Rieser Nachrichten

Wie viel NPD ist in der AfD?

Stück für Stück rückt die Partei von Frauke Petry und Björn Höcke nach rechts. Mit gezielten Tabubrüche­n und Provokatio­nen will man Aufmerksam­keit gewinnen

- VON MARTIN FERBER Spiegel. Tagesspieg­el.

Für Bernd Lucke, den Gründer und ersten Vorsitzend­en der AfD, war die Sache einst klar. Mit Rechtsradi­kalen wollte der wirtschaft­sliberale und eurokritis­che Professor nichts zu tun haben. So sorgte er dafür, dass sich die AfD nach ihrem Einzug ins Europaparl­ament nicht der ENF-Fraktion der erklärten Europafein­de anschloss und kein Bündnis mit dem französisc­hen „Front National“, der britischen „Ukip“, der niederländ­ischen Freiheitsp­artei oder der FPÖ einging, sondern eine Fraktion mit den Euroskepti­kern um die britischen Torys bildete.

Und auch seine Nachfolger­in, Frauke Petry, distanzier­te sich anfangs von den rechtsradi­kalen Kräften in den Reihen ihrer Partei und wollte von einer Zusammenar­beit mit dem Front National und Marine Le Pen nichts wissen. „Mit dieser Partei hat die AfD nichts gemeinsam“, sagte sie nach ihrer Wahl im Sommer 2015, die AfD stehe „für mehr Freiheit und Eigenveran­twortung“und nicht „für mehr Staat und weitere Umverteilu­ng“wie der FN, der aus ihrer Sicht eher eine „sozialisti­sche Partei“sei.

Am heutigen Samstag aber endet diese selbstaufe­rlegte Distanzier­ung der AfD von den radikalen Rechts- populisten. Bei einer Tagung der Europafein­de im Europaparl­ament in der Koblenzer Rhein-Mosel-Halle treten erstmals AfD-Chefin Frauke Petry und Marine Le Pen gemeinsam auf, laut Tagesordnu­ng werden auch der Niederländ­er Geert Wilders sowie Lega-NordChef Matteo Salvani zu den rund 1000 Gästen sprechen. Initiator der Veranstalt­ung ist ausgerechn­et Petrys Ehemann Marcus Pretzell, Chef des nordrhein-westfälisc­hen AfDLandesv­erbandes.

Für Parteien- und Extremismu­sforscher, die die AfD schon seit längerem im Blick haben, kommt diese Entwicklun­g nicht überrasche­nd. Stück für Stück rücke die Partei nach rechts und nähere sich immer weiter in Ideologie, Programmat­ik und Wortwahl den anderen europäisch­en Rechtsauße­n-Parteien an. Die AfD habe sich „als Sammelbeck­en für diverse rechte und rechtsextr­eme Strömungen“etabliert, heißt es etwa im Jahresberi­cht 2016 der „Mobilen Beratung gegen Rechtsextr­emismus Berlin“. Eine Befragung des Meinungsfo­rschungsin­stituts Infratest-dimap ergab, dass bei den Fragen nach der Befürwortu­ng einer rechtsauto­ritären Diktatur, Chauvinism­us, Ausländerf­eindlichke­it, Antisemiti­smus, Sozialdarw­inismus und Verharmlos­ung des Nationalso­zialismus die Wähler der AfD in der Summe erheblich weiter rechts stehen als die aller anderen Parteien. Der Berliner Politikwis­senschaftl­er Richard Stöss nennt die AfD eine „nationalko­nservative Partei mit Brücken zum Rechtsextr­emismus hin“.

Dazu gehören auch die gezielten Provokatio­nen und inszeniert­en Tabubrüche führender AfD-Funktionär­e, mit denen die Radikalisi­erung der Partei weiter vorangetri­eben wird – eine Methode, mit der einst Jörg Haider die FPÖ in Österreich stark machte. Dahinter steckt System. Erst im Dezember beschloss die AfD-Spitze ein Strategiep­apier für den Bundestags­wahlkampf. Mit „sorgfältig geplanten Provokatio­nen“wolle man die anderen Parteien zu nervösen und unfairen Reaktionen verleiten, heißt es darin. Denn: Je mehr die AfD von den anderen stigmatisi­ert werde, „desto positiver ist das für das Profil der Partei“.

Wie zum Beweis provoziert­e der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke, der schon in der Vergangenh­eit öfter wegen der bewussten Verwendung von NS-Vokabular aufgefalle­n ist und massive Kritik an der deutschen Erinnerung­skultur geübt hat, mit seiner Äußerung über das Berliner Holocaust-Mahnmal, das er ein „Denkmal der Schande“nannte – am gleichen Tag, an dem das Bundesverf­assungsger­icht in Karlsruhe ein Verbot der rechtsradi­kalen und verfassung­sfeindlich­en NPD ablehnte. Als Reaktion forderten Politiker, dass die AfD vom Verfassung­sschutz überwacht werde. An Höcke habe man gesehen, „dass die AfD rechtsextr­emistische Züge hat, dass sie gar nicht so harmlos und anständig ist, wie sie sich gerne gibt“, sagte Familienmi­nisterin Manuela Schwesig am Freitag im

Für den Dresdner Extremismu­sforscher Steffen Kailitz, Gutachter im NPD-Verbotsver­fahren, ist das kein Zufall. „Der völkische Flügel in Deutschlan­d hat jede Scham verloren“, sagte er im Bei Höcke erkenne man „eine komplette Übereinsti­mmung mit den Positionen zur NPD“. Das Karlsruher Urteil laufe darauf hinaus, „dass selbst nationalso­zialistisc­he Positionen im Parteienwe­ttbewerb und im Wahlkampf verwendet werden können, ohne dass man Gefahr läuft, verboten zu werden – solange man nicht in die Nähe einer Regierungs­beteiligun­g kommt“. Seine Prognose ist düster: „In Zukunft werden aus der AfD noch mehr Äußerungen wie die von Höcke zu hören sein.“

Forderung nach Beobachtun­g durch Verfassung­sschutz

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Foto: afp Gambias Präsident Yayha Jammeh: Exil im Land nach Wahl.

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