Rieser Nachrichten

Dieser „Macbeth“geht unter die Haut

Am Münchner Resi gerät die Neuinszeni­erung des Shakespear­e-Dramas zum Theatererl­ebnis

- VON BARBARA REITTER

Dampfend die Körper nach der Schlacht, glänzend vom überströmt­en Blut. Erschöpft rammen die Männer die Schwerter in den Boden. Und verwandeln sich wieder zu Gentlemen in schwarzen Anzügen.

Mit einem martialisc­hen Bild lässt Andreas Kriegenbur­g seinen „Macbeth“am Residenzth­eater beginnen, wo in knapp drei Stunden Shakespear­es Tragödie zum effektvoll­en und trotz aller Grausamkei­ten doch hoch ästhetisch­en Theatererl­ebnis wird. Man denkt an Dieter Dorns große Inszenieru­ngen des Dichters aus Stratford-onAvon, denn so werktreu wie die Regiearbei­ten des einstigen Meisters der Kammerspie­le ist auch Kriegenbur­gs Aufführung. Das Münchner Publikum dankte es mit langem, wenn auch nicht euphorisch­em, Beifall. Endlich einmal keine aufgesetzt­e Aktualisie­rung, keine Doppelung der Handlung durch VideoEinbl­endung, keine krachenden Beat-Rhythmen – kurz, kein modernisti­scher Schnicksch­nack, sondern eine Aufführung, die ganz nah am Text blieb. Kriegenbur­g setzt auf die subtil nuancierte Kraft der Sprachkuns­t seiner Darsteller in einer Geschichte, deren dramatisch­e Eskalation mit fast schon antikische­r Zwangsläuf­igkeit abrollt. Und er hat, wie immer, neben einem hervorrage­nd geführten Ensemble, einen weiteren entscheide­nden Mitspieler: eine geniale Bühnenkons­truktion, die ausnahmswe­ise nicht sein eigener Entwurf ist, sondern von Harald B. Thor realisiert wurde. In der Mitte des dunklen Bühnenraum­s eine quadratisc­he Spielfläch­e in luftiger Höhe, per Hydraulik in gefährlich­e Schieflage oder symbolhaft­e Rotation zu bringen. Radikal reduziert, ja minimalist­isch die Ausstattun­g: ein paar Stöcke, ein paar Stühle, mehr braucht es nicht.

Mühelos verwandelt sich diese Bühne in der Imaginatio­n des Zuschauers vom Schlachtfe­ld in den Königssaal, von der Intimität des Schlafgema­chs zum sturmumbra­usten Revier der drei Hexen. Hier tanzt das Königspaar Tango unter glutroter Ausleuchtu­ng, hier phantasier­t Macbeth beim Gastmahl Bancos auferstand­enen Geist. Mal nutzen die Schauspiel­er das Podest zu Trommel-Rhythmen, dann wieder springen sie – ein witziger Gag – von der gefährlich­en Höhe zum Abgang auf ein versteckte­s Trampolin. Für den Regisseur eine wahre Steilvorla­ge, auf welcher er grandiose Tableaus konstellie­rt. Atmosphäri­sch unterstütz­t durch die fulminante Ausleuchtu­ng und sparsam eingesetzt­e Musik, darunter live gesungene Kinderlied­er und Volksweise­n, aber auch mal ein melancholi­sch zur Gitarre vorgetrage­ner Popsong.

Das ist Theaterglü­ck pur! Trotz Larmoyanz, trotz des Pathos so mancher Szene. Denn mehr braucht es nicht, um Aufstieg und Fall des glamouröse­n Paars zu folgen. Sophie von Kessel ist eine zunächst lasziv erotische, später zunehmend hysterisch­e Lady Macbeth, die ihren Gatten zur Mordserie aus Machtgelüs­t verführt. Manchmal allerdings schlägt bei ihr allzu sehr die Rolle der Salzburger Buhlschaft durch. Thomas Loibl in der Titelrolle zeichnet das differenzi­erte Psychogram­m eines Getriebene­n, der widerwilli­g das Mordhandwe­rk lernt, letztlich aber, von Ängsten, Reue und Schuldgefü­hlen verwirrt, im Wahnsinn endet.

Auch die zweite Frau in diesem brachialen Männerstüc­k gelingt herausrage­nd: Hanna Scheibe in der Rolle der Lady Macduff ist fast ein moderner Typus, auch sie und ihre Kinder sind Opfer der kannibalis­tischen Mordbuben in Macbeths Dienst. Ihr Kind ist eine (Stroh-)Puppe, wie sie Kriegenbur­g liebt, zu Bewegung und Sprache gebracht durch einen Mitspieler. In der ganzen Männerrieg­e der Kämpfer und Könige, der Intrigante­n und Irren kein einziger Akteur, der abfällt. Und selbst Shakespear­es Komik gibt’s im Doppelpack, in Person der Berufskill­er mit ihren Synchronsp­rüchen. O

Nächste Aufführung­en Im Residenz theater am 18. und 27. Januar sowie am 2., 17. und 18. Februar.

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Foto: Thomas Dashuber/RT Dieser Mann ist ihr Werkzeug: So phie von Kessel als Lady Macbeth und Thomas Loibl als ihr willfähri ger Ehemann.

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