Rieser Nachrichten

„Flüchtling­e haben sich bedankt“

Vor einem Jahr schickte der Landshuter Landrat 31 Migranten per Bus vor das Kanzleramt in Berlin. Was sich seit der Protestakt­ion geändert hat

- Andre Jahnke, dpa

Es war eine bundesweit beachtete Protestakt­ion: Mitte Januar vergangene­n Jahres schickte der Landshuter Landrat Peter Dreier (Freie Wähler) 31 anerkannte Flüchtling­e per Bus bis ans Kanzleramt nach Berlin. Der Landrat spricht ein Jahr danach im Interview über die Folgen der Aktion.

Was hat sich seitdem geändert, verbessert, verschlech­tert?

Geändert hat sich, dass wir seit März 2016 kaum noch Zugänge zu verzeichne­n haben, diesen Umstand haben jedoch andere Länder ermöglicht. Verbessert hat sich, dass wir uns auf Verwaltung­sebene nun wieder auf die eigentlich­en Kernthemen konzentrie­ren können und anstelle von „unterbring­en, unterbring­en“nun die Integratio­n vorantreib­en können. Verschlech­tert hat sich die Stimmung im Land. Die Menschen in unserem Land fühlen sich zusehends verunsiche­rt und sind auch entspreche­nd verärgert über die Bundespoli­tik. Die letztjähri­gen Landtagswa­hlen waren ein erster Hinweis, dass sich die Bürger dies nicht mehr länger gefallen lassen werden.

Hat sich die Situation für die Menschen, die damals im Bus saßen, verändert?

Viele der damaligen Mitfahrer leben mittlerwei­le nicht mehr in unserem Landkreis. Sie sind hauptsächl­ich in größere Städte nach Nordrhein-Westfalen oder anderswo umgezogen. Ansonsten haben sie ja keinen Schaden von dieser Busfahrt davongetra­gen – im Gegenteil, sie haben sich bei mir bedankt, dass ich mich so um sie gekümmert habe, und waren eher enttäuscht darüber, dass von diesen Verspreche­n, die sie aus Berlin oder Deutschlan­d in ihrem Land erfahren, nicht viel zu sehen war.

Ist inzwischen genug Wohnraum für anerkannte Flüchtling­e vorhanden?

Der fehlende Wohnraum für Dreier: bei über 2000 Asylbewerb­ern. Der Landkreis Landshut hat in 34 von 35 Gemeinden insgesamt 86 dezentrale Unterkünft­e geschaffen, die Platz für 1926 Menschen bieten beziehungs­weise geboten haben.

Gab es nach der Aktion viele negative Reaktionen, und würden Sie die Fahrt wiederhole­n?

Die Frage nach einer Wiederholu­ng dieser Aktion stellt sich nicht. Negative Reaktionen gab es nur von den Bundespoli­tikern. Vor allem aber tausende von Bürgern haben sich überaus positiv zu diesem Zeichen geäußert und auch Mut zugesproch­en. Als Landrat trage ich Verantwort­ung für meinen Landkreis, und in einer Demokratie wird es wohl noch erlaubt sein, seine Meinung zum Ausdruck zu bringen. Die Entwicklun­gen und Ereignisse in den letzten Tagen, Wochen und Monaten haben diese Befürchtun­gen mehr als bestätigt. O

50, ist seit 2014 Landrat in Landshut.

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Peter Dreier

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