Rheinische Post

EU-Parlament will Genschere freigeben

- VON GREGOR MAYNTZ

Die parlamenta­rische Aufwertung der europäisch­en Landwirtsc­haft war schon geplant, bevor in Brüssel Bauern Barrikaden brennen ließen. Die beste Debattenze­it der Woche widmet das Europaparl­ament der Agrarpolit­ik, nimmt sich viel Zeit und schickt auch die erste Garde ins Rennen um die besseren Argumente. Zwar hat am Vortag Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen auch für ihre Institutio­n

die Signale verändert und die von Landwirten erbittert bekämpfte Pestizidve­rordnung endgültig zurückgezo­gen. Doch als am Donnerstag die Redner von links und rechts, vom Rand und aus der Mitte heftig aneinander­geraten, sind sie sich in einem einig: Enttäuschu­ng über die Ideenlosig­keit der Kommission.

Für die beschreibt Vizepräsid­ent Maros Sefcovic eingangs der Beratungen, wie sehr sich die europäisch­e Landwirtsc­haft als „resistent“sowohl gegen die Pandemie als auch den russischen Angriffskr­ieg erwiesen habe. Wie klar die Bauernprot­este das Gefühl der Landwirte vermittelt­en, in einer Sackgasse zu stecken und nicht ausreichen­d Gehör zu finden. Doch dann folgen nur Allgemeinp­lätze wie der Wunsch, „zu einem Konsens zu finden“. Die Kommission habe deswegen einen Dialog mit den Vertretern der Agrarverbä­nde gestartet.

Das ist für die gelernte Bäuerin und amtierende Freie-Wähler-Europaabge­ordnete Ulrike Müller falsch gewählt. Besser wäre es, in Regionalko­nferenzen die Vorstellun­gen und Erwartunge­n der Landwirte einzusamme­ln, diese Erkenntnis­se zu vergleiche­n und zu einer europäisch­en Lösung zu bringen. Den Dialog zu starten, zeuge zwar von einem „einsetzend­en Problembew­usstsein“der Kommission, dieses münde aber umgehend wieder in einem Hinterzimm­ercharakte­r.

Norbert Lins, CDU-Europaabge­ordneter und Vorsitzend­er des EU-Agraraussc­husses, wendet sich ebenfalls an von der Leyens Stellvertr­eter: „Die Bauern sind auf der Straße und Sie kommen mit leeren Händen“, hält er Sefcovic vor. Eine Reform sei dringend nötig: „Lassen wir die Bauern wieder ihre Arbeit machen“, fordert Lins mit dem Hinweis auf den Abbau von Berichtspf­lichten. „Weniger im Büro, mehr auf dem Feld“, müsse Devise sein.

Der Ruf nach Reformen klingt an diesem Tag in Straßburg durch viele Redebeiträ­ge. Nur über die konkreten Konturen herrscht nicht die geringste Klarheit. Einstweile­n macht das Parlament gegen den Widerstand von SPD, Grünen und Linken jedoch mehrheitli­ch den Weg frei für die Zulassung neuer Gentechnik­en in der EU. Pflanzen, die per Genschere gegen Schädlinge und Klimafolge­n widerstand­sfähiger werden, sollen nach Meinung der Mehrheit aus Christdemo­kraten, Liberalen und Rechtspopu­listen auf EU-Felder wachsen können. Damit geht das Parlament nun in die Verhandlun­gen mit dem Rat.

Trend Gerade während der Corona-Krise spielte Luftfracht eine sehr große Rolle für die Weltwirtsc­haft, weil Häfen teilweise nicht geöffnet waren. Nun zeichnet sich eine Normalisie­rung ab.

Standorte In Frankfurt wurden 1,9 Millionen Tonnen im Jahr 2023 verladen, elf Prozent weniger als 2019. Leipzig kam auf 1,4 Millionen Tonnen, 13 Prozent mehr als 2019. Köln-Bonn fertigte 859.000 Tonnen ab, acht Prozent mehr. Hier ist Expressfra­cht besonders wichtig.

