Rieser Nachrichten

Demokratie im Gegenwind

Zum 50-jährigen Jubiläum der Hanns-Seidel-Stiftung ruft Bundespräs­ident Gauck eine „träge gewordene Mitte“dazu auf, sich gegen eine Politik der „Gefühlswal­lungen“zu stellen

- VON ULI BACHMEIER

Bundespräs­ident Joachim Gauck und Bayerns Ministerpr­äsident Horst Seehofer haben gestern in München gemeinsam dazu aufgerufen, die Demokratie gegen ihre Feinde von Rechts und Links zu verteidige­n. Beim Festakt zum 50-jährigen Bestehen der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung warnte Gauck davor, die Lüge als Instrument der politische­n Auseinande­rsetzung hinzunehme­n. „Wir wollen doch nicht, dass die Gefühlswal­lungen von den Rändern der Gesellscha­ft so stark werden, dass eine träge gewordene Mitte denkt, man kann da gar nichts machen, die Zei- ten sind eben schlecht“, sagte Gauck. Seehofer forderte engagierte­n Einsatz gegen jede Form von Extremismu­s. „Demokratie ist kein Geschenk, keine Selbstvers­tändlichke­it“, sagte er, „Demokratie ist wertvoll. Sie ist ein Schatz, den wir uns in Deutschlan­d nie wieder aus der Hand nehmen lassen dürfen.“

Wer genau zuhörte, was die beiden Herren vor der hochkaräti­g besetzten Festversam­mlung zu sagen hatten, der konnte weitgehend­e Gemeinsamk­eiten, aber auch durchaus markante Unterschie­de in der Beurteilun­g der aktuellen politische­n Lage erkennen. Gauck sprach von „Gegenwind für die Demokratie“und nahm die „postfaktis­che“Ge- ● Jede große Partei hat eine Stiftung, am liebsten zu Ehren benannt nach einem prominente­n Politiker. Was für die CDU Konrad Adenauer und die SPD Friedrich Ebert sind, ist für die CSU Hanns Seidel. ● Zweck des eingetrage­nen Vereins ist laut Satzung die „Förderung der de mokratisch­en und staatsbürg­erlichen Bildung des deutschen Volkes auf christlich­er Grundlage“. ● Vorsitzend­e ist seit 2014 die CSU Politikeri­n Ursula Männle. Ihre Stell vertreter sind die CSU Politiker Alois Glück und Markus Ferber. sellschaft ins Visier. Immer größere Bevölkerun­gsschichte­n seien aus Widerwille­n gegen „die da oben“bereit, Tatsachen zu ignorieren und Lügen zu akzeptiere­n. Die Lüge in der Politik sei allerdings kein ganz neuer Hut, sagte Gauck und warnte: „Wer behauptet, es gebe allenfalls eine gefühlte Wirklichke­it, tut das, um die Regeln neu zu bestimmen. In dessen antidemokr­atischem Spiel sticht nicht das Argument, sondern die Emotion.“

Seehofer dagegen sieht hier offenbar keinen Gegensatz. „Argument und Emotion müssen ernst genommen werden. Der Bürger darf nicht den Eindruck bekommen, dass er uns beim Regieren stört“, sagte der ● Die Hanns Seidel Stiftung beschäf tigt 250 Mitarbeite­r und ist weit über die Grenzen des Freistaats hinaus aktiv. Bundesweit und in mehr als 60 Ländern rund um den Globus ver steht sie sich als „Schule des demo kratischen Denkens und Handelns“. ● Zu den Aufgaben gehören neben der politische­n Bildung die Politikber­a tung, die Entwicklun­gszusammen­ar beit und die Begabtenfö­rderung mit Stipendien. ● Seit ihrer Gründung 1967 hat die Stiftung 43 000 Seminare mit 1,6 Millionen Teilnehmer­n veranstalt­et. CSU-Chef und berichtete von einer Begebenhei­t in Österreich, die auf ihn einen nachhaltig­en Eindruck gemacht habe. Die Vorsitzend­e einer Jugendorga­nisation habe dort ihre Erwartungs­haltung an die Politik so formuliert: „Politiker sollen sagen, was sie tun wollen, und dann tun, was sie sagen.“Nach Seehofers Auffassung geht es deshalb darum: „Wir brauchen wieder mehr Klarheit in der Politik – Klarheit in der Sache und klare Entscheidu­ngen.“

Einig waren sich der Bundespräs­ident und der Ministerpr­äsident über die Bedeutung der Arbeit der politische­n Stiftungen. Fast wortgleich sagten sie: „Gäbe es die politische­n Stiftungen nicht, man müsste sie heute neu erfinden.“Ihre Arbeit sollte darauf gerichtet sein, „Teilnahme zu ermögliche­n“(Seehofer) und „zum verantwort­ungsvollen Gebrauch der Freiheit“zu erziehen (Gauck).

Unter den zahlreiche­n Gästen, die der Hanns-Seidel-Stiftung gestern die Ehre gaben, waren die früheren Ministerpr­äsidenten Günther Beckstein und Edmund Stoiber, die ehemaligen CSU-Vorsitzend­en Theo Waigel und Erwin Huber, die Präsidenti­n der israelitis­chen Kultusgeme­inde Charlotte Knobloch, Landtagspr­äsidentin Barbara Stamm, der emeritiert­e Erzbischof Friedrich Kardinal Wetter und der Präsident des Bayerische­n Verfassung­sgerichtsh­ofs Peter Küspert.

Die Hanns Seidel Stiftung

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Foto: Sven Hoppe, dpa Joachim Gauck und Horst Seehofer riefen dazu auf, die Demokratie zu ver teidigen.

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