Fall Amri beschäftigt Bundestag
Untersuchungsausschuss soll Behördenpannen aufarbeiten. Stand der Islamist beim Attentat unter Drogen?
Rund einen Monat nach dem Anschlag auf einen Berliner Weihnachtsmarkt werden sich in dieser Woche voraussichtlich mehrere Gremien des Bundestags mit dem Fall befassen. Das Parlamentarische Kontrollgremium und der Innenausschuss wollen die bisher bekannten Fakten analysieren. Davon werden immer mehr Details bekannt. So soll sich der Attentäter Anis Amri weitgehend als Dealer finanziert und auch selbst Drogen konsumiert haben. Das berichtete die Welt am
Sonntag unter Berufung auf den Sachstandsbericht für das Kontrollgremium.
Zur Aufklärung von Behördenpannen im Umgang mit dem als Gefährder bekannten Tunesier erwägen Union und SPD die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses im Bundestag. Amri hatte am 19. Dezember einen Lastwagen in einen Weihnachtsmarkt an der Berliner Gedächtniskirche gesteuert, zwölf Menschen getötet und mehr als 50 verletzt. Der Islamist wurde wenige Tage später bei einer Polizeikontrolle in Mailand erschossen.
Schon in seiner Heimat sei der 24-Jährige wegen Drogendelikten aufgefallen, berichtete die Welt am
Sonntag. Ermittler fragten sich, ob er bei dem Anschlag unter Drogeneinfluss gestanden habe. Amri war dem Bundesamt für Verfassungsschutz und dem Bundesnachrichtendienst als möglicher Gefährder bekannt, der jederzeit einen Anschlag in Deutschland verüben könnte. Ermittler waren dem Anhänger der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) vor seinem Anschlag über Monate hinweg deutschlandweit auf der Spur, wussten um seine Besuche in Salafisten-Moscheen und kannten den abgelehnten Asylbewerber unter mindestens 14 verschiedenen Namen. Eine geplante Ausweisung in sein Heimatland scheiterte allerdings an fehlenden Personalunterlagen aus Tunesien.
Die Spitze der Unionsfraktion will am Dienstag mit der SPD beraten, wie es mit der parlamentarischen Aufklärung im Fall Amri weitergehen soll. Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) und CSULandesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt wollen dann mit SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann über die weiteren Schritte zur notwendigen Aufarbeitung des Falles durch den Bundestag sprechen. Bundesinnenminister Thomas de Maizière unterstützt den Vorstoß. Er sei „sehr offen“für einen Untersuchungsausschuss, erklärte der CDU-Politiker am Sonntag. „Die Entscheidung über die Einsetzung sollte jetzt schnell fallen. Unsere chronologische Aufarbeitung der Vorgänge, die wir in Kürze vorlegen werden, wird eine gute Grundlage für die Arbeit des Ausschusses sein.“
De Maizière sagte zu, er werde „den Ausschuss mit voller Kraft unterstützen“. In den Unionskreisen hieß es, ein solcher Ausschuss sei vom Grundgesetz als Gremium zur Aufklärung schwerwiegender Sachverhalte, bei denen es um mögliches Behördenversagen gehe, vorgesehen. Oppermann äußerte sich offen für einen Untersuchungsausschuss, machte aber klar, dass er einen Sonderermittler für das wirksamere Instrument hält, um rasch Licht in den Fall zu bekommen.