Ein Wettlauf gegen den Krieg
Bei den Verhandlungen in Kairo über eine Waffenruhe im Gazastreifen soll es Fortschritte geben. Am Mittwoch könnte es zu einer ersten Einigung kommen.
Kurz vor dem Ende des islamischen Fastenmonats Ramadan diese Woche keimt Hoffnung auf eine Feuerpause im Gazastreifen auf. Medien aus den Vermittlerstaaten Kairo und Katar meldeten am Montag, bei den Verhandlungen über eine Waffenruhe in Kairo habe es Fortschritte gegeben. Auch Israel zeigte sich vorsichtig optimistisch. Offenbar haben die USA bei den Gesprächen sechs Monate nach Kriegsausbruch den Druck auf die israelische Regierung verstärkt. An diesem Mittwoch, dem ersten Tag des Festes Eid al-Fitr am Ende des Ramadans, könnte zumindest eine Teil-Einigung verkündet werden. Allerdings sind wichtige Fragen noch umstritten.
Ohne Feuerpause wächst die Gefahr, dass sich der Gaza-Krieg auf den Libanon ausweitet, wo sich Israel und die Hisbollah-Miliz bereits Gefechte liefern. Israelische Kampfflugzeuge griffen am Montag ein Dorf im Süden des Libanon an und töteten einen Offizier einer Hisbollah-Elitetruppe. Der Iran, der Hamas und Hisbollah unterstützt, hat zudem angekündigt, er werde sich für den Tod von iranischen Generälen bei einem israelischen Luftangriff in der syrischen Hauptstadt Damaskus vor einer Woche rächen.
Eine Einigung in Kairo könnte die Eskalation stoppen. Iranische und israelische Medien verbreiteten am Montag eine Meldung der iranischen Internetseite Dschadeh Iran, wonach Teheran den USA angeboten haben soll, auf einen Vergeltungsschlag gegen Israel zu verzichten, wenn es eine Feuerpause in Gaza gibt.
Israel und die Hamas hatten am Wochenende hochrangige Emissäre zu den Verhandlungen nach Kairo geschickt: Aus Israel flog MossadChef David Barnea nach Ägypten. Für die Hamas nahm PolitbüroMitglied
Chalil al-Haja an den Gesprächen teil, bei denen er indirekt über ägyptische und katarische Vermittler mit Barnea verhandelte. Die Vereinigten Staaten entsandten CIA-Chef William Burns an den Nil. Eine erste Feuerpause im vorigen November hatte nur eine Woche gehalten.
Nun meldete der staatsnahe ägyptische Fernsehsender Al-Kahira, es bestehe Konsens über die Eckdaten einer Einigung. Die Unterhändler von Israel und der Hamas wollen an diesem Mittwoch nach internen Beratungen nach Kairo zurückkommen, um abschließende Beratungen zu führen. Das katarische Nachrichtenportal
The New Arab berichtete unter Berufung auf ägyptische Sicherheitskreise, die Konfliktparteien seien für eine mehrtägige Feuerpause an den islamischen Feiertagen nach dem Ramadan bereit; diese kurze Waffenruhe wäre demnach außerhalb der angestrebten vollständigen Einigung.
Ägypten forderte die Hamas demnach auf, die Gelegenheit zu ergreifen, die sich aus dem erhöhten Druck der USA auf Israel ergebe. Washington war in den vergangenen Tagen von der bedingungslosen Unterstützung für Israel abgerückt und hatte den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu aufgefordert, mehr für die Versorgung der notleidenden Zivilisten in Gaza zu tun. Netanjahus Außenminister Israel Katz sagte, bei den Verhandlungen in Kairo seien sein Land und die Hamas so nah an einer Einigung, wie sie es seit der Feuerpause im November nicht mehr gewesen seien.
Von der Hamas kamen widersprüchliche Signale. The New Arab zitierte den früheren Hamas-Gesundheitsminister Bassem Naim mit den Worten, die Terrororganisation sehe Möglichkeiten „für alle Optionen“und hoffe, dass der innenpolitische und außenpolitische Druck auf Netanjahu die Verständigung auf eine „umfassende
Waffenruhe“und einen Abzug der israelischen Soldaten aus dem Gazastreifen ermöglichen werde.
Dagegen sagte ein ungenannter Hamas-Funktionär der Nachrichtenagentur Reuters, Israel habe sich bisher nicht bewegt. Die Hamas-Führung äußerte sich nicht. Erfahrungsgemäß dauert es ein bis zwei Tage, bis neue Vorschläge aus den Verhandlungen an die Chefs der Terrororganisation übermittelt werden können, die sich in Gaza versteckt halten.
Ägypten, Katar und die USA streben eine etwa sechswöchige Feuerpause an, die zur Freilassung von israelischen Geiseln und zur besseren Versorgung der Zivilbevölkerung in Gaza genutzt werden soll. Laut Medienberichten besteht bei diesen Punkten weitgehend Einigkeit. Nach wie vor unvereinbar sind jedoch die grundsätzlichen Positionen von Israel und Hamas: Israel will nur eine Pause im Krieg, Hamas eine permanente Waffenruhe. Die Hamas fordert den Abzug aller israelischen Soldaten aus Gaza, was Israel ablehnt. Selbst wenn es am Festtag nach dem Ramadan eine Feuerpause geben sollte, wäre der Konflikt noch nicht beigelegt.