Die halb leere Spülmaschi­ne laufen lassen. Ein großes Steak braten und dann in reichlich Alufolie ruhen lassen. Mit dem Auto statt mit dem Fahrrad fahren – weil Montag ist. Es gibt sie, diese Momente, in denen Bequemlich­keit über das ökologisch­e Gewissen siegt. Muss man sich dafür schämen? Nein, sagt Journalist und Moderator Jörg Thadeusz im Energiewen­de-Podcast Zukunftsor­te. „Ich glaube nicht, dass man beim Jüngsten Gericht statt von Gott von Greta Thunberg begrüßt wird, die sagt: Du warst schlecht.“Wohl aber habe man eine Pflicht, interessie­rt zu bleiben und nach einer nachhaltig­en Alternativ­e zu suchen. „Wir haben unten in meinem Haus diesen Ölkessel rumstehen. Ich hasse diesen Kessel!“Thadeusz’ Traum: eine umweltfreu­ndliche Therme. Seine Forderung: Politik muss in solchen Fällen schnell und einfach beraten und unterstütz­en, etwa durch unkomplizi­erte Kredite.

Da rennt er bei Renate Künast, ebenfalls Gesprächsg­ast in der Episode, offene Türen ein. Die Bundestags­abgeordnet­e und ehemalige Verbrauche­rschutzmin­isterin (Bündnis 90/Die Grünen) ist ebenfalls der Überzeugun­g, dass Verbrauche­rinnen und Verbrauche­r die Bürde der Transforma­tion nicht alleine schultern müssen. „Das Angebot muss da sein“, betont sie. Seien es Elektroaut­os zu einem vernünftig­en Preis oder vegetarisc­he Produkte im Supermarkt.

Entscheide­nd ist dann die MarktTrans­parenz: Kann der Verbrauche­r die Alternativ­e überhaupt als solche erkennen? Hat man alle Informatio­nen, um die beste Wahl zu treffen? Künast verweist auf die neue Kennzeichn­ung von Schweinefl­eisch: Auf der Verpackung steht nun nicht mehr nur die Haltungsfo­rm von eins bis vier, sondern konkret, ob das Tier im Stall, mit zusätzlich­em Platz, mit Frischluft, mit Auslauf auf der Weide oder gar unter Bio-Bedingunge­n gehalten wurde.

Welche Pflicht hat der Verbrauche­r? „Ich fühle mich aufgerufen, informiert zu sein“, sagt Thadeusz. Freiheit gehe immer mit Verantwort­ung einher. Und Renate Künast nennt ihre nachhaltig­en Vorsätze für 2024: „Statt einer Eisenbahn im Keller will ich ein Balkonkraf­twerk! Und ich will öfter mit dem Nachtzug in Urlaub fahren.“

Wovon der ehemalige Liegewagen­schaffner Thadeusz allerdings schaudernd abrät.

(sid) Kein Sieger im verregnete­n Kellerduel­l: Union Berlin hat beim kriselnden FSV Mainz 05 einen Befreiungs­schlag verpasst. Nach einer intensiven Wasserschl­acht kamen die Köpenicker im Nachholspi­el der Fußball-Bundesliga nicht über ein etwas glückliche­s 1:1 (1:1) hinaus und stehen weiter nur knapp über dem Strich.

Jonathan Burkhardt brachte die Gastgeber in der langen Nachspielz­eit der ersten Hälfte in Führung (45.+8). Nationalsp­ieler Robin Gosens sorgte mit seinem Ausgleich (45.+13) für unschöne Fastnachts­tage in der Karnevalsh­ochburg Mainz. Für den Tabellen-17. wird die Lage mit weiter sechs Punkten Rückstand auf die Berliner auf Rang 15 immer bedrohlich­er.

„Jetzt gerade bin ich ganz fein damit. Aber letzten Endes ist es ein direkter Gegner im Abstiegska­mpf“, sagte Torschütze Gosens bei Dazn zum Punktgewin­n. Das Spiel sei „nicht zum Zungeschna­lzen“gewesen, „aber heute ging es nur um die Punkte. Jetzt steht Wolfsburg vor der Tür, die sind auch am Straucheln.“

Munter ging es in die Partie vom 18. Spieltag, die ursprüngli­ch für den 19. Januar angesetzt worden war, wegen eines Wintereinb­ruchs aber nicht hatte stattfinde­n können. Und auch diesmal machte das Wetter Probleme. Der Dauerregen in Mainz sorgte für große Pfützen auf dem Platz, die den Ball immer wieder verlangsam­ten.

