Rieser Nachrichten

Polizei widerspric­ht sich selbst

In der Kölner Silvestern­acht wurden angeblich hunderte Nordafrika­ner gestoppt. Doch plötzlich gibt es Zweifel an der Geschichte

- Christoph Driessen, dpa

„Am HBF werden derzeit mehrere Hundert Nafris überprüft. Infos folgen.“Das twitterte die Kölner Polizei in der Silvestern­acht. Die Abkürzung „Nafri“für Nordafrika­ner wurde schon am nächsten Tag als abwertend kritisiert. Zwei Wochen später stellt sich plötzlich die Frage: Waren die aggressive­n jungen Männer mehrheitli­ch gar keine Nordafrika­ner? Polizeiprä­sident Jürgen Mathies hatte sich von der öffentlich­en Verwendung des Begriffs „Nafris“noch am Neujahrsta­g distanzier­t. Zugleich sagte er, die jungen Männer, die die Polizei am Hauptbahnh­of überprüft habe, seien ganz überwiegen­d Nordafrika­ner gewesen. Zwei Wochen später ergibt sich nun ein weniger eindeutige­s Bild.

Am Freitag gab die Polizei einen Zwischenst­and ihrer Ermittlung­en. Demnach kamen in der Silvestern­acht insgesamt etwa „2000 nordafrika­nisch beziehungs­weise arabisch aussehende junge Männer“zum Hauptbahnh­of und zum Deutzer Bahnhof. In 674 Fällen habe man mittlerwei­le gesicherte Personenda­ten, in 425 Fällen könne man etwas zur Nationalit­ät sagen. Von diesen 425 waren 99 Iraker, 94 Syrer, 48 Afghanen und 46 Deutsche. Gerade einmal 17 waren Marokkaner und 13 Algerier – also Nordafrika­ner.

Die restlichen Nationalit­äten wollten die Behörden nicht nennen. Nachdem die neuen Zahlen sofort einiges Aufsehen erregt hatten und die Debatte über den Einsatz von Neuem entfachte, ließ die Polizei am Nachmittag noch eine Pressemitt­eilung folgen, die neue Fragen aufwirft: „Die absolute Darstellun­g der Nationalit­äten in den Medien ist so nicht richtig“, stellte sie klar. In vielen Fällen blieben nach wie vor Zweifel an der Staatsange­hörigkeit. Bekannt sei schließlic­h, dass sich Nordafrika­ner oft als Kriegsflüc­htlinge aus Syrien ausgäben, um ihre Chancen auf Asyl zu erhöhen. „Es ist daher nicht auszuschli­eßen, dass sich unter den 425 Personen noch eine größere Anzahl nordafrika­nischer junger Männer befindet.“

Doch selbst wenn dem tatsächlic­h so sein sollte, in jedem Fall lässt sich wohl sagen: Der Anteil der Nordafrika­ner war deutlich kleiner als nach den ersten Polizeiang­aben über den Einsatz angenommen. Es ging also nicht ausschließ­lich um die berüchtigt­en „Nafris“. Mit diesem umstritten­en Kürzel hatte die Kölner Polizei intern Nordafrika­ner bezeichnet, die schon mehrfach durch Straftaten aufgefalle­n sind.

Rund um den Kölner Hauptbahnh­of und Dom stellen solche jungen Männer aus Marokko, Algerien oder Tunesien seit Jahren ein großes Problem dar. Viele von ihnen haben sich darauf spezialisi­ert, Touristen zu bestehlen. Auch die Verdächtig­en der katastroph­alen Silvestern­acht 2015/16 mit zahlreiche­n sexuellen Übergriffe­n auf Frauen und massenhaft­en Handy-Diebstähle­n waren überwiegen­d Nordafrika­ner. Dass die Polizei auch nach der jüngsten Silvestern­acht schon sehr schnell von Nordafrika­nern sprach,

Nur 17 Marokkaner und 13 Algerier identifizi­ert Polizei wollte einen alten Fehler nicht wiederhole­n

hatte möglicherw­eise auch damit zu tun, dass sie die Fehler des Vorjahres auf keinen Fall wiederhole­n wollte. Damals hatte sich die Polizei bei der Nationalit­ät der Verdächtig­en sehr lange bedeckt gehalten – und war gerade dafür massiv kritisiert worden.

Letztlich sei die Nationalit­ät aber doch gar nicht entscheide­nd, argumentie­rte am Freitag Polizeispr­echer Wolfgang Baldes. Für die Polizei sei etwas anderes wichtig gewesen: Die Männer, die vor Mitternach­t in großen Gruppen am Hauptbahnh­of eingetroff­en seien, seien „jung, aggressiv und alkoholisi­ert“gewesen. Nach diesem Kriterium habe man sie überprüft. Das Ergebnis sei ein sehr erfolgreic­her Einsatz gewesen – es gab nur wenige Anzeigen in dieser Nacht.

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Foto: Henning Kaiser, dpa Polizeiein­satz in der Kölner Silvester nacht.

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