Die „Helden von Bern“sind weg
Ein Unbekannter nimmt das Foto des Weltmeister-Teams mit Originalunterschriften aus einer Arztpraxis mit. Dort hing es jahrelang an der Wand. Die Polizei hat verschiedene Vermutungen
Die Wand zwischen den beiden Toilettentüren in der Praxis für Kieferchirurgie neben dem Klinikum Kempten wirkt fast anklagend leer. Vor einer Woche hing dort noch ein Foto des deutschen Teams der Fußballweltmeisterschaft 1954 mit den Unterschriften der „Helden von Bern“. Und auch eine persönliche Widmung des Trainers Sepp Herberger war darauf zu finden. Auf dieses Foto war Kieferchirurg Bernd Kramer besonders stolz – auch wenn er sich selbst nur als „normal begeisterten“Fußballfan bezeichnet. Vor zehn Jahren hatte er das Foto für etwa 420 Euro bei Ebay ersteigert. Für ihn ist es ein interessantes Liebhaberstück. „Weltmeisterschaften fand ich schon immer faszinierend“, sagt der 43-Jährige. Aber nun ist das Bild weg.
Die Polizei Kempten verfolgt jetzt zwei Ermittlungsansätze. Entweder sei der Dieb jemand, der den ideellen Wert des Bildes zu schätzen weiß und das Bild behalten möchte. Ein klassischer Sammler. „Dann wird die Tatklärung natürlich sehr schwer“, sagt Hans Willbold von der Polizei Kempten. Oder der Dieb sei jemand, der den Geldwert des Fotos sieht und es verkaufen möchte. „Nach diesem Ansatz werden wir schauen, ob das Bild in Kleinanzeigenportalen auftaucht.“Die Po- lizei schätzt den Wert des Fotos auf 1000 Euro.
Da viele Patienten während der Öffnungszeiten Zugang zum Ärztehaus haben, sei der Fall nicht einfach zu klären. Die Polizei Kempten ist daher auf Zeugenhinweise angewiesen. Die gibt es bislang aber nicht. Das Bild ist mit seinem Format von 23 auf 42 Zentimetern zwar nicht gerade klein. „Im Winter lässt sich das aber leicht unter einer Jacke oder einem Mantel verbergen“, sagt Willbold.
Fußballfan Armin Klughammer kann absolut nachvollziehen, dass ● Die deutsche Fußballnational mannschaft landete bei der
in der Schweiz einen Überraschungssieg. ● Der Sieg mit
und Mannschaftskapi tän Fritz Walter ging als „Das Wunder von Bern“in die Ge schichte ein. ● Das gegen das favori sierte Ungarn endete mit einem 3:2 Sieg für Deutschland. ● der Nationalelf: Anton Tu rek, Josef Posipal, Werner Kohl meyer, Horst Eckel, Werner Liebrich, Karl Mai, Helmut Rahn, Max Morlock, Ottmar Walter, Fritz Walter, Hans Schäfer. (AZ) der Verlust eines solchen Bildes äußerst ärgerlich ist. Er ist seit 45 Jahren Mitarbeiter beim Bayerischen Fußball-Verband – und besitzt ein ganz ähnliches Foto der „Helden von Bern“. Der gebürtige Mindelheimer verfolgte die Weltmeisterschaft 1954 zusammen mit seinem Vater in der Schweiz. Nach dem 6:1-Halbfinalsieg Deutschlands gegen Österreich schoss der damals 18-Jährige ein Foto der Nationalelf und sammelte die Unterschriften der Spieler sowie des Trainers Sepp Herberger. Nur wenige Tage später wurde die Mannschaft Weltmeister. Der ideelle Wert eines solchen Fotos sei erheblich. „Das ist unwiederbringlich“, sagt der 80-Jährige. „Unter Sportkameraden ist das unbezahlbar.“
Die Kombination aus Arztpraxen und persönlich gewidmeten Sportlerfotos ist offenbar nicht ungewöhnlich. Sportmediziner Peter Gleichsner beispielsweise betreut seit 40 Jahren die Eishockey-Mannschaft in Kaufbeuren. Auch seine Praxis zieren signierte Mannschaftsfotos. „Ich bin nicht nur Mannschaftsarzt, sondern auch jahrelanger Fan des ESV Kaufbeuren. Die Bilder haben daher einen hohen persönlichen Wert für mich“, sagt Gleichsner. In der Praxis für Orthopädie, Unfall- und Handchirurgie des Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) in Oberstdorf hängen ebenfalls viele unterschriebene Fotos mit persönlichen Widmungen von namhaften Wintersportlern – wie zum Beispiel Maria HöflRiesch. Die Ärzte betreuen dort unter anderem die Sportler des Deutschen Skiverbands und auch die Eiskunstläufer. Weggekommen sei dort aber noch nie etwas.
Bernd Kramer findet den Verlust seiner „Helden von Bern“sehr ärgerlich. Er hofft auf ein schlechtes Gewissen des Diebes. „Er darf das Foto gern anonym zurückschicken“, sagt Kramer. Als Ersatz werde er nun erst mal diesen Zeitungsartikel an die Wand hängen.
Die Helden von Bern