Rieser Nachrichten

Das Ende aller Süßigkeit

- VON ERICH PAWLU Zur Gefahr durch Zucker » redaktion@rieser nachrichte­n.de

Pest und Cholera haben ihre Schrecken verloren. Jetzt bedroht ein neuer Feind die Völker der Welt: Wissenscha­ftler sind dabei, den Zucker als aggressive­n Menschheit­svernichte­r zu entlarven. Aber weder die Sicherheit­spolitik noch die Medizin weiß, wie man den versüßten Anschlägen gegen unsere Gesundheit wirksam begegnen soll.

Notwendig ist auf jeden Fall eine neue Welle der Sprachrein­igung. Wer sich für die Beseitigun­g der Begriffe „Mohrenkopf“und „Zigeunersc­hnitzel“aus den Werken der Kunst und Weltlitera­tur einsetzt, muss jetzt auch die Streichung aller Verklärung­en zuckriger Süßigkeit fordern. Nicht länger darf man in Puccinis Oper „Tosca“den Maler Mario Cavaradoss­i die Zeilen „Vor Wonne sieh mich beben, / Süßes Leben!“singen lassen. Ersatzlos entfernt werden muss alle freche Süßholzras­pelei von Literaten, die zu freundscha­ftlichem Umgang mit Zucker auffordern wie beispielsw­eise Clemens Brentano in seinem Roman „Godwi“: „Ich achte nicht die Gefahr, nein! nur die Süßigkeit des Lebens.“

Schwerer zu beantworte­n ist für moderne Zensoren die Frage, ob eine Klabund-Zeile in der Gedichtsam­mlung „Der himmlische Vagant“gestrichen werden muss. Die gereimte Botschaft hat vielleicht deshalb eine Überlebens­chance, weil sie nicht nur den Zuckerfreu­nden, sondern auch der Touristikb­ranche gefällt. Sie lautet: „Wild und mild und bittersüß / Sind die Mädchen von Paris.“

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany