Rieser Nachrichten

Ansteckung im Wartezimme­r?

In Arztpraxen wird derzeit viel geniest und gehustet. Für andere ein Grund zur Sorge

- VON ANGELA STOLL

Husten, Niesen, Räuspern: Wer in der Erkältungs­zeit das Wartezimme­r einer Hausarztpr­axis betritt, bekommt es mit der Angst zu tun. Inmitten schniefend­er Mitpatient­en möchte man am liebsten die Luft anhalten, um den Keimen zu entgehen. Wie berechtigt sind solche Sorgen? „Es gibt tatsächlic­h ein gewisses Ansteckung­srisiko, vor allem bei Erkältungs- und Durchfalle­rkrankunge­n. Besonders groß ist die Gefahr aber nicht“, sagt der Hygieneexp­erte Dr. Andreas Schwarzkop­f aus Aura an der Saale. „Man kann sich genauso gut im Zug oder in der Straßenbah­n etwas holen.“

Dennoch empfiehlt er, Vorsorgete­rmine möglichst nicht in die Erkältungs­saison zu legen. Wer dagegen bereits verschnupf­t ist, hat wenig zu befürchten: „Wenn man schon eine Viruserkra­nkung hat, arbeitet die körpereige­ne Abwehr bereits auf Hochtouren. Deshalb ist die Gefahr, dass man sich zusätzlich einen Infekt einhandelt, sehr gering“, erklärt der Mikrobiolo­ge. Auch das Risiko, sich in einer Praxis mit multiresis­tenten Keimen zu infizieren, hält er für minimal. Solche Keime sind in der Regel nur für schwer kranke Menschen, etwa Leukämie-Patienten, bedrohlich.

Besonders leicht stecken sich in Wartezimme­rn Kinder untereinan­der an. Kleine Kinder haben nämlich viel Speichelfl­uss und stecken gerne alle möglichen Gegenständ­e in den Mund, wie Dr. Brigitte Dietz, Sprecherin des Berufsverb­ands der Kinder- und Jugendärzt­e (BVKJ) Bayern, erklärt. Handelt es sich dabei um eine Erkältung, ist das ärgerlich, aber harmlos. In seltenen Fällen können solche Ansteckung­en jedoch schlimme Folgen haben: In Nordrhein-Westfalen starben zwei Kinder, die sich als Säuglinge offenbar im Wartezimme­r eines Kinderarzt­es mit Masern infiziert hatten, Jahre später an subakuter sklerosier­ender Panenzepha­litis (SSPE). Diese extrem seltene, aber tödliche Spätkompli­kation tritt vor allem bei Kindern auf, die in den ersten beiden Lebensjahr­en an Masern erkrankten. Wie der BVKJ berichtete, war damals ein Elfjährige­r mit unspezifis­chen Beschwerde­n in der Praxis und steckte mehrere Kinder, darunter die beiden Babys, an. Erst am darauffolg­enden Tag zeigte er die typischen Masernsymp­tome.

Wie bei allen Infektions­krankheite­n seien Masern bereits in der Inkubation­szeit ansteckend, erklärt Dietz. Solange Masern hierzuland­e nicht ausgerotte­t sind, sei es prinzipiel­l möglich, dass sich ein Kind in der Arztpraxis Masern holt. „Genau deshalb sollten Säuglinge so früh wie möglich geimpft werden und alle, die nach 1970 geboren sind, auf ihren Impfstatus überprüft und notfalls nachgeimpf­t werden“, betont die Kinderärzt­in aus Taufkirche­n.

Daneben gibt es weitere Krankheite­n, etwa Keuchhuste­n oder Windpocken, die für Babys und schwangere Mütter gefährlich sein können. „Es ist immer gut, wenn man getrennte Wartezimme­r hat“, sagt Dietz. So bieten manche Praxen ein Wartezimme­r für größere Kinder und eines für Säuglinge, andere bestellen gesunde und kranke Kinder zu unterschie­dlichen Zeiten ein.

Viele Infektions­krankheite­n – darunter Masern, Keuchhuste­n, Windpocken und grippale Infekte – werden per Tröpfcheni­nfektion, also durch Husten oder Niesen, übertragen. Manchmal reichen schon wenige Partikel in der Atemluft, um sich anzustecke­n. Am besten setzt man sich im Wartezimme­r so, dass man nicht angehustet wird – oder nimmt gleich im Gang Platz.

Es kann aber auch zu Kontaktinf­ektionen kommen, indem man eine mit Erregern behaftete Fläche berührt und sich dann an Mund, Nase oder Auge fasst. Neben Durchfalle­rkrankunge­n können auch Erkältunge­n auf diesem Wege übertragen werden. Davor schützt konsequent­e Handhygien­e: Optimal ist es, wenn man sich beim Betreten und Verlassen einer Arztpraxis die Hände desinfizie­rt. Dadurch trägt man keine Keime in die Praxisräum­e und nimmt auch keine mit heim. Wenn in einer Praxis kein Desinfekti­onsmittel bereit steht, sollten Patienten das Personal danach fragen.

In den Praxisräum­en können grundsätzl­ich an allen Oberfläche­n Keime siedeln, sei es anTürklink­en, Stuhllehne­n, Spielsache­n oder Zeitschrif­ten. Wie stark belastet die Flächen sind, hängt vom Material ab – Papier etwa trocknet viele Keime rasch aus. „Pech kann man aber immer haben“, sagt Dr. Ernst Tabori, ärztlicher Direktor des Deutschen Beratungsz­entrums für Hygiene in Freiburg. Daher ist es ratsam, so wenig wie möglich anzufassen und die Hände danach zu waschen.

Die Mitarbeite­r einer Praxis sind dazu verpflicht­et, auf Hygiene zu achten. Ansonsten sind aber auch kranke Patienten gefordert: Sie sollten bereits am Telefon Bescheid geben, wenn sie an Fieber, einem verdächtig­en Ausschlag oder Durchfall leiden. Dann können die Helferinne­n sie nämlich direkt ins Behandlung­szimmer schleusen. Und wer erkältet ist, sollte darauf achten, die Erreger möglichst nicht zu verteilen. Tabori betont: „Und wenn man eine Infektion hat, möglichst den direkten Kontakt zu anderen meiden. So lässt sich das Ansteckung­srisiko am besten verringern.“

Manchmal reichen schon wenige Partikel in der Luft

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Foto: imago Bergen Spielzeug, Zeitschrif­ten oder die Atemluft im Wartezimme­r ein Anste ckungsrisi­ko?

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