Misstöne schon vor der großen Party
Der künftige Präsident will nicht auf seine Kritiker zugehen. Um 18 Uhr unserer Zeit legt er den Amtseid ab
Die Zustimmungsraten sind im Keller, die Gesellschaft im eigenen Land ist gespalten, die westlichen Verbündeten sind geschockt: Wenn Donald Trump heute exakt um 12.00 Uhr mittags (18.00 Uhr MEZ) die Hand zum Amtseid als 45. Präsident der USA hebt, beginnt er seine Regierungszeit inmitten einer größtenteils selbst verschuldeten Serie von Streit und Zwietracht.
Auch mehr als zwei Monate nach der Wahl im November zweifeln Millionen Amerikaner an Trumps demokratischer Legitimation. Trump erhielt deutlich weniger Wählerstimmen als seine geschlagene Rivalin Hillary Clinton, profitierte aber von den Besonderheiten des US-Wahlsystems. Viele der rund 200 000 Demonstranten, die am Tag nach Trumps Vereidigung bei einem Protestmarsch in Washington erwartet werden, gehören der Bewegung „Nicht mein Präsident“an. Mehrere hunderttausend andere Amerikaner werden dagegen ihre Unterstützung für Trump bekunden.
So werden die Feierlichkeiten in Washington zu einem Abbild der Zerrissenheit des Landes. Rund 900 000 Menschen werden zur Vereidigungszeremonie erwartet. Der neue Präsident wird vor dem Kapitol seinen Amtseid leisten und dann an der Spitze einer Parade mit tausenden Teilnehmern zum Weißen Haus, seinem künftigen Amtssitz, ziehen. Am Abend feiert Washingtons Gesellschaft die Amtsübergabe bei mehreren Bällen.
Allerdings wollen rund 60 Politiker aus dem Kongress der Zeremonie demonstrativ fernbleiben. Dennoch gibt sich der neue Präsident keinerlei Mühe, auf seine innenpolitischen Kritiker zuzugehen. So griff er erneut den schwarzen Senator John Lewis an, der als Ikone der Bürgerrechtsbewegung gilt. Lewis will Trumps Vereidigung boykottieren und war deshalb bereits vor einigen Tagen zur Zielscheibe von Trumps Twitter-Attacken geworden.
Nicht nur schwarze Bürgerrechtler fühlen sich vor den Kopf gestoßen. Die amerikanischen Geheimdienste hat Trump gegen sich aufgebracht, indem er ihnen im Zusammenhang mit der Veröffentlichung eines angeblichen russischen Geheimdossiers Nazi-Methoden vorwarf. Laut einer Umfrage der
ist Trumps Zustimmungsrate bei den Wählern auf 40 Prozent gesunken. Der Immobilienmilliardär ist damit bei seinem Amtsantritt unbeliebter als alle Vorgänger in den zurückliegenden Jahrzehnten.
Trumps Prioritäten lösen schon jetzt Streit und Befürchtungen aus. Nach Einschätzung des überparteilichen Haushaltsbüros im Kongress könnten 18 Millionen Amerikaner innerhalb eines Jahres ihren Krankenversicherungsschutz verlieren, wenn Trump sein Ziel einer Streichung des Gesundheitssystems Obamacare durchsetzt. Hochrangige Politiker aus Trumps eigener republikanischer Partei kritisieren zudem den Kuschelkurs des neuen Präsidenten mit Russland. Der Historiker Allan Lichtman hält es sogar für möglich, dass gegen Trump ein Amtsenthebungsverfahren eingeleitet wird. Vorerst müssen sich Amerikaner wie der Rest der Welt jedoch auf die neue Ära einstellen.