Rieser Nachrichten

Totgesagte leben länger

Das Chiemgauer Volkstheat­er präsentier­t „Mei bester Freind“im Klösterle. Warum das Ensemble mit dem pfiffigen Bühnenspaß diesmal in Nördlingen überzeugt

- (aku)

Der Hypochonde­r, der vermeintli­ch Kranke, ist in Lustspiele­n aller Epochen ein beliebter und häufig verarbeite­ter Charakter. Schon der große französisc­he Dramatiker Molière schuf im Jahr 1673 mit „Der eingebilde­te Kranke“eines seiner berühmtest­en Werke. Auch das Chiemgauer Volkstheat­er greift in seinem aktuellen Stück „Mei bester Freind“dieses Motiv auf und bereitete rund 300 Besuchern im Klösterle einen unterhalts­amen und pfiffigen Bühnenspaß.

Darin ist der Bauer Sepp (Andreas Kern) der Prototyp eines Hypochonde­rs. Seine Apothekenz­eitschrift­en sind ihm wichtiger als die Landwirtsc­haft, und damit er auch ja keines seiner zahlreiche­n Medikament­e vergisst, hat er das Handy zur Melodie von „Spiel mir das Lied vom Tod“auf hochfreque­nten „Tabletten-Alarm“programmie­rt. Ehefrau Anna (Michaela Heigenhaus­er) und Oma Geli (Kathi Leitner) nehmen Sepps „Porzellan-Phobie“(„hat net alle Tassen im Schrank“) mit Geduld und Humor.

Eine überrasche­nde Wendung nimmt die Geschichte, als der Bauer ein Telefonges­präch seines Arztes Dr. Kirschenho­fer (Bernd Helfrich) über einen todkranken Patienten auf sich selbst bezieht. So sieht Sepp sein letztes Stündlein gekommen und trifft sofort umfangreic­he Vorbereitu­ngen für sein bevorstehe­ndes Ableben: Sein titelgeben­der bester Freund, der Gastwirt und Metzgermei­ster Willi (Markus Neumaier), die Landwirtsc­haft übernehmen, und der schneidige Reitlehrer Freddy (Florian Kiml) sich um die „Witwe“kümmern.

Vom Testament bis zum „Erdmöbel“wird alles akribisch vorbereite­t, der Bestattung­sunternehm­er Baltasar Kramer (Flo Bauer) („Wir bringen Sie ins Grab aus allen Lebenslage­n“) findet sogar den passenden Slogan für die Trauerrede: „Der Bauer macht sich vom Acker.“Erst als Dr. Kirschenho­fer und Oma Geli von einer Motorrad-Spritztour zurückkehr­en, klärt sich die Sache auf ...

„Mei bester Freind“stammt aus der Feder von Theaterlei­ter Bernd Helfrich und basiert auf eigenen Erlebnisse­n. Dabei folgt die ländliche Komödie dem bewährten dramaturgi­schen Muster der Chiemgauer: Der Zuschauer besitzt stets einen Informatio­nsvorsprun­g gegenüber den handelnden Personen und kann sich daher umso besser über die viesoll len Irrungen und Wirrungen amüsieren – auch wenn das zu Lasten der Spannung geht.

Beim Ensemble herrscht Kontinuitä­t

Beim Ensemble setzen die Oberbayern traditione­ll auf Kontinuitä­t, die meisten Akteure sind schon seit vielen Jahren dabei. Aus der harmonisch­en und eingespiel­ten Besetzung ragen trotz ihrer Nebenrolle­n Vollblutsc­hauspieler­in Kathi Leitner als fidele Oma („Liaba den zwoat’n Frühling, ois de dritt’n Zähn’“) und der 71-jährige Chiemgau-Chef Bernd Helfrich, der gleichzeit­ig auch Regie führt, heraus.

So kann die Inszenieru­ng insgesamt überzeugen, wenngleich sie nach schwungvol­lem erstem Akt bei einigen Dialogen inhaltlich­e Längen aufweist. Und dass die Figuren mitunter recht holzschnit­tartig gezeichnet sind und manches Detail – wie etwa der schmalztri­efende Abschied von den Rössern – zu überdreht ist, ist eben den Gesetzmäßi­gkeiten eines dörflichen Schwanks geschuldet. Dafür entschädig­en die herrlich authentisc­hen Schauspiel­er und zahlreiche markige Sprüche in altbayeris­chem Dialekt („da Opa hot ganz schee noss g’fuadat“).

Somit bleibt festzustel­len, dass die Chiemgauer mit „Mei bester Freind“eines ihrer besseren Stücke in Nördlingen vorgestell­t haben, was die Besucher bei mehreren Schlussvor­hängen mit ausgiebige­m Applaus quittierte­n.

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Foto: Dieter Mack Das Chiemgauer Volkstheat­er überzeugte im Nördlinger Klösterle mit dem Stück „Mei bester Freind“das Publikum.

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