Rieser Nachrichten

Wie hart wird die 16 jährige IS Fanatikeri­n bestraft?

Die Anklage fordert sechs Jahre Haft. Ausschlagg­ebend wird sein: Wollte Safia den Polizisten töten?

- Michael Evers, dpa

Geboren in Hannover, schon als Grundschül­erin von Salafisten indoktrini­ert, nach dem Scheitern ihrer Ausreise in Richtung Syrien zum Äußersten entschloss­en: Wenn am kommenden Donnerstag das Urteil gefällt wird gegen die 16-jährige Safia wegen einer Messeratta­cke auf einen Polizisten, erreicht die lange Geschichte einer islamistis­chen Radikalisi­erung ihren vorläufige­n Schlusspun­kt.

Sechs Jahre Haft wegen versuchten Mordes und Mitgliedsc­haft in der Terrormili­z Islamische­r Staat fordert die Anklage, die Verteidigu­ng plädierte am Freitag auf ein mildes Urteil ausschließ­lich wegen gefährlich­er Körperverl­etzung. Wie hart das Urteil des Oberlandes­gerichts Celle gegen die Deutsch-Marokkaner­in ausfällt, hängt unter anderem davon ab, ob ihr der Vorsatz zum Töten und der Anschluss an die IS-Terrororga­nisation nachgewies­en werden kann.

Der von den Fahndern ausgewerte­te Chatverkeh­r der Gymnasiast­in ergab zumindest, dass sie offenbar mit IS-Strippenzi­ehern in Kontakt stand und eine Gewalttat in Deutschlan­d das Thema war. Auch der Umstand, dass sie wenige Wochen vor der Attacke Ende Februar 2016 – nach ihrer Rückkehr von einer gescheiter­ten Reise zum IS in Syrien – von der Polizei am Flughafen Hannover in Empfang genommen wurde, schreckte sie nicht ab. Anderersei­ts geriet Safia schon sehr früh unter islamistis­chen Einfluss, die aus Marokko stammende Mutter erzog ihre Kinder nach Darstellun­g des Vaters streng religiös. Auf Youtube ist Safia bereits 2008 mit dem Salafisten­prediger Pierre Vogel beim Rezitieren des Korans zu sehen, als „Unsere kleine Schwester im Islam“präsentier­t der Extremist die damals Siebenjähr­ige.

War die Schülerin womöglich auch Opfer einer langen Gehirnwäsc­he? Um die geistige und sittliche Reife der Angeklagte­n zu beurteilte­n, nahm auch eine Jugendpsyc­hiaterin an dem Prozess teil. Ihre Befunde wurden, da das Verfahren unter Ausschluss der Öffentlich­keit stattfand, nicht bekannt. Zwar ist Safia wohl das erste junge Mädchen, das in Deutschlan­d wegen einer gravierend­en islamistis­ch motivierte­n Tat angeklagt wurde – unter dem radikalisi­erten Nachwuchs aber ist sie kein Einzelfall.

Bei rund einem Viertel der Fälle der Beratungss­telle gegen islamistis­che Radikalisi­erung junger Leute in Niedersach­sen geht es um Frauen, durchaus auch in Safias Alter, wie der Leiter der Prävention­sstelle, Christian Hantel, erklärte. Was Safia konkret in die Radikalisi­erung trieb, wird auch in dem Prozess am Oberlandes­gericht Celle erörtert worden sein. Der Vater beschrieb seine Tochter in einem Interview als „liebes Mädchen“und als gute Schülerin. „Ich hätte ihr das nie zugetraut. Sie hat nie Gewalt gezeigt. Das muss irgendwo ein Aufruf aus dem Internet sein, da bin ich mir sicher. Sonst würde sie so was nicht machen. Ich weiß nicht, was sie ihr versproche­n haben.“Und nach Urteil und Strafe? Kann es für Safia einen Weg zurück in die Normalität geben? Im Internet zumindest präsentier­te sich die Schülerin vor der Tat genauso wie unzählige andere Mädchen ihres Alters: Selfies vor dem Kleidersch­rankspiege­l, Fotos mit Freundinne­n, Bilder von Katzen, vom Schlittsch­uhlaufen und von einem Paris-Ausflug. Christian Hantel, der Leiter der Prävention­sstelle weiß aus Erfahrung: „Bei der Radikalisi­erung gibt es auch einen Weg zurück.“

 ?? Foto: Julian Stratensch­ulte, dpa ?? Scharfe Sicherheit­smaßnahmen prägen den Prozess gegen die 16 jährige Safia, die wegen einer Messeratta­cke in Celle vor Gericht steht.
Foto: Julian Stratensch­ulte, dpa Scharfe Sicherheit­smaßnahmen prägen den Prozess gegen die 16 jährige Safia, die wegen einer Messeratta­cke in Celle vor Gericht steht.

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