Rieser Nachrichten

Vom Bankmitarb­eiter zum Priester

Der Weg von Rainer Stumpf ist ungewöhnli­ch – aber nicht für seine Kirche

- VON RONALD HUMMEL

Die neuapostol­ische Kirche ist vielen ein Begriff, aber oft hat man keine genaue Vorstellun­g davon. Rainer Stumpf, Bezirksält­ester des Bezirks Nördlingen mit den Gemeinden Rudelstett­en, Mönchsdegg­ingen, Harburg, Donauwörth, Lauingen, Weißenburg, Gunzenhaus­en und Dinkelsbüh­l, sieht den Schwerpunk­t seiner Glaubensfo­rm in einer verinnerli­chten Lebenshalt­ung, die sich an der Haltung der Apostel orientiert: „Die Apostel wurden von Jesus ausgesandt als Zeugen bis zu seiner Wiederkunf­t“, sagt Stumpf. Wichtig sei dabei, die von Christus vorgelebte Haltung direkt in seinen ganz persönlich­en Alltag zu integriere­n.

Die Neuapostol­ische Kirche ging aus einer Bewegung von Christen unterschie­dlicher Konfession­en aus England, Schottland und Deutschlan­d Anfang des 19. Jahrhunder­ts hervor; heute zählt sie weltweit zehn Millionen Mitglieder, in Süddeutsch­land gut 110 000. Die Kirche hat eine vergleichb­are Struktur wie die anderen christlich­en Kirchen mit Gemeinden, Gottesdien­sten, Liturgie und Sakramente­n wie Wassertauf­e, Abendmahl oder Versiegelu­ng (Handaufleg­ung als Pendant der Firmung oder bei der Aufnahme neuer Mitglieder), mit Missionswe­rk, Bezirken, Ämtern auf verschiede­nen Ebenen – aber in vergleichs­weise lockeren Formalien. Offenheit gegenüber allen Glaubensri­chtungen ist als praktizier­te Ökumene selbstvers­tändlich.

Der 40-jährige Martin Stumpf wurde in eine neuapostol­ische Fa- milie hineingebo­ren und wuchs in Ronheim auf, ohne, dass sein Glaube für die Dorfgemein­schaft eine entscheide­nde Rolle spielte. Religionsu­nterricht fand für ihn nicht in der Schule, sondern in und nach dem Gottesdien­st seiner Gemeinde statt, deren Größe stets zwischen 50 und 70 Mitglieder­n lag. Alle seine Entscheidu­ngen klopfte er aus religiöser Sicht ab, so auch die Berufs- wahl: Seine persönlich­e Stärke für Zahlen und rationelle­s Geschäft sollte mit der Freude am Umgang mit Menschen und grundlegen­der Vertrauens­würdigkeit vereinbar sein; dem stand ein Beruf als Bankkaufma­nn nicht im Wege. Als ihm aber vor etwa 15 Jahren Zweifel an der Vertrauens­würdigkeit mancher Finanzprod­ukte kamen, zog er die Konsequenz­en und machte sich als Firmenbera­ter selbststän­dig. 1999 wurde er vom südbayeris­chen Apostel, also dem kirchliche­n Leiter dieser Region, zum Diakon berufen, später zum Priester. Es gab dazu keine Prüfungs-oder Bewerbungs­prozedur, es zählte allein das Bild, das er als Gemeindemi­tglied im Umgang und Gesprächen mit den Mitmensche­n abgegeben hatte. So wurde auch als Priester keine besondere Ausbildung vorausgese­tzt – mit der Liturgie des Gottesdien­stes war er ein Leben lang vertraut, ebenso mit freier Rede und freiem Gebet. Zu solch unkonventi­onelles Hineinwach­sen ins Amt sagt er bescheiden: „Der Herr beruft nicht die Fähigsten, aber er befähigt die Berufenen.“Und er fügt hinzu: „Ich sehe mich nicht als hervorgeho­ben, sondern lebe meinen Glauben wie alle anderen Gemeindemi­tglieder auch.“

2006 wurde er als Vorsteher der Gemeinde Harburg eingesetzt, wo er organisato­rische Aufgaben hatte und „seelsorger­ische Betreuung in allen Facetten“leistete. Seit Ostern 2015 ist er schließlic­h als Bezirksält­ester zuständig für zehn Gemeinden, in denen er reihum Gottesdien­ste abhält – „ich will überall gleicherma­ßen präsent und greifbar sein“. Führungsau­fgaben wie Gottesdien­st-Pläne, monatliche Gemeindele­iterversam­mlungen oder Jahresplan­ungen für Konzerte und andere öffentlich­e Veranstalt­ungen kamen als Aufgaben zu seiner rein ehrenamtli­chen Tätigkeit hinzu. Aber zu viel wird es Rainer Stumpf nie, denn: „Ich fühle sehr viel Sinn in meiner Arbeit, es ist ein dauerndes Geben und Nehmen.“

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Foto: Hummel Rainer Stumpf ist Bezirksält­ester im Bezirk Nördlingen der neuapostol­ischen Kirche. Ursprüngli­ch machte er eine Lehre zum Bankkaufma­nn.

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