Dieser „Macbeth“geht unter die Haut
Am Münchner Resi gerät die Neuinszenierung des Shakespeare-Dramas zum Theatererlebnis
Dampfend die Körper nach der Schlacht, glänzend vom überströmten Blut. Erschöpft rammen die Männer die Schwerter in den Boden. Und verwandeln sich wieder zu Gentlemen in schwarzen Anzügen.
Mit einem martialischen Bild lässt Andreas Kriegenburg seinen „Macbeth“am Residenztheater beginnen, wo in knapp drei Stunden Shakespeares Tragödie zum effektvollen und trotz aller Grausamkeiten doch hoch ästhetischen Theatererlebnis wird. Man denkt an Dieter Dorns große Inszenierungen des Dichters aus Stratford-onAvon, denn so werktreu wie die Regiearbeiten des einstigen Meisters der Kammerspiele ist auch Kriegenburgs Aufführung. Das Münchner Publikum dankte es mit langem, wenn auch nicht euphorischem, Beifall. Endlich einmal keine aufgesetzte Aktualisierung, keine Doppelung der Handlung durch VideoEinblendung, keine krachenden Beat-Rhythmen – kurz, kein modernistischer Schnickschnack, sondern eine Aufführung, die ganz nah am Text blieb. Kriegenburg setzt auf die subtil nuancierte Kraft der Sprachkunst seiner Darsteller in einer Geschichte, deren dramatische Eskalation mit fast schon antikischer Zwangsläufigkeit abrollt. Und er hat, wie immer, neben einem hervorragend geführten Ensemble, einen weiteren entscheidenden Mitspieler: eine geniale Bühnenkonstruktion, die ausnahmsweise nicht sein eigener Entwurf ist, sondern von Harald B. Thor realisiert wurde. In der Mitte des dunklen Bühnenraums eine quadratische Spielfläche in luftiger Höhe, per Hydraulik in gefährliche Schieflage oder symbolhafte Rotation zu bringen. Radikal reduziert, ja minimalistisch die Ausstattung: ein paar Stöcke, ein paar Stühle, mehr braucht es nicht.
Mühelos verwandelt sich diese Bühne in der Imagination des Zuschauers vom Schlachtfeld in den Königssaal, von der Intimität des Schlafgemachs zum sturmumbrausten Revier der drei Hexen. Hier tanzt das Königspaar Tango unter glutroter Ausleuchtung, hier phantasiert Macbeth beim Gastmahl Bancos auferstandenen Geist. Mal nutzen die Schauspieler das Podest zu Trommel-Rhythmen, dann wieder springen sie – ein witziger Gag – von der gefährlichen Höhe zum Abgang auf ein verstecktes Trampolin. Für den Regisseur eine wahre Steilvorlage, auf welcher er grandiose Tableaus konstelliert. Atmosphärisch unterstützt durch die fulminante Ausleuchtung und sparsam eingesetzte Musik, darunter live gesungene Kinderlieder und Volksweisen, aber auch mal ein melancholisch zur Gitarre vorgetragener Popsong.
Das ist Theaterglück pur! Trotz Larmoyanz, trotz des Pathos so mancher Szene. Denn mehr braucht es nicht, um Aufstieg und Fall des glamourösen Paars zu folgen. Sophie von Kessel ist eine zunächst lasziv erotische, später zunehmend hysterische Lady Macbeth, die ihren Gatten zur Mordserie aus Machtgelüst verführt. Manchmal allerdings schlägt bei ihr allzu sehr die Rolle der Salzburger Buhlschaft durch. Thomas Loibl in der Titelrolle zeichnet das differenzierte Psychogramm eines Getriebenen, der widerwillig das Mordhandwerk lernt, letztlich aber, von Ängsten, Reue und Schuldgefühlen verwirrt, im Wahnsinn endet.
Auch die zweite Frau in diesem brachialen Männerstück gelingt herausragend: Hanna Scheibe in der Rolle der Lady Macduff ist fast ein moderner Typus, auch sie und ihre Kinder sind Opfer der kannibalistischen Mordbuben in Macbeths Dienst. Ihr Kind ist eine (Stroh-)Puppe, wie sie Kriegenburg liebt, zu Bewegung und Sprache gebracht durch einen Mitspieler. In der ganzen Männerriege der Kämpfer und Könige, der Intriganten und Irren kein einziger Akteur, der abfällt. Und selbst Shakespeares Komik gibt’s im Doppelpack, in Person der Berufskiller mit ihren Synchronsprüchen. O
Nächste Aufführungen Im Residenz theater am 18. und 27. Januar sowie am 2., 17. und 18. Februar.