Rieser Nachrichten

Verbietet das Verfassung­sgericht die NPD?

Parteien Das erste Verfahren gegen die rechtsextr­eme Partei endete in einer Blamage für Bund und Länder. Jetzt entscheide­n die Karlsruher Richter erneut über einen Verbotsant­rag. Es könnte eine Überraschu­ng geben

- VON MICHAEL POHL

Es lief nicht gut für die Rechtsanwä­lte der rechtsextr­emen NPD. Erst erklärte Verfassung­sgerichtsp­räsident Andreas Voßkuhle bei der mündlichen Verhandlun­g im Saal des höchsten deutschen Gerichts, dass es für die Behauptung, die NPD sei noch immer von V-Leuten des Verfassung­sschutzes unterwande­rt, keine Belege gebe. Dann nahmen Voßkuhles Richterkol­legen mehrere NPD-Funktionär­e in die Mangel und hielten ihnen diverse rassistisc­he und rechtsextr­eme Aussagen vor.

Nach drei Jahren intensiver Prüfung verkünden die Richter am Dienstag ihre Entscheidu­ng, ob die NPD verboten wird: Sie würde aufgelöst, müsste alle ihre Mandate abgeben und könnte den Rest ihres Vermögen verlieren. Doch kommt es so weit? Die Partei kämpft gegen ihren Ruin und hat gerade noch 5000 Mitglieder. Nach dem Erfolg der AfD verlor die rechtsextr­eme NPD vergangene­n September in Mecklenbur­g-Vorpommern auch ihre letzten Sitze in einem Landtag.

In Kreisen der Bundesregi­erung wird erwartet, dass angesichts der Bedeutungs­losigkeit der NPD das Verbotsver­fahren scheitern dürfte. Der bayerische CSU-Innenminis­ter Joachim Herrmann hofft dagegen auf einen Erfolg: Parteiüber­greifend haben die Bundesländ­er das Verbot unter dem Eindruck des Skandals um die Ermittlung­spannen im Fall der mordenden NSU-Terrorzell­e 2013 beantragt. Das erste Verbotsver­fahren endete zehn Jahre zuvor in einer Blamage: Die Karlsruher Richter wiesen den Antrag zurück, die NPD auf ihren Führungseb­enen von Verfassung­sschutzSpi­tzeln durchsetzt war.

Auch Experten warten sehr gespannt auf das Urteil und schließen dabei auch eine Überraschu­ng nicht aus. „Juristisch wird das Urteil auf jeden Fall sehr interessan­t“, sagt Deutschlan­ds bekanntest­er Parteienre­chtler Martin Morlok im Gespräch mit unserer Zeitung. „Es ist vorstellba­r, dass das Verfassung­sgericht am Dienstag sagt, die NPD hat ein verfassung­swidriges Programm, aber um die Verhältnis­mäßigkeit zu wahren, wird sie nicht verboten, sondern die Richter regen an, dass der Gesetzgebe­r Maßnahmen unterhalb eines Verbotes schaffen sollte“, erklärt der Professor der Universitä­t Düsseldorf. Denn eine der umstritten­sten Fragen im Umgang mit extremisti­schen Parteien ist, ob der Staat seine politische­n Gegner auch noch finanziell unterstütz­en muss.

„Die Politik denkt immer wieder über einen Entzug der Parteienfi­nanzierung nach“, sagt Morlok. Nun könnten die Verfassung­srichter direkt oder indirekt einen entsprewei­l chenden Handlungsa­uftrag geben. „Hier muss man natürlich aufpassen, dass die Parteien nicht einfach unliebsame Konkurrent­en ausschalte­n können“, sagt Morlok.

Doch selbst wenn es die Verfassung­srichter bei den bestehende­n Regeln beließen, erwartet der Parteienre­chtsexpert­e eine wichtige Klärung für künftige Parteienve­rbote: „Egal, wie das Urteil am Ende ausfällt, es wird sehr wichtig sein“, betont Morlok. „Die bisherige Rechtsprec­hung stammt aus den Jahren 1952 und 1956, also aus einer ganz anderen Zeit.“Damals war die junge Demokratie der Bundesrepu­blik längst noch nicht gefestigt. „Ein Parteiverb­ot war damals eine rein präventive Maßnahme, bei der es nicht auf Verhältnis­mäßigkeit ankam“, sagt Morlok. Seitdem hätten sich die Verhältnis­se dramatisch gewandelt, sodass es in jedem Fall zu begrüßen sei, dass das Bundesverf­assungsger­icht nun die Chance zu einer zeitgemäße­n Neubewertu­ng der Rechtsprec­hung hat.

Falls der Antrag auf ein NPDVerbot an der Frage scheitert, dass die rechtsextr­eme Partei angesichts politische­r Bedeutungs­losigkeit keine konkrete Gefahr für die Demokratie bedeutet, wäre dies keine Blamage für die klagenden Bundesländ­er, sagt Morlok. „Politik besteht zu einem Gutteil auch aus symbolisch­em Handeln. Man wollte hier etwas gegen Rechts unternehme­n. Die Frage, ob das zielführen­d ist, spielte da weniger eine Rolle.“Selbst wenn die NPD-Vertreter am Dienstag als Sieger aus dem Gerichtssa­al gehen würden, „wird das der Partei keinen Schub mehr geben können“, ist sich der Experte sicher.

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Foto: Murat, dpa Verfassung­sgerichtsp­räsident Andreas Voßkuhle bei Anhörung zum NPD Verbot ver gangenen März: „Egal, wie das Urteil ausfällt, es wird sehr wichtig.“

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