Hinter den Erwartungen
Edgar Prib trifft im Spiel beim Hamburger SV die falsche Entscheidung. Nicht zum ersten Mal hat er bei Fortuna als Führungsspieler enttäuscht.
Natürlich wollte Edgar Prib seinen Gegenspieler nicht vorsätzlich verletzen. Er hat einfach eine falsche Entscheidung getroffen. Er war mindestens einen Schritt zu spät. Wade statt Ball. Die Bilder in der Zeitlupe machen es zu einem grausamen Schauspiel. Der Platzverweis war in jedem Fall gerechtfertigt. Darüber gab es auch im Lager von Fortuna keinerlei Dissens. Wie kann es aber passieren, dass einem so erfahrenen Spieler wie Prib, 31, in einer so wichtigen Begegnung die Sicherungen durchbrennen? Die Antwort ist recht trivial: Der Druck, der auf ihm lastete, war mehr Last als Anschub.
Im Sommer 2020 war er ablösefrei von Hannover 96 zur Fortuna gewechselt. Ein Transfer, der durchaus Sinn hätte ergeben können. Doch die Erwartungen in ihn überstiegen von Anfang an seine Möglichkeiten. Immer wieder ist er von Verletzungen ausgebremst worden, so auch in Düsseldorf. Doch nur wer regelmäßig auf dem Platz steht, kann auch in der Hierarchie einer Mannschaft wachsen. Am Ende definiert sich alles über den Wert fürs Team. Prib indes sollte Führungsspieler sein, hier einen Brand löschen, dort ein Loch stopfen. Dabei war er zunächst noch mit sich selbst überfordert.
Unter Christian Preußer ist er längst in die zweite Reihe gerutscht. Er wird oft nicht mal mehr im zweiten Atemzug genannt, wenn es um die Besetzung der Startelf geht. Andere haben ihn schlicht überflügelt. So etwas passiert in diesem Geschäft, gleichwohl kann sich einen Spieltag später auch schon wieder alles ändern. Und so ist es eine zunächst total menschliche Reaktion, wie Prib versucht hat wieder
auf sich aufmerksam zu machen. Beim Hamburger SV merkte man ihm vom Anpfiff an, dass er etwas zeigen wollte.
Schnell wurde klar: Er wollte zu viel. „Ich habe ihn natürlich auf die Szene angesprochen, er hat mir versucht zu erklären, was er sich dabei gedacht hat, seine Absichten waren nicht böse, die Aktion aber natürlich weit drüber. Sieht er selbst genauso“, sagt Fortunas Vorstand
Klaus Allofs. „Er hatte endlich mal wieder eine Chance bekommen, er wollte zeigen, dass auch er ein Anführer sein kann. Er hat dafür allerdings das falsche Mittel gewählt. Ich hatte eigentlich erwartet, dass sich ein Spieler mit seiner Erfahrung besser im Griff hat. Aber so etwas passiert leider in der Hektik des Spiels.“
In der 23. Minute war Prib zu spät in einen Zweikampf mit dem Hamburger Tim Leibold gekommen und
hatte seinen Gegenspieler voll an der Wade erwischt. Schiedsrichter Christian Dingert hatte zunächst nur die Gelbe Karte gezückt, nach Intervention des Videoschiedsrichters aber auf Platzverweis entschieden. Es war bereits der zweite Platzverweis in der Saison für einen Düsseldorfer Spieler. Torwart Florian Kastenmeier hatte es zuvor mit ebenfalls glatt Rot erwischt.
Vor der Saison hatte Prib, der in seiner Freizeit ein ambitionierter Klavierspieler ist, über seine eigenen Erwartungen gesprochen. Damals stellte er selbstkritisch fest: „Wer viel kann, muss viel machen. Ich hätte gerne eine verletzungsfreie Saison. Eine Saison, in der wir als Mannschaft bestmöglich erfolgreich sind. Da werde ich versuchen, alles was ich habe, dazubeizutragen.“In Richtung seiner Kritiker, die ihn bereits abgeschrieben haben, stellte er klar: „Das habe ich schon so oft in meiner Karriere gehört. Das interessiert mich ehrlich gesagt nicht, welcher Name da fällt und welcher vielleicht nicht. Ich weiß, was ich kann. Ich bin mir meiner Stärken selbst bewusst. Wenn es andere nicht sehen, damit beschäftige ich mich nicht. Es ist nicht meine Aufgabe, mich von oben zu betrachten. Was ich fühle, das mache ich.“
Nun wird er sich erst einmal hinten anstellen müssen. Und zwar ganz hinten in der Schlange. Das Sportgericht des Deutschen Fußball-Bunds hat ihn am Montag wegen „eines rohen Spiels gegen den Gegner“für drei Spiele gesperrt. Doch auch danach wird es ein schwieriger Gang für den Ex-Hannoveraner in Düsseldorf. Taten auf dem Rasen wird er bis auf unbestimmte Zeit nur im Training vollbringen. Zu wenig, wenn man Führungsspieler sein will. Daran wollte er sich selbst messen lassen.