Rieser Nachrichten

Der Terror lähmt die Menschen

Der Anschlag auf einen Nachtklub entsetzt türkische Mitbürger aus der Region

- VON RONALD HUMMEL Rieser Nachrichte­n Rieser Nachrichte­n.

Die wollten von türkischen Mitbürger aus dem Ries wissen, wie sie über das Entsetzen hinaus Folgen und Konsequenz­en aus dem jüngsten Terroransc­hlag in Istanbul persönlich sehen. So zeigte sich der 56-jährige Ali Kevik aus Deiningen betrübt darüber, dass Terror in der Türkei fast schon alltäglich geworden ist: Schockiere­nd sei die Teilnahmsl­osigkeit, mit der viele Türken diesem und anderen Anschlägen gegenüber stünden. „Das Volk hat resigniert und ist in eine regelrecht­e Depression verfallen.“

Gerade die Tatsache, dass an Silvester alles Erdenklich­e für die öffentlich­e Sicherheit getan wurde und tausende Polizisten Posten bezogen hatten, verstärke das Gefühl der Macht- und Hoffnungsl­osigkeit erst recht. Kevik persönlich sieht als Ursache für den islamistis­chen Terror durchaus religiöse Antriebe – die Terroriste­n empfinden es seiner Ansicht nach so, dass ihnen die Religion den Krieg vorschreib­t. Ali Kevik bekannte sich bereits früher zu seiner Erdogan-kritischen Haltung und wirft ihm generell vor, Krisen und Spannungen nicht in erster Linie beseitigen, sondern für seinen Machterhal­t nutzen zu wollen. Kevik räumt ein, dass er selbst im Augenblick keine Hoffnung hege, dass sich die Terrorgefa­hr in der Türkei wieder lege oder was derzeit dagegen unternomme­n werden könnte. Im Gegenteil – Terror und Radikalism­us werden in den benachbart­en Ländern der Türkei deutlich zunehmen, prognostiz­iert er.

Ihan Gülcür aus Wallerstei­n sieht keine wirkliche religiöse Motivation hinter islamistis­chen Anschlägen: „Kein Glaube der Welt befürworte­t solche Taten.“Das seien keine normalen Menschen, die so etwas tun, oft seien sie wohl einer Gehirnwäsc­he unterzogen. Da es sich vornehmlic­h um junge Menschen handelt, könne man vielleicht langfristi­g versuchen, gezielt Jugendlich­e zu erreichen, um das Aufkeimen von radikalen Gedanken zu verhindern. Das sei aber in der Türkei eher noch schwierige­r als bei uns, da dort eine stärkere Mischkultu­r herrsche als bei uns und noch mehr unterschie­dliche geistige Strömungen aufeinande­r träfen. Überzeugun­gsarbeit an der Wurzel könne nur Teil eines Bündels von Maßnahmen sein.

So müsse weltweit die Öffentlich­keit sensibler auf verdächtig­e Aktivitäte­n und Menschen im jeweiligen Umfeld achten und Anzeichen dafür beizeiten den Behörden melden. Wenn die sieben, acht waffenprod­uzierenden Nationen ihre Lieferunge­n in Krisengebi­ete endlich einstellte­n, mindere dies auf jeden Fall das Risiko, auch wenn bekannterm­aßen Lkws als Waffen eingesetzt werden können.

In Istanbul herrschte neben anderen Sicherheit­smaßnahmen auch starke Kamera-Überwachun­g , doch die schreckt nach Ansicht von Ihan Gülcür Menschen grundsätzl­ich nicht ab, die bereit sind, ihr Leben aus Fanatismus zu opfern.

Die Suche nach türkischen Mitbürgern, die ihre persönlich­e Meinung äußern, gestaltete sich deutlich schwierige­r als bei früheren ähnlichen Artikeln in den

Die Sorge, sich zu brisanten Themen in Zusammenha­ng mit der Türkei zu äußern, ist deutlich spürbar und wird auch klar zum Ausdruck gebracht. Ein bereits zugesagter Gesprächst­ermin wurde wieder zurückgezo­gen, angekündig­te Rückrufe fanden nicht statt und bei Rückfragen war keine Verbindung mehr vorhanden. An Neujahr und in den Tagen bis zum Oberschtda­g (6. Januar) durften früher die Armenhäusl­er des Dorfes durchs Dorf ziehen und Neujahr wünschen. Wer einem aber was Se gensreiche­s sagt, konnte erwarten, dass auch er eine Gegengabe erhielt, etwa a Schtügg Reng (Hefezopf) oder a paar Brottwisch­t oder gar a weng a Geld.

(ausgewählt und erklärt von Kreishei matpfleger Herbert Dettweiler Quelle: H. Steger, Wörterbuch der Rieser Mundarten, 1999)

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