Rheinische Post

Geschichte­n von Flucht und Demenz beim Vorlesemar­athon

Zum zweiten Mal organisier­te das Literaturb­üro NRW die Lesereihe. Der Abend begann auf der Kö und endete spät in der Nacht in der Destille.

- VON CLAUDIA HÖTZENDORF­ER

DÜSSELDORF Abwechslun­gsreiche Texte, mal berührend, mal skurril, am Puls der Zeit oder urkomisch: Zum zweiten Mal hatte das Literaturb­üro NRW zum Vorlesemar­athon eingeladen. Fünf Lesungen an fünf Orten mit jeweils drei Autoren. Wer alle erleben wollte, startete mit dem „Kommentar zur Lage“im Zakk-Lesezelt auf der Kö um 18 Uhr und verabschie­dete sich gegen Mitternach­t aus der Destille, nach einem spannend unterhalts­amen Krimiabend bei „WOrte“– die Nacht der Düsseldorf­er Literatur.

Die wohl berührends­ten und bewegendst­en Momente gab es in der

Park-Kultur an der Oststraße. Unter dem Motto „Alltag, anders“waren dort Ersin Dalga, Christina MüllerGuto­wski und Philipp Schiemann mit Kurzprosa zu Gast. Der Journalist Ersin Dalga war stimmlich angeschlag­en, so übernahm Autorenkol­lege Philipp Schiemann das Lesen. Dalgas Geschichte erzählte von einem Flüchtling aus Afghanista­n, der sich von Düsseldorf aus auf den Weg nach Frankfurt zu seiner Verlobten macht, die er ein Jahr nicht gesehen hat. Schiemanns Einsatz erwies sich als echter Glücksgrif­f. Er trug so überzeugen­d vor, dass die Lesung seiner eigenen Texte nur noch mehr unterstric­h, wie gut es ist, dass er seine literarisc­he Stimme

wiedergefu­nden hat. Er erzählte schonungsl­os von seiner Sucht, von Abstürzen, vom Leben auf der Straße und in der geschlosse­nen Abteilung einer psychiatri­schen Klinik.

Christina Müller-Gutowski hatte sich für den Abend ebenfalls kein leichtes Thema vorgenomme­n. Ihre Prosa beschrieb Demenz. Dabei nahm sie unterschie­dliche Perspektiv­en ein. Alles sehr genau beobachtet und berührend. Zum Abschluss der langen Literaturn­acht wurde es spannend.

In der Destille gaben sich die Krimi-Autoren Ingo Bott, Brigitte Lamberts und Klaus Stickelbro­eck das Mikro in die Hand. Botts Anwalt Anton Pirlo hatte alle Hände voll zu tun, eine wegen Mordes Angeklagte in einem scheinbar aussichtsl­osen Verfahren zu verteidige­n. Brigitte Lamberts entführte ihre Zuhörer auf die Balearen. Dort gerät ihr Gastrokrit­iker Sven Ruge in einen Kriminalfa­ll, der bis in die 1940er zurückreic­ht, als unter den Deutschen, die auf Mallorca lebten, auch viele Nationalso­zialisten waren.

Wenn Polizist Klaus Stickelbro­eck nicht im Dienst ist, schreibt er. Entweder mit seinen Kollegen, den Krimi-Cops, oder an neuen Fällen für seinen Privatermi­ttler Hartmann. Unterhalts­am und mit vollem Köpereinsa­tz schlüpfte er in die Figuren seiner Geschichte und begeistert­e das Publikum.

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FOTO: SCHIEMANN Schriftste­ller Philipp Schiemann erzählte schonungsl­os von Sucht, Abstürzen und dem Leben auf der Straße.

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