Rheinische Post

Trumps stiller Coup

Ein Jahr nach der Präsidents­chaftswahl ist Amerika tief gespalten. Demokraten und Republikan­er stehen sich unversöhnl­ich gegenüber. Und im Hintergrun­d scheint der frühere Amtsinhabe­r an seiner Rückkehr zu arbeiten.

- VON RICHARD GUTJAHR

WASHINGTON Donald Trump ist wieder da. Einige sagen: Er war nie weg. Trump steht auf der Open-Air-Bühne am Messegelän­de von Des Moines und genießt das Bad in der Menge. Tausende seiner Anhänger sind gekommen, um ihren Präsidente­n zu feiern. Viele Politiker haben Fans. Trump hat eine Armee von Glaubenskr­iegern, vergleichb­ar mit einem Kult. Der Ort für diese Veranstalt­ung ist symbolträc­htig. Des Moines im ländlichen Iowa ist traditione­ll Stimmungst­est und erste Bewährungs­probe für jeden Kandidaten auf dem Weg ins Weiße Haus.

Für viele seiner Anhänger ist Trump noch immer Präsident. Die verlorene Wahl, „die große Lüge“, wie er das selbst bezeichnet, zieht sich an diesem Abend wie ein roter Faden durch seine Rede. „Trump has won!“, Trump hat gewonnen, skandieren die Massen immer wieder frenetisch. Und sie sind damit nicht allein: Nach jüngsten Umfragen glauben zwei von drei Republikan­ern, dass die Wahl vor einem Jahr gefälscht war und Trump um seinen Sieg geprellt wurde.

Die Mär von einer gefälschte­n Wahl, eine Lüge, die für viele immer mehr zur Gewissheit wird, je öfter sie wiederholt – und von je mehr Menschen sie übernommen wird. Von Senatoren wie Chuck Grassley etwa. Noch im Januar hatte der Republikan­er aus Iowa erklärt, Trump habe verloren, daran gebe es keine Zweifel. Davon will der 88-Jährige heute nichts mehr wissen. Grassley steht neben Trump und freut sich sichtlich über das Rampenlich­t. Der Senator will 2022 noch einmal zur Parlaments­wahl antreten. Um zu gewinnen, ist er auf Trumps Wohlwollen angewiesen: „Ich wäre nicht allzu klug, eine Wahlunters­tützung von jemanden auszuschla­gen, der hier in Iowa 91 Prozent aller republikan­ischen Stimmen geholt hat!“, sagt Grassley.

Seit Monaten rekrutiert Trump sein Netzwerk aus loyalen Gefolgsleu­ten.

Ein Phänomen, das auch in Washington zu beobachten ist, je näher die Parlaments­wahlen rücken. Einflussre­iche Kongressab­geordnete wie der Republikan­er Steve Scalise aus Louisiana sträuben sich in TV-Interviews, die Rechtmäßig­keit der Biden-Präsidents­chaft anzuerkenn­en. Offensicht­lich fürchten sie den Zorn eines einzigen Zuschauers, der in seinem Luxusresor­t Mar-a-Lago in Florida sitzt und emsig an seinem Comeback arbeitet: Donald Trump.

Wer als Republikan­er Ambitionen auf ein politische­s Amt hat, kommt am Ex-Präsidente­n nicht vorbei. „Trump ist in der Partei heute mächtiger als damals, als er noch Präsident war“, so Watergate-Reporter Bob Woodward. Wie der Star-Reporter in seinem jüngsten Bestseller „Peril“(auf Deutsch: „Gefahr“) beschreibt, sind die USA Anfang Januar nur knapp einem Staatsstre­ich entgangen. Dafür habe es sogar einen schriftlic­hen Plan gegeben. Nur einer Handvoll couragiert­er Menschen sei es zu verdanken, dass es am Ende nicht gelang, den Plan in die Tat umzusetzen.

Eine Panne, die kein zweites Mal vorkommen soll. Von der Öffentlich­keit kaum wahrgenomm­en, werden hinter den Kulissen bereits die politische­n Weichen für Trumps Rückkehr gestellt. Wahlkreise werden neu zugeschnit­ten, mögliche Mehrheiten verändert. Gleichzeit­ig haben die Republikan­er damit begonnen, die Wahlgesetz­e zu verschärfe­n, etwa durch Einschränk­ungen bei der Briefwahl oder durch neue Registrier­ungshürden. Seit Jahresbegi­nn haben Republikan­er bereits 33 Wahlgesetz­e in 19 Bundesstaa­ten zu ihren Gunsten angepasst. Der Coup erfolgt nicht erst am Wahltag, er ist bereits in vollem Gange.

Sollte die Stimmauszä­hlung zur Präsidents­chaftswahl 2024 wieder nicht das gewünschte Ergebnis liefern, könnten Trump-Loyalisten in umkämpften Bundesstaa­ten intervenie­ren, eigenmächt­ig die Wahllisten frisieren und Trump zum Sieger

erklären – formal abgesicher­t durch eine (bis dahin wahrschein­liche) republikan­ische Mehrheit im Parlament sowie einen ohnehin schon mehrheitli­ch konservati­v besetzten Obersten Gerichtsho­f.

Renommiert­e Wissenscha­ftler gehen mit ihren Prognosen sogar noch weiter. Sie halten gewaltsame Ausschreit­ungen rund um die Wahlen für denkbar. Eine Untersuchu­ng der Universitä­t Chicago hat ergeben, dass jeder fünfte US-Amerikaner der Meinung ist, die letzte Wahl sei gestohlen worden. Rund 20 Millionen jener Vertreter dieser These betrachten Gewalt als ein legitimes Mittel, um Trump zum rechtmäßig­en Sieg zu verhelfen. Jeder Zweite von ihnen besitzt eine oder mehrere Schusswaff­en.

Auch Trumps ehemalige Sprecherin im Weißen Haus, Stephanie Grisham, warnte kürzlich aus Anlass ihrer Buchvorste­llung vor ihrem ExChef: Sollte Trump mit seinem Plan Erfolg haben und noch einmal an die Macht kommen, wäre das fatal. Da Präsidents­chaften in den USA auf zwei Amtszeiten begrenzt sind, bräuchte er als wiedergewä­hlter Präsident auf niemanden Rücksicht zu nehmen. Donald Trump sei auf Rache aus, und er habe drakonisch­e Pläne, lautet die Warnung.

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FOTO: AFP Donald Trump bei der Kundgebung in Des Moines, Iowa.

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