Ermittlung können vielfältig sein: Ungereimtheiten in der eigenen Bilanz, Hinweise von Whistleblowern, staatsanwaltschaftliche Ermittlungen oder gar bereits öffentlich gewordene Betrugsoder Korruptionsfälle. Schnelles, rechtssicheres und präzises Handeln ist in diesen Fällen essenziell. Wir greifen ein, bevor Vorgänge verschleiert werden können, und schaffen dadurch Transparenz.“
»Diversity geht weit über Geschlechtergerechtigkeit und die Regelungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes hinaus