Ganz normale Typen
Wer wollte leugnen, dass Skispringer ein bisschen verrückt sind. Stürzen sich steilste Schanzen hinab, beschleunigen auf bis zu 100 Stundenkilometer, um sich dann kraftvoll abzustoßen und ins Tal zu segeln. Mit nichts am Körper als zwei Skiern, einem Helm und ein bisschen Stoff.
Für Normalsterbliche ist das alles auch deshalb so faszinierend, weil es so wenig nachvollziehbar ist. Schließlich kommen die wenigsten in ihrem Leben in die Situation, von einer Schanze springen zu müssen/ zu dürfen.
Diejenigen, die das regelmäßig machen, betreiben also einen Sport, der höchste Anforderungen an die Psyche stellt. Es gilt, die richtige Mischung aus Lockerheit und Konzentration zu finden. Mut, aber keinen Übermut.
Es ist ein komplexes System, das jeder Springer für sich jedes Mal wieder im Kopf zusammenbasteln muss, damit der Körper ins Fliegen kommt.
Dummerweise funktioniert dieses System genau dann am besten, wenn der Springer am wenigsten nachdenkt. Überdies muss das Material stimmen. Fluggefühl, Athletik und körperliche Voraussetzungen spielen ebenfalls eine wichtige Rolle.
Komplizierte Sache also, dieses Skispringen. In keiner anderen Sportart ist Erfolg von derart vielen Faktoren abhängig. Fügt sich nur einer nicht ins Gesamtbild ein, wird aus dem stolzen Adler schnell ein Suppenhuhn, wie die Bild-Zeitung einmal zu Krisenzeiten die deutschen Skispringer bezeichnete.
Zu beobachten sind ähnliche Verwandlungen in dieser Saison bei Severin Freund. Fünf lange Monate musste er im Frühling und Sommer nach einer Hüftoperation pausieren und sich dann wieder ans Training herantasten. Zum Weltcup-Auftakt stand er trotzdem ganz oben auf dem Treppchen.
Eine Top-Platzierung bei der Tournee aber konnte er dagegen schon nach dem ersten Springen in Oberstdorf abhaken. Dort landete der Vorjahressieger abgeschlagen auf Platz 20. Gestern wurde er beim Neujahrsspringen in Garmisch-Partenkirchen 21.
Freund nahm es locker. Er weiß aus langjähriger Erfahrung, wie schnell es im Skispringen auf und ab geht. Und er weiß, wie wichtig es ist, auch neben der Schanze ein funktionierendes System zu haben. Am Silvesterabend stellte er auf seiner Facebook-Seite ein paar Hochzeitsbilder online. Im Sommer hatte er seine langjährige Freundin Caren geheiratet. Dazu schrieb Freund, dass das Highlight seines Jahres 2016 trotz aller sportlicher Erfolge etwas ganz Privates gewesen sei.
Beruhigend für uns Normalos zu sehen, dass auch Skispringer ganz normale Typen sind – wenn auch mit einem Hang zu gefährlichen Aktionen. Und damit ist ausdrücklich nicht die Ehe gemeint.