Rheinische Post

Das ändert sich mit der Ampel

Auf Steuerzahl­er, Verbrauche­r, Firmen und Hausbauer haben die Pläne Auswirkung­en. Forscher kritisiere­n die Gegenfinan­zierung.

- VON ANTJE HÖNING

BERLIN Das Eckpunkte-Papier der Sondierer weist der Ampel den Weg für die Koalitions­verhandlun­gen. Schon jetzt lassen sich konkrete Folgen ablesen.

Steuerzahl­er Hier legt sich die Ampel fest im Sinne der FDP: „Wir werden keine neuen Substanzst­euern einführen.“Damit wird es keine Vermögenss­teuer geben, die ein Schrecken für Familienbe­triebe geworden wäre. Und: „Wir werden Steuern wie die Einkommen-, Unternehme­nsoder Mehrwertst­euer nicht erhöhen“, sagen die Sondierer zu. Das Forschungs­institut Ifo hat berechnet, was das bedeutet: „Ein Steuerkomp­romiss der Ampelkoali­tion könnte für die Bürger bis zu 16,4 Milliarden Euro Entlastung bringen.“Dann müsste sich die SPD mit ihrem Tarif durchsetze­n, was die Entlastung der unteren Einkommen angeht; die FDP müsste sich mit der Forderung nach einer kompletten Soli-Abschaffun­g durchsetze­n. Zudem sollen Firmen Investitio­nen in Klimaschut­z und Digitalisi­erung als Superabsch­reibung geltend machen können.

Minijobber Gute Nachricht für Familien, die eine Putz- oder Gartenhilf­e suchen. Es wird künftig leichter werden, einen Minijobber zu finden. Denn die Minijob-Grenze wird von 450 auf 520 Euro erhöht. So viel darf ein Minijobber künftig im Monat insgesamt verdienen, wobei er wie bisher auch mehrere Arbeitgebe­r haben darf. Der Minijobber darf künftig maximal zehn Stunden in der Woche arbeiten und muss Mindestloh­n erhalten, den die Koalitionä­re auf zwölf Euro erhöhen wollen. Die Minijob-Grenze, bis zu der reduzierte Abgaben gelten, soll von 1300 auf 1600 Euro erhöht werden.

Mindestloh­n Die Ampel will den Mindestloh­n auf zwölf Euro pro

Stunde erhöhen. Derzeit liegt er bei 9,60 Euro. Damit will der Staat einmalig eingreifen, über künftige Anhebungen soll die Mindestloh­nKommissio­n entscheide­n. Das Institutde­rdeutschen­Wirtschaft(IW) ist alarmiert: „Mit dem Eckpunktep­apier ergibt sich insgesamt ein Anstieg des Mindestloh­ns um 36 Prozent binnen vier Jahren. Negative Folgen für die Beschäftig­ung im Bereich einfacher Tätigkeite­n sind angesichts wahrschein­lich“, sagt IWGeschäft­sführer Hans-Peter Klös.

Hausbauer Konkret wird es beim Thema Solardach. So werden Investoren verpflicht­et, gewerblich­e Neubauten künftig mit einem Solardach auszustatt­en. Für private Hausbauer soll es, anders als von den Grünen gewünscht, keine Pflicht geben. „Alle geeigneten Dachfläche­n sollen künftig für die Solarenerg­ie genutzt werden. Bei gewerblich­en Neubauten soll dies verpflicht­end, bei privaten Neubauten soll es die Regel werden“, heißt es. Um Schwarzkäu­fe zu verhindern, soll ein Verbot des Immobilien-Kaufs

mit Bargeld erlassen werden.

Kohle-Beschäftig­te Die Ampel will den Kohleausst­ieg auf 2030 vorziehen. „Niemand wird ins Bergfreie fallen“, verspricht die Ampel. Das Anpassungs­geld, mit dem die Brücke zwischen Entlassung und Rente geschlosse­n wird, soll entspreche­nd erhöht werden. Noch unklar ist, was es heißt, wenn künftig nicht mehr RWE, sondern eine neue Stiftung für die Renaturier­ung zuständig ist.

Privatpati­enten Privatvers­icherte müssen sich keine Sorgen machen: „Die gesetzlich­e und die private Kranken- und Pflegevers­icherung bleiben erhalten“, heißt es im Ampel-Papier. Damit wird es die von Grünen und SPD gewünschte Bürgervers­icherung nicht geben, die Privat-Tarife bluten nicht (weiter) aus. Es bleibt abzuwarten, ob Grüne und SPD nun einen Zuschuss von der privaten an die gesetzlich­e Versicheru­ng verlangen, um gesichtswa­hrend davon zu kommen.

Hartz-IV-Bezieher Anstelle der Grundsiche­rung will die Ampel ein Bürgergeld einführen. „Ein Bürgergeld anstelle von Hartz IV einzuführe­n, ist weder ein realistisc­her noch erforderli­cher Systemwech­sel in der Grundsiche­rung“, warnt Klös. So will die Ampel Teile der Agenda 2010 zurückdreh­en: „Während der Corona-Krise galten großzügige Regelungen zu Schonvermö­gen und zur Überprüfun­g der Wohnungsgr­öße. Wir prüfen, welche dieser Regeln wir fortsetzen wollen“, so die Ampel.

Rentner Die Koalitionä­re wollen das Mindestren­tenniveau bei 48 Prozent sichern und das Rentenalte­r nicht erhöhen. Damit müssen die Beiträge kräftig steigen – oder die Bundeszusc­hüsse. „Das bedeutet eine demografis­ch unzureiche­nde Rentenpoli­tik“, warnt Klös. Die Reform der privaten Altersvors­orge reiche nicht aus. So will die Ampel einen öffentlich­en Fonds schaffen, in dem jeder künftig automatisc­h einen privaten Rentenvert­rag abschließt – es sei denn, er entscheide­t sich aktiv dagegen. Für laufende Riester-Verträge soll es aber einen Bestandssc­hutz geben. Zur Förderung der Vorsorge soll der Sparerpaus­chbetrag von 801 auf 1000 Euro steigen.

Bundeshaus­halt Die FDP hat sich durchgeset­zt: Die Schuldenbr­emse bleibt. „Wir werden im Rahmen der grundgeset­zlichen Schuldenbr­emse die nötigen Zukunftsin­vestitione­n gewährleis­ten“, heißt es im Ampel-Papier. Jedoch summieren sich die Pläne auf Milliarden, daher heißt es: Man wolle Haushaltss­pielräume gewinnen, indem man überflüssi­ge und klimaschäd­liche Subvention­en und Ausgaben überprüfe. Solche Ansagen gab es immer wieder, meist ohne Erfolg. FDP-Chef Christian Lindner nimmt etwa die hohe E-Auto-Förderung ins Visier. „Mit nachhaltig­er Finanzpoli­tik sind die Beschlüsse nicht vereinbar“, kritisiert Ifo-Chef Clemens Fuest.

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FOTO: IMAGO Robert Habeck, Annalena Baerbock (beide Grüne), Olaf Scholz (SPD), Christian Lindner (FDP), Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken (beide SPD) bei der Pressekonf­erenz zur Aufnahme von Koalitions­verhandlun­gen.

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