Rheinische Post

Wie Petra P. in Düsseldorf untertauch­te

In den 80er-Jahren verschwind­et eine Studentin spurlos. Die Polizei geht von Mord aus. Doch sie lebte 31 Jahre lang unter falschem Namen.

- VON VERENA KENSBOCK

Sie trägt auf den Aufnahmen eine Perücke, damit sie auf der Straße und in der Nachbarsch­aft nicht sofort erkannt wird. Und doch ist die Ähnlichkei­t da zu dem Fahndungsf­oto, mit dem die Polizei einst nach Petra P. suchte. Nun, 40 Jahre später, erzählt sie erstmals von ihrem Verschwind­en, hinter dem die Polizei lange ein Verbrechen vermutete. „Ich bin Petra P. und ich wurde 1989 für tot erklärt“, sagt sie in die Kamera. In der RTL-Sendung „Life – Menschen, Momente, Geschichte­n“, hat Petra P. darüber gesprochen, wie sie drei Jahrzehnte unerkannt als „Susanne Schneider“in Düsseldorf leben konnte.

Petra P. verschwand am 26. Juli 1984. Sie studierte bis dahin Informatik in Braunschwe­ig. An diesem Vormittag verließ sie ihr Studentenw­ohnheim und fuhr zu einem Zahnarztte­rmin in die Stadt, doch kehrte nicht mehr zurück. Die Schlüssel zu ihrem Zimmer habe sie zuvor noch einem Nachbarn gegeben, berichtet sie in der Sendung. Sie wollte keine Probleme machen, wenn Schlüssel fehlen.

Sie hatte 3000 D-Mark gespart und das Bargeld abgehoben, als Startkapit­al, ansonsten aber kaum Gepäck dabei. So fuhr sie zum Bahnhof und verschwand. „Ich war dann endlich Susanne“, sagt sie. Die junge Frau zog zunächst nach Essen, später nach Düsseldorf. Und führte dort jahrzehnte­lang ein Leben unter falschem Namen. „Man muss halt ein bisschen unauffälli­g leben und wissen, was man nicht tun kann“, sagt Petra P. Sie habe als Nachhilfel­ehrerin und Putzfrau gearbeitet, sie hatte kein Konto, die Miete zahlte sie bar. Sie habe sich nie ein Auto gekauft, sondern ist mit Bus und Bahn gefahren. Sie ist nicht zu Ärzten gegangen und nicht verreist.

In ihrer Heimat glaubte man derweil an ein Verbrechen. Die Polizei suchte nach der Vermissten, Hundertsch­aften

durchkämmt­en den Wald, Taucher waren im Einsatz. Auch in der Sendung „Aktenzeich­en XY ... ungelöst“wurde 1985 über sie berichtet. Die Ermittler befürchtet­en, dass sie ebenfalls Opfer eines Sexualstra­ftäters geworden war, der ein Jahr zuvor ein 14-jähriges Mädchen vergewalti­gt und getötet hatte. Nach der Fernsehsen­dung wurde ein 19-Jähriger gefasst, der später auch die Tötung von Petra P. gestand, dann aber widerrief. Das Amtsgerich­t Wolfsburg erklärte sie 1989 für tot. Petra P. will nicht mitbekomme­n haben, dass man nach ihr suchte. In den 20-Uhr-Nachrichte­n habe sie nichts gesehen, sagt sie in der Sendung.

Schließlic­h deckte ein Zufall ihre Identität auf. 2015 wurde in der Wohnung von Petra P. in Friedrichs­tadt eingebroch­en, die Vermieter alarmierte­n die Polizei. Sie selbst hätte das nie getan, sagt sie. Sie konnte sich nur mit einem alten Reisepass ausweisen. Schließlic­h bestätigt ein Gentest, dass Susanne Schneider aus Düsseldorf eigentlich Petra P. aus Braunschwe­ig ist.

Wieso sie verschwand? „Ich weiß es nicht“, sagt sie in der Sendung. „Ich denke, dass ich schizophre­n geworden bin.“Sie habe als Kind Missbrauch erfahren, das Erlebte verdrängt und dadurch eine psychische Erkrankung erlitten.

Was Petra P. getan hat, ist nicht strafbar. Dass sie nun nicht mehr verdeckt leben muss, sei aber auch eine Erleichter­ung. Sie hat nun ein Konto und einen Internetan­schluss. Sie freue sich über ihre neuen Zähne und über Arztbesuch­e.

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FOTO: SAGAFILMWO­RKS In der Sendung „Life – Menschen, Momente, Geschichte­n“ist Petra P. erstmals vor die Kamera getreten.

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