Wenn Frauen fliegen
In Oberstdorf dürfen die Springerinnen auf die Großschanze
Für die Frauen ist es (noch) ein seltenes Erlebnis, im Weltcup von einer Großschanze zu springen. Bisher gab es das nur einmal, beim Weltcupfinale in Oslo. Normalerweise springen die Frauen von der Normalschanze. Geht es nach Bundestrainer Andreas Bauer, soll sich das in absehbarer Zeit ändern. Der Oberstdorfer wünscht sich für das Skispringen eine ähnliche Entwicklung, wie sie andere Sportarten schon hinter sich haben. „Wir wollen, dass Frauen und Männer gemeinsame Weltcups veranstalten“, sagt der Oberstdorfer. Im Biathlon oder im Langlauf sei das längst selbstverständlich.
Noch aber haben Skispringer und Skispringerinnen die meiste Zeit des Jahres einen komplett unterschiedlichen Wettkampfkalender. Immerhin: In Oberstdorf kommen die Frauen am Samstag und Sonntag (jeweils 16.20 Uhr) neben der Großschanze auch in den Genuss perfekter TVBilder, denn die öffentlich-rechtlichen Sender ließen den Großteil ihrer Technik von der Vierschanzentournee vor Ort. Mehr als zwei Dutzend Kameras – auch das gab es beim Frauen-Skispringen noch nie.
All das ist natürlich ein besonderer Ansporn für die deutsche Mannschaft. „Wir wollen zeigen, was wir drauf haben“, sagt Bauer. Nach vier Weltcups (zwei in Lillehammer und zwei in Nischni Tagil) fällt sein Zwischenfazit positiv aus. „Vier unter den ersten 15 – so kompakt waren wir noch nie.“Allerdings musste der Bundestrainer auch eine bittere Nachricht hinnehmen, denn ausgerechnet seine bis dahin beste Athletin verletzte sich in Russland schwer. Mit einem Kreuzbandriss fällt Anna Rupprecht für den Rest der Saison aus. Bei der Landung hatte ihr Knie der Belastung nicht standgehalten.
Für Bauer ist die schwere Verletzung Ausdruck eines grundsätzlichen Problems. Die seitliche Biegung der modernen Bindungsstäbe helfe zwar während der Flugphase, wenn die Skier in der V-Stellung sind. Bei der Telemark-Landung müssen die Sportler aber das hintere Knie stark verdrehen, um die Skier wieder parallel zu stellen. Wer das nicht macht, verkantet. Wer es macht, mutet seinem Kreuzband eine extreme seitliche Belastung zu. „Die Kreuzbänder halten nach oben und unten 200 Kilo aus – aber seitlich, in die Rotationsbewegung hinein, sind es nur 40 Kilo“, sagt Bauer, der inzwischen schon acht Kreuzbandrisse gesehen hat, die er auf diese Belastung zurückführt. „Frauen haben nicht die Band- und Sehnenstabilität der Männer, darum passieren solche Verletzungen. Eigentlich müssten wir wieder gerade Stäbe nehmen und könnten wieder sauber und sicher landen.“Der internationale Skiverband Fis habe dieses Problem noch nicht erkannt.
Rupprecht also fehlt beim Heimspringen in Oberstdorf. Auf ihre Kolleginnen wartet ein besonderes Erlebnis. „Die freuen sich alle auf die Großschanze, und viele wollen schon zum Skifliegen weiter. Aber da müssen wir den Ball noch flach halten“, sagt Bauer. „Wir machen einen Schritt nach dem anderen.“