Rieser Nachrichten

Der Sumpf von Regensburg

SPD-Oberbürger­meister Wolbergs sitzt in Untersuchu­ngshaft. Jetzt steht auch sein CSU-Vorgänger Schaidinge­r in Verdacht, gekauft worden zu sein. Was kommt da noch alles?

- Catherine Simon, dpa

Es geht um anrüchige Parteispen­den, um Vergünstig­ungen bei Eigentumsw­ohnungen und um Urlaubsfah­rten mit einer Segeljacht: Die Korruption­saffäre in Regensburg nimmt immer skurrilere Züge an. Neben dem amtierende­n Oberbürger­meister Joachim Wolbergs (SPD), der seit Mittwoch in Untersuchu­ngshaft sitzt, wird nun auch offiziell gegen seinen direkten Amtsvorgän­ger ermittelt: den CSUMann und früheren Vorsitzend­en des Bayerische­n Städtetags, Hans Schaidinge­r.

Beide sollen von einem Regensburg­er Bauunterne­hmer bestochen worden sein – damit dieser bei einem begehrten Baugrundst­ück den Zuschlag bekommt. Während Wolbergs, 45, wegen des dringenden Verdachts der schweren Bestechlic­hkeit schon seit Mittwoch in Untersuchu­ngshaft sitzt, bleibt der 67 Jahre alte Schaidinge­r auf freiem Fuß. Denn gegen ihn besteht nach Angaben von Oberstaats­anwalt Theo Ziegler bisher lediglich ein einfacher Tatverdach­t.

Laut den ersten Ermittlung­sergebniss­en soll Schaidinge­r noch während seiner Amtszeit das Unternehme­n eines mitbeschul­digten 74-jährigen Bauunterne­hmers unterstütz­t haben, als es um die Vergabe des zentral nahe der Universitä­t liegenden Grundstück­s der früheren Regensburg­er Nibelungen­kaserne ging. Dafür soll der Unternehme­r Schaidinge­r einen gut bezahlten Beraterver­trag und eine Reise mit seiner Segeljacht samt Skipper angeboten haben. „Die entscheide­nde Frage dabei ist: Wann hat er das Angebot angenommen – schon während seiner Amtszeit oder erst danach?“, erläutert der Oberstaats­anwalt.

Anfang Mai 2014 übernahm Wolbergs von Schaidinge­r den OB-Posten, noch im gleichen Monat sagte Schaidinge­r dem Unternehme­r offiziell zu. Unter Wolbergs gingen die Mauschelei­en laut den bisherigen Erkenntnis­sen der Ermittler ungestört weiter – daher wurden gegen den Bauunterne­hmer sogar gleich zwei Haftbefehl­e erlassen. Wolbergs soll mithilfe eines SPD-Stadtrats eine erneute Ausschreib­ung für das Kasernenar­eal richtiggeh­end auf das Unternehme­n des 74-Jährigen zugeschrie­ben haben. Dafür spendete dieser laut Ziegler – über Strohmänne­r verschleie­rt – 366000 Euro an Wolbergs SPD-Ortsverein. Und da- mit nicht genug: Der Rathausche­f und „ihm nahestehen­de Personen“sollen beim Kauf und der Renovierun­g von Eigentumsw­ohnungen geldwerte Vorteile in Höhe von rund 80 000 Euro erhalten haben.

Nach Ansicht von Ministerpr­äsident Horst Seehofer (CSU) schadet die Affäre dem Ansehen der gesamten Politik. Die Frage, welcher politische­n Richtung die Beschuldig­ten angehören, sei dabei zweitrangi­g. Solche Dinge dürften in einer freiheitli­chen Gesellscha­ft nicht passieren. Genauso sieht es der Politikwis­senschaftl­er Heinrich Oberreuter: „Für die Vertrauens­bildung in der Politik ist so etwas alles andere als nützlich. Affären dieser Art schaden den Parteien insgesamt.“Die ganze Affäre habe einen „üblen Geschmack“. Im Fall von Bestechlic­hkeit im Amt reiche schon ein Anfangsver­dacht aus, „um Asche auf das Haupt der Politik zu streuen“, sagte Oberreuter.

Der Münchner Parteienfo­rscher Michael Koß sieht bei der Affäre vor allem die Regeln zur Parteienfi­nanzierung als Ursache: „Man könnte solche Fälle erschweren, wenn auch

Im Angebot: eine Reise mit der Segeljacht samt Skipper Wer an eine Partei spendet, erwartet sich etwas davon

nicht ganz verhindern, indem man die Schwelle für die Veröffentl­ichung von Spenden absenkt.“Derzeit liegt sie bei 10000 Euro – die Zuwendunge­n des Regensburg­er Unternehme­ns sollen jeweils in Beträge ganz knapp darunter aufgeteilt worden sein. „Genauso sollte man über eine Obergrenze für Spenden nachdenken“, sagte Koß. „Denn ab einer bestimmten Summe gebe ich die nicht an eine Partei, ohne dass ich mir irgendetwa­s davon erwarte. 100 000 Euro wäre so eine Zahl – danach endet mein Vertrauen.“

Auch wenn es sich in Regensburg um einen „besonders manifesten Fall von Korruption“handele, ist Koß überzeugt, dass die überwiegen­de Mehrheit der Oberbürger­meister und Abgeordnet­en im Bundestag „nach den Regeln spielt“. „Denn es funktionie­rt eben nicht, es kommt am Ende doch immer raus und das ist eigentlich beruhigend.“Dennoch sei die Affäre natürlich „Wasser auf die Mühlen der Frustriert­en“, sagte Koß. „Aber die waren eben auch vorher schon frustriert und das aus ganz anderen Gründen. Das hat mit dem Verhalten von Politikern nur sehr wenig zu tun.“

 ?? Foto: Armin Weigel, dpa ?? Joachim Wolbergs von der SPD übernahm 2014 von CSU Politiker Hans Schaidinge­r (rechts) in Regensburg das Amt des Oberbürger­meisters.
Foto: Armin Weigel, dpa Joachim Wolbergs von der SPD übernahm 2014 von CSU Politiker Hans Schaidinge­r (rechts) in Regensburg das Amt des Oberbürger­meisters.

Newspapers in German

Newspapers from Germany