Welcome, Mr. President!
Heute wird Donald Trump in sein Amt eingeführt. Er könnte es verändern. Wie das Bild, das Kino und Fernsehen vom „mächtigsten Mann der Welt“zeichnen. Warum Präsidenten in den USA eine große Rolle in Filmen oder Serien spielen
In „Deep Impact“regierte schon 1998 ein Schwarzer Deutsche Produktionen wurden schnell vergessen
Es ist nicht lange her, da hätte man einem Drehbuchschreiber einer Polit-Serie diese Geschichte um die Ohren gehauen: Glaubt doch keiner!
Also: Ein Immobilienmilliardär mit großer Klappe und noch größerem Ego, einer Schwäche für Models und alles was glänzt, will Präsident der Vereinigten Staaten werden. Er gilt als Witzfigur, alleine wegen seiner Frisur. Und auch seine Zweitkarriere im Fernsehen wird jäh beendet: Weil er Einwanderer aus Mexiko beleidigt, schmeißt ihn sein Sender nach elf Jahren raus. Der Milliardär moderierte eine Reality-Show, in der die Kandidaten um einen Job bei ihm kämpften.
Die Geschichte aber ist wahr, Donald Trump legt heute seinen Amtseid als 45. US-Präsident ab. Stranger than fiction. Ja, die Wahrheit ist oft sonderbarer als jede erfundene Geschichte. Und solche gibt es in den USA zuhauf. Auch weil seit den Anfängen der Filmindustrie eine enge Beziehung zwischen Hollywood und der Politik bestand. Zum Nutzen beider. Hollywood bekommt von der Politik unter anderem Filmstoffe, die Politik von Hollywood eine Bühne. Die Inszenierung von Macht haben sie ebenso gemeinsam wie das Bestreben, von der je anderen Seite zu profitieren.
„Showbiz Politics“, Showgeschäft Politik, nannte die US-Historikerin Kathryn Cramer Brownell ihr Buch über die Verbindungen und wechselseitigen Beeinflussun- gen, die allerspätestens mit der Wahl des Ex-Schauspielers Ronald Reagan 1981 zum 40. Präsidenten der USA augenfällig wurden.
Der amerikanische Präsident spielt eine große Rolle im US-Kino und -Fernsehen. Als Mächtiger, als (tragischer) Held, als Identifikationsfigur oder Projektionsfläche. Dazu genügt ein Blick in die Internet-Filmdatenbank „IMDb“oder ins Internetlexikon Wikipedia. In dem kann man sich durch eine lange und dennoch unvollständige Liste mit Schauspielern und Schauspielerinnen scrollen, die schon einmal den US-Präsidenten darstellten. Oder eben die US-Präsidentin.
Der oder die kommt vielgestaltig daher. In der Netflix-Serie „House of Cards“(seit 2013) ist er ein Widerling, im Action-Spektakel „Air Force One“(1997) ein bewundernswerter Draufgänger und in der Sitcom „Hier kommt Bush!“(2001) ein Trottel. Mal ist er vielschichtig wie in der Serie „The West Wing“(1999–2006), mal Hauptfigur eines Horrorfilms wie in „Abraham Lincoln Vampirjäger“(2012). Mit Außerirdischen oder Naturkatastrophen nimmt er es natürlich auch auf wie in „Mars Attacks!“(1996) oder „Deep Impact“. In „Deep Impact“aus dem Jahr 1998 ist der Präsident sogar ein Schwarzer. Was erst mit Barack Obama 2009 Realität wurde.
Der Filmwissenschaftler Gregory Frame schreibt in einer Studie, dass die Präsidenten-Figur seit den 90er Jahren allgegenwärtig und zu einer Art visuellem Wegwerfartikel geworden sei – während man früher das Amt des US-Präsidenten in Film und Fernsehen eher ehrfürchtig behandelt habe. In den 90ern beginne sich das gezeigte Bild der US-Präsidentschaft deutlich zu wandeln.
US-Präsidenten würden, so Frame, personalisierter dargestellt, aber auch unsicherer. Geprägt sei das Bild maßgeblich durch die realen Präsidenten Bill Clinton (1993– 2001) und George W. Bush (2001– 2009), den Zusammenbruch der Sowjetunion, die Affäre Clintons mit einer Praktikantin oder die Anschläge vom 11. September 2001.
