Rieser Nachrichten

Ältester Häftling Bayerns vor Gericht

In Memmingen muss sich ein 89-Jähriger wegen Mordes verantwort­en. Er soll seinen Sohn erschossen und einen Verwandten verletzt haben. Doch der Rentner sagt, es war alles ganz anders

- VON MICHAEL MUNKLER

Wegen Mordes muss sich seit gestern vor dem Memminger Landgerich­t ein 89 Jahre alter Rentner verantwort­en. Er soll am 16. Februar vergangene­n Jahres auf seinen 65 Jahre alten Sohn und den 42-jährigen Ehemann seiner Enkelin geschossen haben. Tatort war die Garage des Angeklagte­n in Westerheim bei Memmingen (Landkreis Unterallgä­u), heißt es in der Anklagesch­rift. Der 42-Jährige überlebte wie durch ein Wunder, weil zwei Projektile von einem Autoschlüs­sel in seiner Hosentasch­e und von einem Handy abgefangen wurden. Der 65 Jahre alte Sohn des Angeklagte­n aber wurde durch einen Brustschus­s getötet. Der Rentner bestreitet die tödlichen Schüsse.

Dienstagmo­rgen im großen Sitzungssa­al des Memminger Landgerich­ts: Es ist kurz nach halb neun Uhr, als ein Mitarbeite­r des Roten Kreuzes den 89 Jahre alten Angeklagte­n im Rollstuhl hineinfähr­t. Da sitzt der derzeit älteste Gefangene Bayerns: in blauer Hose, grauem Sweatshirt und auf dem Kopf eine schwarze Mütze, die er sich tief ins Gesicht gezogen hat. Die Kappe soll sein Gesicht schützen vor dem Blitzlicht­gewitter der Fotografen und vor den laufenden Kameras. Nachdem der Vorsitzend­e Richter Jürgen Hasler die Sitzung begonnen hat, nimmt Strafverte­idigerin Anja Mack die Mütze vom Kopf ihres betagten Mandanten. Der Mann hat schütteres weißes Haar, er verzieht keine Miene. Vollkommen regungslos bleibt er auch, als die Staatsanwä­ltin die Anklage verliest.

Demnach wollten der 65-jährige Sohn des Angeklagte­n und der Ehemann der Enkelin am Nachmittag des Tattags wie vereinbart Reifen aus der Garage holen. Zum Streit kam es laut Anklage, als die Männer auch ein Schweißger­ät mitnehmen wollten. Daraufhin habe der Rentner die Schüsse abgegeben. Anschließe­nd soll es zu einem Gerangel ● In sind 156 Gefangene und Sicherungs­verwahrte zwischen 65 und 70 Jahre alt, 82 Häftlinge sind jenseits der 70. ● Der jetzt vor Gericht stehende Rent ner aus dem Unterallgä­u gilt mit 89 Jahren als ältester Untersuchu­ngs häftling im Freistaat. ● Ältere und pflegebedü­rftige Gefan gene werden häufig im zwischen dem Greis und dem 42-Jährigen gekommen sein. Dabei erlitt der 89-Jährige eine Wunde am Kopf. Der Mann seiner Enkelin war nach dem Vorfall monatelang nicht arbeitsfäh­ig, unter anderem wegen einer posttrauma­tischen Belastungs­störung. Der Rentner flüchtete nach der Familientr­agödie, wurde aber wenig später in einem Gebüsch auf dem Nachbargru­ndstück gefunden. Sein Sohn starb kurze Zeit später im Krankenhau­s.

Doch nachdem die Anklage vorgetrage­n ist, erhebt der alte Mann seine Stimme: „Es war alles ganz anders“, sagt er. Er habe zwar Schüsse abgegeben, auf den Mann seiner Enkelin aber nicht gezielt. Vielmehr sei er von diesem angegriffe­n und mit

Senioren in Haft

untergebra­cht. Auf der dortigen Krankensta­tion hielt sich auch der Rentner aus dem Unter allgäu auf. ● Anders als bei jüngeren Strafgefan genen spielt die bei Senioren im Gefängnis praktisch mehr. Viele ältere Gefangene haben mehr. (mun)

Newspapers in German

Newspapers from Germany