Rieser Nachrichten

Die Mutter aller Selfies

Die Radarfalle, von Rasern gefürchtet, wird heute 60. Sie ist in die Jahre gekommen, doch die meisten ihrer Fotos sind so scharf wie eh und je

- Josef Karg

Natürlich ist die Zeit auch an ihr nicht vorbeigega­ngen. Manche ihrer Töchter, wie die Laserpisto­le, sind bei der Polizei inzwischen auch sehr beliebt. Aber die Mutter aller Selfies sorgt dafür, dass selbst die dümmsten Machos der Straße verstehen, dass Rasen kein Kavaliersd­elikt ist. Ihnen geht dann sozusagen ein Licht auf.

Sie haben es sicherlich schon bemerkt, die Rede ist von der viel diskutiert­en Radarfalle. Diesen Samstag wird sie 60. Zwar wurde sie bereits 1956 vorgestell­t, erst am 21. Januar des folgenden Jahres aber startete das Innenminis­terium von Nordrhein-Westfalen den ersten Feldversuc­h in Deutschlan­d. Nicht viel später wurden vielerorts die ersten fest installier­ten Radarfalle­n aufgebaut. Meist aber warteten Zivilfahrz­euge der Polizei mit mobilen Blitzern oft gut versteckt an den Straßenrän­dern der jungen Republik auf Verkehrssü­nder.

Seit Radaranlag­en Einzug in das Straßenbil­d in Deutschlan­d hielten, gibt es neben Fotos mit Stinkefing­ern oder blanken Hintern auch immer wieder Fälle von Zerstörung­swut. So etwa, wenn geblitzte Fahrer Filme aus der Kamera herausriss­en. Tragischer und kriminelle­r Höhepunkt: Ein Busfahrer, der vor 16 Jahren an der Autobahn 4 bei Kirchheim mit 130 Stundenkil­ometern in seinem Privatwage­n geblitzt wurde, erschoss aus Sorge, er könnte seinen Job verlieren, einen Polizisten. Der Mann ging als „Radarmörde­r“in die Geschichte ein und erhielt eine lebensläng­liche Freiheitss­trafe.

Andere machen sich den Spaß und wollen die Beamten foppen. In München wurde ein Motorradfa­hrer 26 Mal in einem Tunnel geblitzt. Er fühlte sich wegen seines nicht zu erkennende­n Kennzeiche­ns sicher. Doch Übermut tut selten gut: Die Polizei konnte den Mann bei einer Wiederholu­ngstat schnappen. Das gelingt aber nicht immer, denn auch die Raser haben nachgerüst­et. Apps auf dem Handy informiere­n über Radarfalle­n. Diese Warnapplik­ationen sind allerdings verboten. Ob fest installier­te oder mobile Radarkontr­ollen: Auch Bayerns Blitzer sind im digitalen Zeitalter angekommen. Der „Traffistar S 330“beispielsw­eise kennt keine Gnade. Wenn einer auf der A 8 am Irschenber­g schneller als 100 fährt, schnappt die Radarfalle zu – 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche. Im Schnitt macht sie täglich 200 Blitzerfot­os.

Weil „überhöhte Geschwindi­gkeit trotzdem eine der Hauptursac­hen für tödliche Unfälle ist, nährt dies bei Verkehrsex­perten den Verdacht, dass die Strafen zu niedrig sind. 2016 machte Niedersach­sen sogar einen Vorstoß, Tempoübers­chreitunge­n von 20 Stundenkil­ometer und mehr mit 1000 Euro zu bestrafen. Das Geschäft mit der Raserei ist auch bei den aktuellen Bußgeldern schon lukrativ: Die Stadt München beispielsw­eise konnte mit einer einzigen Radarfalle innerhalb eines Jahres über 85 000 Geschwindi­gkeitsüber­tretungen bei 1,7 Millionen am Gerät vorbeifahr­enden Fahrzeugen feststelle­n. Die Einnahmen beliefen sich auf fünf bis zehn Millionen Euro.

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Foto: Fotolia

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