Trump könnte das Bild abermals verändern. Wie genau? Abwarten. Schon während des Wahlkampfs arbeiteten Serienmacher an Figuren, die ihn zum Vorbild hatten. Im Sommer berichtete Deutschlandradio
Kultur, dass die fluchende Selina Meyer (Julia Louis-Dreyfus) aus der
HBO-Serie „Veep“(seit 2012) für Kritiker als satirisch überzeichnete Prophezeiung einer möglichen Trump-Präsidentschaft gelte. „Als die Serie begann, war es eine Satire auf den Politikbetrieb“, wird LouisDreyfus zitiert. „Jetzt ist sie eher eine traurige Doku. Wenn wir Trumps Aussagen in unser Skript aufnehmen würden, dann würde uns HBO das sofort streichen.“
In „Veep“schafft Meyer den Aufstieg von der Vizepräsidentin zur Präsidentin. Das gelingt auch Geena Davis als Mackenzie Allen in der Serie „Welcome, Mrs. President“(Originaltitel „Commander in Chief“, 2005/2006). In der Fiktion haben die USA eine Präsidentin – in der Realität wurde daraus bekanntlich nichts nach dem Wahlsieg Donald Trumps über Hillary Clinton.
Dass die fiktiven Präsidenten durchaus Einfluss haben, zeigen US-Studien. Polit-Serien zum Beispiel „beeinflussen empirischen Forschungen zufolge die politische Agenda, den öffentlichen Themenhaushalt der Gesellschaft, aber auch Wahrnehmungen, Vorstellungen und Einstellungen“, hat Andreas Dörner festgestellt. Dem Medienwissenschaftler von der PhilippsUniversität Marburg zufolge kann das Image des realen Präsidenten vom Idealismus einer fiktionalen Figur profitieren. Oder umgekehrt.
Besonders angetan haben es Filmemachern in jüngerer Zeit Abraham Lincoln und Richard Nixon. Nachdem Starregisseur Oliver Stone und Hauptdarsteller Anthony Hopkins den 1974 wegen der WatergateAffäre Zurückgetretenen 1995 in „Nixon“porträtiert hatten, ging es etwa 2008 in „Frost/Nixon“um ein legendäres Interview. Das hatte der britische Journalist David Frost 1977 mit dem Präsidenten geführt.
Im 2016 gedrehten Drama „Elvis & Nixon“wird ein Treffen zwischen dem von Kevin Spacey verkörperten Präsidenten und Rockstar Elvis Presley 1970 im Weißen Haus zum Filmstoff. Mal wieder Kevin Spacey – in „House of Cards“spielt der ja einen US-Präsidenten namens Frank Underwood. Lincoln wiederum kommt auf hunderte Einträge seit 1911 in der Filmdatenbank „IMDb“. Daniel Day-Lewis erhielt für seinen Lincoln 2013 den Oscar.
Unvergessen blieb Kritikern wie Zuschauern auch Michael Douglas, der in der Liebeskomödie „Hallo, Mr. President“von 1995 ein verwitwetes Staatsoberhaupt war. Schnell vergessen wurden dagegen die im Vergleich zu den USA raren deutschen Film- und TV-Produktionen, in denen Bundeskanzler oder Bundespräsidenten eine Rolle spielten.
Ambitionierte Polit-Serien wie „Kanzleramt“(2005) oder „Die Stadt und die Macht“(2016) floppten. Sie waren zu bieder, zu wenig hinter- oder abgründig, zu durchschaubar. Hinzu kommt wohl, dass die Deutschen „mit den realen Verhältnissen vollauf bedient“zu sein scheinen, wie ein Kritiker meinte.
Ganz anders die USA, wo nicht nur die Polit-Serie boomt. Über Donald Trumps Vorgänger Barack Obama gibt es bereits zwei Spielfilme zu dessen frühen Jahren. Trump selbst war übrigens schon im Jahr 2000 US-Präsident: in einer Folge von „The Simpsons“. In der wird er in einem Traum als der Vorgänger von Lisa Simpson erwähnt, der die USA in die Pleite getrieben habe. O
TV Tipp ProSieben zeigt die „Simpsons“Folge aus dem Jahr 2000 am heutigen Freitag um 18.40 Uhr.