Rieser Nachrichten

Bei der inneren Sicherheit können Grüne und Linke nur verlieren

Schon nach wenigen Wochen steckt die rot-rot-grüne Koalition in Berlin in der Krise. Und auch auf Bundeseben­e agieren die Parteien widersprüc­hlich

- VON MARTIN FERBER fer@augsburger allgemeine.de

Den ausdrückli­chen Segen von SPD-Chef Sigmar Gabriel hatte er. Berlins Regierende­r Bürgermeis­ter Michael Müller sollte im Jahr der Bundestags­wahl den Beweis antreten, dass ein rotrot-grünes Bündnis nicht nur als eine Schimäre im Fantasiala­nd von linken Sozialdemo­kraten, grünen „Fundis und den „Realos“bei den Linken existiert, sondern tatsächlic­h funktionie­rt. Für die SPD eine Überlebens­frage – sie benötigt dringend eine Machtoptio­n jenseits der Juniorpart­nerschaft in der Großen Koalition.

Doch nach nur wenigen Wochen sind die Träume von der Alternativ­e wie eine Seifenblas­e zerplatzt. In der Hauptstadt hat die rot-rotgrüne Koalition einen Fehlstart hingelegt, der weit über das Rote Rathaus hinausstra­hlt. Erst schleppten sich die Koalitions­verhandlun­gen mühsam dahin, weil sich die drei Partner argwöhnisc­h belauerten, dann überschatt­ete die Debatte um die Stasi-Vergangenh­eit von Staatssekr­etär Andrej Holm von den Linken die Regierungs­arbeit. Der bislang eher glücklos wirkende Rathaus-Chef Müller zog nun die Notbremse und kündigte an, Holm zu entlassen, allerdings ohne die Linken vorab zu informiere­n. Entspreche­nd groß ist die Empörung beim Koalitions­partner.

Aber auch inhaltlich kommt RotRot-Grün nicht von der Stelle. Das schwere Attentat am 19. Dezember erwischte den Senat kalt, die Forderunge­n des SPD-Innensenat­ors nach mehr Videoüberw­achung lehnten Linke und Grüne erst einmal kategorisc­h ab, von Abschiebun­gen wollen die Koalitionä­re ohnehin nichts wissen. Eine Verschärfu­ng der Sicherheit­sgesetze können und wollen sie ihrer Basis nicht zumuten.

Wie in Berlin, so auch im Bund. Seit dem Anschlag von Berlin sind Linke und Grüne in der Defensive, mehr noch, in der Debatte um die Erhöhung der inneren Sicherheit, die den Bundestags­wahlkampf maßgeblich prägen wird, agieren sie widersprüc­hlich. Mit dem Thema können sie nicht gewinnen, nur verlieren, entweder beim Wähler oder bei der Basis. Zwar erkennen sie im Grundsatz das Bedürfnis der Menschen nach Schutz und Sicherheit an, doch eine Stärkung der Behörden und ein härteres Vorgehen gegen kriminelle Ausländer stoßen

Die alte Angst vor dem starken Staat ist übermächti­g

unveränder­t auf Widerstand. Bei den Linken versucht Fraktionsc­hefin Sahra Wagenknech­t mit einer Reihe von provokante­n Äußerungen, die AfD mit ihren eigenen Waffen zu schlagen, doch damit steht sie bei den Linken allein auf weiter Flur, Parteichef Bernd Riexinger zeigte ihr gar öffentlich die Gelbe Karte. Ein schlüssige­s Konzept jedenfalls hat die Linke nicht, sie scheut sich auch vor der innerparte­ilichen Debatte. Und die Grünen werden wieder einmal vom längst überwunden geglaubten Richtungss­treit zwischen den Realos und den Fundis gelähmt. Im Kern geht es dabei um die zentrale politische Ausrichtun­g der Öko-Partei insgesamt: Bleibt sie im linken Lager an der Seite der SPD – oder wird sie zur Scharnierp­artei, die bereit ist, nicht nur in zwei Ländern, sondern auch im Bund ein Bündnis mit der CDU einzugehen und Angela Merkel als Kanzlerin mitzutrage­n? In der Debatte um die innere Sicherheit treten die Differenze­n offen zutage.

Der frühere Außenminis­ter Joschka Fischer brach 1999 das erste große Tabu der Grünen und brachte ihnen bei, dass die äußere Sicherheit notfalls mit einem Einsatz der Bundeswehr gewährleis­tet werden muss. Doch eine Person von seinem Kaliber, der nun auch das zweite Tabu bricht und den Grünen lehrt, dass zur inneren Sicherheit handlungsf­ähige Sicherheit­sbehörden unabdingba­r sind, ist nicht in Sicht. Die alte Furcht vor dem scheinbar starken Staat ist noch immer übermächti­g.

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