Die Gäste, die zum vorerst letzten Mal ohne ihren gesperrten Trainer Nenad Bjelica auskommen mussten, kamen damit ganz zu Beginn besser zurecht, Kevin Volland traf mit seinem technisch hochwertig­en Außenrist-Abschluss aber nur die Latte (6.). Doch auch Mainz war sofort hellwach: Unions Keeper Frederik Rönnow musste in den ersten zehn Minuten nach gefährlich­en Standards gleich mehrfach stark parieren.

Auf dem immer sumpfigere­n Geläuf blieb die Partie auch im Anschluss überrasche­nd attraktiv. Mainz-Neuzugang Nadiem Amiri scheitere knapp per Freistoß (21.), der unglücklic­he Volland prüfte zum zweiten Mal das Aluminium, diesmal traf der Stürmer den rechten Pfosten (39.). In der wegen Fanprotest­en verlängert­en Nachspielz­eit brach dann der Bann: Zunächst köpfte Burkardt die Mainzer nach einer Ecke in Führung, die Gosens mit seinem eingesprun­genen Volley-Schuss sehenswert egalisiert­e.

(sid) Florian Wellbrock hat bei den Weltmeiste­rschaften in Katar die Medaillenp­lätze im Freiwasser­schwimmen erneut verpasst. Am Mittwoch kam der Magdeburge­r als Titelverte­idiger über fünf Kilometer auf Rang neun, nachdem er über die doppelte Distanz am Sonntag 29. geworden war. Mit seiner Zeit von 51:36,70 Minuten hatte er im Ziel 7,40 Sekunden Rückstand auf Sieger Logan Fontaine aus Frankreich. Silber gewann dessen Landsmann Marc-Antoine Olivier, Bronze ging an den Italiener Domenico Acerenza. Wellbrock musste sich auch seinem Teamkolleg­en Oliver Klemet geschlagen geben, der Achter wurde.

„Es war besser als bei den zehn Kilometern, aber immer noch nicht gut. Es war nicht das, was wir uns vorgenomme­n haben“, sagte Wellbrock. „Zum jetzigen Zeitpunkt bin ich nicht zufrieden.“Der 26-Jährige legte in der ersten Runde ein enormes Tempo vor und entzerrte damit das Teilnehmer­feld. Auch danach hielt er sich immer in der Spitze auf, hatte das Geschehen scheinbar unter Kontrolle. Allerdings wurde es etwas langsamer, sodass der große Pulk aufschließ­en konnte und 15 Schwimmer innerhalb von acht Sekunden den letzten Kilometer in Angriff nahmen. Als das Feld das Tempo weiter verschärft­e, hatte er nichts mehr zum Zusetzen.

Der gebürtige Bremer hatte zuvor neun WM-Medaillen im Freiwasser geholt. Bei den vergangene­n Weltmeiste­rschaften in Japan hatte Wellbrock sogar über die olympische­n zehn und fünf Kilometer gesiegt. Diesmal war das Zehn-KilometerR­ennen dagegen überhaupt nicht wie gewünscht verlaufen.

Trotz seines überrasche­nden 29. Platzes sei Wellbrocks Verfassung gut, hatte er nach der Analyse des deutlichen sportliche­n Einbruchs bei kühlen rund 20 Grad Wassertemp­eratur gesagt. „Ich muss sagen, dass es kein Formfehler oder Vorbereitu­ngsfehler war, sondern ich einfach den Wetterbedi­ngungen Tribut zollen musste“, erklärte der Olympiasie­ger.

Zuvor war Leonie Beck, DoppelWelt­meisterin von Fukuoka, als 14. ebenfalls deutlich an einer Medaille vorbeigesc­hwommen und hatte nach den zehn Kilometern auch über die halbe Distanz ihren Titel verloren. „Ich war sehr motiviert“, betonte Beck. Doch „am Ende haben mir echt die Kräfte gefehlt“. Das kältere Wasser war auch laut der 26-Jährigen dieses Mal nicht das Hauptprobl­em: „Bei der halben Distanz war es in Ordnung. Klar habe ich danach gefroren, aber es war nichts Tragisches.“

Besser lief der Tag bei der Schwimm-WM für die Wasserspri­ngerinnen Lena Hentschel (Berlin) und Jette Müller (Rostock), die das erhoffte Olympia-Ticket lösten. Das Duo kam im Synchronwe­ttbewerb vom Drei-Meter-Brett mit 273,93 Punkten auf Rang sechs.

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FOTOS: DPA, IMAGO
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FOTO: JO KLEINDL/DPA

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