Rieser Nachrichten

Dem Ries droht ein Hausärztem­angel

Noch ist die Region gut versorgt, auch wenn die Verteilung sich auf die Städte konzentrie­rt. Weil sich aber für Praxen keine Nachfolger finden, könnte es bald Probleme geben

- VON RENÉ LAUER

Seit mehr als zwei Jahren ist Dr. Fritz Meyer auf der Suche. Er probiert es im Internet, in Zeitschrif­ten, über persönlich­e Kontakte, hat sogar schon die Stadtverwa­ltung um Hilfe gebeten. Zwecklos. Der Oettinger Hausarzt sucht einen Nachfolger für die Praxis, die er gemeinsam mit seinem Zwillingsb­ruder führt. Ihm war bewusst, dass es dauern würde, jemanden zu finden. Nicht ohne Grund habe er sich schon mehr als vier Jahre vor Erreichen des regulären Rentenalte­rs Gedanken gemacht, wer seine Patienten in Zukunft versorgen soll. Meyer ist jetzt 63 Jahre alt. „Zu sagen, es wäre nicht leicht, einen Nachfolger zu finden, wäre gewaltig untertrieb­en“, klagt der Arzt.

Vor gut einer Woche gab die bayerische Landesärzt­ekammer bekannt, dass sich im Freistaat 62 000 Mediziner niedergela­ssen haben – mehr als je zuvor. Trotzdem ist die Nachfrage nach Hausarztpr­axen, gerade in ländlichen Regionen, extrem gering, stellt Meyer fest. „Die jungen Ärzte, mit denen ich gesprochen habe, wollen sich vielleicht in München oder in Nürnberg niederlass­en, aber nicht im Ries.“

Generell würden junge Medizinstu­denten heute ohnehin dazu tendieren, Facharzt zu werden, glaubt Dr. Claudia Völkl. Das liege laut der Nördlinger Allgemeinä­rztin und Delegierte­n des Hausärztev­erbandes auch daran, dass die Hausarzttä­tigkeit in Medizinerk­reisen nicht so hoch angesehen wird.

Völkl beobachtet die medizinisc­he Versorgung im Ries genau. „Es zeichnet sich ab, dass es Probleme geben wird“, sagt sie. Die meisten ihrer Kollegen in der Region hätten schon ein fortgeschr­ittenes Alter erreicht. Viele stünden kurz vor dem Rentenalte­r, so wie Fritz Meyer und sein Bruder in Oettingen. Doch nicht alle Ärzte machen sich jetzt schon so viele Gedanken über eine mögliche Nachfolge.

Das Durchschni­ttsalter der Rieser Ärzte ist hoch

Auf dem Papier ist das Ries nicht nur gut, sondern sogar mit Hausärzten „überversor­gt“. Pro 1671 Einwohner veranschla­gt das Bundesgesu­ndheitsmin­isterium für seine Bedarfspla­nung einen Allgemeinm­ediziner. Der Einteilung des Ministeriu­ms nach besteht der Landkreis Donau-Ries aus vier Bereichen: Einer ist der Raum Nördlingen. Der Bedarf an Ärzten ist hier mit 110,8 Prozent bestens gedeckt. Die Bereiche Donauwörth Nord (105,1 Prozent), Donauwörth Süd (110,1 Prozent) und Oettingen (108,5 Prozent) haben ebenfalls mehr Hausärzte als laut Planung nötig. Doch die Zahlen sind mit Vorsicht zu behandeln.

„Auch wenn die Versorgung jetzt mehr als ausreichen­d zu sein scheint, kann man schnell in einen hineinruts­chen“, sagt Birgit Grain von der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g Bayern. Denn das Durchschni­ttsalter der Rieser Allgemeinm­ediziner liegt über dem bayernweit­en Wert – im Bereich Nördlingen etwa bei 56,4 Jahren. Auch im Teilgebiet Donauwörth Nord könnte es bald zu Versorgung­sengpässen kommen: 50 Prozent der Hausärzte sind hier älter als 60 Jahre. „Die besondere Herausford­erung liegt darin, die Situation zu meistern, wenn mehrere Ärzte in kurzer Zeit in Ruhestand gehen“, erklärt Grain. Solange ein Bereich als überversor­gt gilt (ab 110 Prozent des gedeckten Bedarfs), dürfen sich keine zusätzlich­en Allgemeinm­ediziner dort niederlass­en. Bestehende Praxen können allerdings übernommen werden, sobald sie frei sind.

Dass alle Ärzte, die in der Region bald in Ruhestand gehen, zeitnah ersetzt werden können, glaubt Claudia Völkl nicht. Für die Patienten sei das eine besonders schwierige Situation. „Wenn sie im Ries einen neuen Hausarzt finden wollen, müssen sie jetzt schon regelrecht betteln geMangel hen“, sagt Völkl. Wie viele ihrer Kollegen arbeite auch sie bereits an der Kapazitäts­grenze und könne in ihrer Praxis keine neuen Patienten mehr aufnehmen. Gerade Rieser, die in kleineren Gemeinden wohnen, finden nicht immer einen Platz in einer Praxis in ihrer Nähe.

Fritz Meyer hofft, seinen Patienten die Mühen eines Hausarztwe­chsels ersparen zu können. Einen kleinen Hoffnungss­chimmer gibt es für ihn: Er hat seit Kurzem Kontakt zu einer Ärztin, die Interesse hat, seine Praxis eventuell zu übernehmen.

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Im Schnitt ist das Ries mit Allgemeinm­edizinern sogar überversor­gt. 110,8 Prozent des Hausarztbe­darfs sind laut Kassenärzt­licher Vereinigun­g Bayern im Bereich Nördlingen gedeckt. Aber es gibt nicht in jeder größeren Gemeinde genügend Ärzte.

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