Der Streit innerhalb der Ampelkoalition über die geplante Kindergrundsicherung geht in die nächste Runde. Die FDP hat grundsätzliche Vorbehalte gegen die von Bundesfamilienministerin Lisa Paus eingebrachte Reform. Es ist das wichtigste Projekt der Grünen-Politikerin. Der vom Kabinett beschlossene Entwurf ist bereits in erster Lesung vom Bundestag behandelt worden – jetzt geht es um Details, bevor der Bundestag das Gesetz verabschieden kann. Hier die Antworten auf die wichtigsten Fragen zum Gesetz.
Was ist der Kern der Reform? Mit der Kindergrundsicherung sollen bisherige Leistungen wie das Kindergeld, Leistungen aus dem Bürgergeld für Kinder oder der Kinderzuschlag in einer einzigen Leistung gebündelt werden. Sie gilt als das sozialpolitische Prestigeprojekt der Grünen. Auch die SPD hatte mit der Kindergrundsicherung Wahlkampf gemacht und sie als zentrale Ampel-Reform beworben. Zuletzt hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) jedoch auch immer wieder betont, dass die Bundesregierung bereits viel für Familien getan habe, etwa eine deutliche Erhöhung des Kindergeldes.
Wie sollen Familien an die Kindergrundsicherung kommen können? Das Bundesfamilienministerium will für die künftigen Antragsteller der Kindergrundsicherung möglichst einfache Verfahren schaffen. Wie das Ministerium erläuterte, soll es bei den Anträgen „ein digitales Antragssystem geben mit verständlicher Sprache, Hilfestellungen und automatischer Fehlererkennung“. Das geplante System solle Eltern künftig „gezielt und zeitsparend beim Ausfüllen des Antragsformulars“unterstützen. Bereits digital vorhandene Daten sollen, sofern dies technisch möglich sei, „automatisch abgerufen“werden können. Ganz automatisch und ohne Anträge wird es laut Ministerium also künftig auch nicht gehen. Eltern sollen nach den Vorstellungen des Ministeriums von Paus für den Kindergarantiebetrag, den alle
Kinder bekommen sollen, und den einkommensabhängigen Zusatzbetrag jeweils einen Antrag stellen müssen. Zusätzlich beantragt werden müssen demnach künftig auch nichtpauschale Leistungen für den Bereich Bildung und Teilhabe wie Zuschüsse zu Klassenfahrten. Insgesamt verspricht das Ministerium, auf „einfache technische Lösungen“wie das Abfotografieren von Nachweisen setzen zu wollen.
Welche Punkte haben nun wieder Streit ausgelöst? Im Fokus des Streits steht die Schaffung von ungefähr 5000 neuen Verwaltungsstellen, die Paus zunächst als Bedarf für die Umsetzung angemeldet hatte. Am Wochenende schwächte die Ministerin ihre Forderung etwas ab und erklärte, dass die Zahl durch Digitalisierung perspektivisch auch kleiner ausfallen könnte.
Welche Position haben die Grünen? Die Parteivorsitzende der Grünen, Ricarda Lang, sagte zu dem Thema im „Bericht aus Berlin“, die von Paus ursprünglich geforderten 5000 zusätzlichen Stellen werde es nicht geben. „Und so gibt es auch keinen Grund, dass die Debatte sich weiter an dieser Zahl aufhängt.“Die Parteivorsitzende betonte, sie gehe weiter davon aus, dass die Grundsicherung noch vor der Bundestagswahl komme. Wer jetzt einen neuen Gesetzentwurf fordere, dem gehe es offenbar eher darum, das Projekt zu blockieren, so die Grünen-Chefin.
Was hat die FDP auszusetzen? Die FDP hatte einen neuen Gesetzentwurf gefordert mit dem Verweis auf überbordende Bürokratie. Die ursprüngliche Idee sei es gewesen, bereits vorhandene Angebote zu bündeln und Zugangsmöglichkeiten zu erleichtern, sagte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai. „Kinder aus der Armut zu holen, ist unser Ziel. Aber es ist niemals unser Ziel gewesen, eine neue Behörde zu schaffen und in Bürokratie und Verwaltung zu investieren.“Der FDP-Politiker wies auch die Auffassung von Paus zurück, es gebe bei Sozialleistungen eine Bringschuld des Staates.
Welche Position bezieht die SPD?
Die zuständige Fachpolitikerin der SPD-Fraktion, Leni Breymaier, sagte unserer Redaktion, dass der jüngste Armutsbericht als Auftrag gesehen werden müsse. Jedoch seien Veränderungen am untersten sozialen Auffangnetz hochkomplex. Sie rief zu einer Einigung auf und sagte: „Kooperation gewinnt, Konfrontation verliert. Und ein Austausch muss nicht zwangsläufig immer in der Öffentlichkeit stattfinden.“