Der unbeirrbare Schöngeist
Friedrich Hechelmann singt in seiner Kunst das Hohelied des Figurativen und Gegenständlichen. Viele seiner Gemälde illustrieren Bücher berühmter Autoren. Er selbst lebt und arbeitet an einem zauberhaften Ort
Vielleicht ist Friedrich Hechelmann ein paar Jahrhunderte zu spät geboren. Würde der Maler nicht viel besser in die Renaissance passen, jener von ihm so sehr verehrten Epoche, die aus dem Geist der Antike heraus eine neue Kunst gebar? Das Ideal der Schönheit, die natürliche Harmonie, das Wohlproportionierte jedenfalls reizen ihn am meisten. Man könnte sich ihn gut als Zeitgenossen von Leonardo da Vinci oder Michelangelo vorstellen.
Wer ihn im Schloss Isny besucht, wo er lebt, arbeitet und ausstellt, taucht in ein Zauberland ein, das nur von einem Träumer und Idealisten geschaffen worden sein kann. Davon zeugen die fantastischen Räumlichkeiten ebenso wie die Kunstwerke und die Repliken antiker Skulpturen. Dort trifft man auf einen, der in einer eigenen Welt lebt, der sich dem Konsumwahn bewusst verweigert, weder Führerschein noch Handy besitzt. Und der jeden Winter auf eine Insel im Atlantik flieht. Die Allgäuer Kälte und die erstarrte Natur behagen ihm nicht. Auf La Palma hingegen, der Insel des ewigen Frühlings, blüht alles. Dort lässt sich es für Hechelmann leben.
In den Sälen und Fluren des Schlosses ist ein Querschnitt seines Schaffens ausgestellt. Viele der Tafelbilder, die der Künstler für vierund fünfstellige Beträge verkauft, schuf er als Vorlagen für Bücher, die er illustrierte: Michael Endes „Momo“, Shakespeares „Sommernachtstraum“, Boccaccios „Decamerone“, Cornelia Funkes „Geisterritter“. Die größte Aufmerksamkeit erregte eine Künstlerbibel. Hechelmann schuf Gemälde mit Szenen, in denen Jesus auch mal als meditierender Buddhist erscheint. Sie zeigen, welch große Fantasie der malende Geschichtenerzähler besitzt. Wie in den meisten anderen Werken singt er auch hier das Hohelied auf die Schönheit der Natur. Ur-Wälder leuchten in sattem Grün, Flüsse stürzen in kaltem Blau-Weiß in geheimnisvolle Tiefen. Manche sagen, Hechelmann sei der letzte Romantiker. Das stimmt – und stimmt auch nicht. Der Maler, der in Wien bei einem Vertreter des „Fantastischen Realismus“studierte, ist vor allem ein glühender Verfechter des Figurativen und Gegenständlichen – auch wenn er gern surreale Welten komponiert.
Das Abstrakte erscheint ihm, dem Fan von Tolkiens Fantasy-Saga „Der Herr der Ringe“, viel zu belie- big. Mit seinen Motiven, seiner Malweise scheint er aus der Zeit gefallen zu sein. Logisch, dass er Experten und Publikum spaltet. Dem schmächtigen Mann mit dem weißen Vollbart, der sanften Stimme und der randlosen Brille ist das egal.
Der 68-Jährige hat in seinem Leben schon etliche Höhen und Tiefen durchschritten. Eine der größten Prüfungen musste er vor zehn Jahren bestehen, als sein Lebensgefährte und Manager Joseph Baschnegger starb. Jahrelang hatten sie auf einem idyllisch gelegenen Bauernhof in den Allgäuer Hügeln gelebt und gearbeitet. Vor zehn Jahren zogen die beiden ins Schloss Isny – in jene Stadt also, in der Hechelmann aufwuchs. Vom oberen Stock kann er hinüber auf die Altstadt schauen. „Dort“, sagt er und zeigt auf einen roten Giebel, „steht mein Elternhaus“. Die Hechelmanns waren Kaufleute, die zu Geld kamen.
1999 hatten Bürger das marode Schloss gekauft und in eine Stiftung überführt. Hechelmann und Baschnegger mieteten sich ein, renovierten es und machten daraus eine Kunsthalle. Im ersten Stock richtete Hechelmann sein Atelier ein, ein Raum mit vielen Fenstern und großen Musikboxen; Bach, Schubert oder Wagner begleiten ihn bei der Arbeit. Ein Stockwerk höher wohnt er. Dort liegt auch eine Woh- nung mit mehreren Zimmern, die staunen lässt. Abthaus wird sie genannt, weil dort einst der Chef der Reichsabtei residierte. Hier hat Hechelmann in mehrjähriger Arbeit ein wundersames, zauberhaftes Refugium geschaffen mit einer Fülle an alten Möbeln, Gemälden, Lüstern und Öfen. Wer über das knarzende Parkett schreitet, dem gehen schier die Augen über angesichts der opulenten Reminiszenzen an großbürgerliche Zeiten. Immer mehr Menschen wollen diesen Hort der 1000 Kostbarkeiten kennenlernen. Besonderes Schmuckstück ist das Mignon-Zimmer, das Besuchern ein visuelles Bad in Blautönen bereitet. Die Tapeten hat Hechelmann selbst bemalt; inspirieren ließ er sich von Goethes Mignon-Gedicht.
Jahrzehntelang hat Friedrich Hechelmann gemalt, gezeichnet, illustriert, Filme gemacht. Vor vier Jahren aber ging plötzlich nichts mehr. Er mochte keinen Pinsel, keinen Stift mehr in die Hand nehmen. Wollte sich nicht mehr an den Maltisch setzen, um Farben auf Papier und Holztafeln aufzutragen. Wer ihn nach Gründen für die Blockade fragt, erhält ausweichende Antworten. Sie hatte etwas mit seiner Gesundheit zu tun, sagt er. Im Rückblick bezeichnet er das Ereignis, das ihn aus der künstlerischen Spur warf, als Schicksal.
In seiner Not entschied er sich für einen Schnitt: Er wechselte das Arbeitsfeld. Der erfolgreiche Maler fing an, mit Ton zu modellieren und Bronzen zu fertigen. Nebenbei schrieb er einen Familienroman. Das Buch mit dem Titel „Manolito“soll im Herbst erscheinen, natürlich stammen die Illustrationen von ihm. Es sei ein modernes Märchen über den Zustand der Welt, die Gefährdung des Planeten und die Macht der Freundschaft, verrät Hechelmann.
Das dunkle Tal hat er hinter sich gelassen. Seiner Ansicht nach dürfe man sich nicht gegen das stellen, was einem das Leben zumutet. In einem Alter, in dem andere Menschen sich zur Ruhe setzen, hat der Künstler zu neuer schöpferischer Kraft gefunden. Er will weitermachen – egal ob malend, modellierend oder schreibend. „Man hat ja Verantwortung“, sagt er mit leiser Ironie in der Stimme. Er wird auch arbeiten, um die Schmerzen zu lindern, die das Leben ihm zumutet. Denn Friedrich Hechelmann ist überzeugt: „Kunst heilt auch.“