Der Hoffotograf Barack Obamas
Der erste schwarze Präsident der USA ist aus dem Amt geschieden. Sein Image als lässiger Typ mit Gefühlen und als taffer Boss mit Führungsqualität wurde von Pete Souza geprägt. Er hinterlässt Millionen Bilder
Welches Bild der 44. Präsident der Vereinigten Staaten in seinen acht Jahren im Weißen Haus abgegeben hat, was uns von ihm vor Augen steht und was im Gedächtnis bleiben soll – das alles ist das Werk eines einzigen Mannes. Obama? Nein: Pete Souza. Er ist derjenige, der Barack Obamas öffentliches Image geprägt und inszeniert hat – als des Präsidenten allgegenwärtiger Fotograf. Er füllte das Kapitel Obama in den Geschichtsbüchern.
Etwa 600 Bilder hat dieser Pete Souza von Obama gemacht – täglich. Fast 20 000 im Monat, in der gesamten Amtszeit des ersten schwarzen Präsidenten waren es ungefähr zwei Millionen. Keines dieser Bilder wird gelöscht. Aber was davon aktuell gezeigt wird, das bestimmt Pete Souza, der Cheffotograf und Leiter der Bildstelle des Weißen Hauses. Der Herr der Bilder. Seine Fotos kennt jeder – er hat damit die Ikonografie dieses Präsidenten nicht nur definiert, sondern erschaffen. Obama, der Lockere, Nahbare, der Eleganz mit Lässigkeit kombiniert, mit baumelnden Füßen auf dem Schreibtisch sitzt, mit Kindern auf dem Teppich herumalbert, mit Besuchern scherzt, seine Michelle herzt… Und Obama, der Ernsthafte, der konzentriert und souverän telefonierende, konferierende, regierende Staatsmann, der Entschlossene, der Kümmerer – Mensch mit Gefühlen und Boss mit Führungsqualität in einer Person.
Der 61-jährige Pete Souza hat mit seiner meisterhaften Inszenierung Obamas die Rolle des White-House-Fotografen neu geschrieben. Zwar hatten alle Präsidenten seit John F. Kennedy einen Fotografen zur Seite, der den Alltag der Macht dokumentierte und den Amerikanern und der Welt ein Bild davon vermittelte. Doch Souza genoss ein ungewöhnliches Vertrauensverhältnis zu seinem „Sujet“und hatte ungehinderten Zugang, jederzeit.
Der Fotograf hatte Obama schon 2005 kennengelernt und den damals jungen Senator im Auftrag der New
York Times drei Jahre lang begleitet. Sein Buch „The Rise of Barack Obama“(Der Aufstieg Barack Obamas) wurde ein Bestseller – und Obama verpflichtete Pete Souza seit dem ersten Tag seiner Amtszeit im Weißen Haus 2009. Obama, der begnadete Selbstdarsteller, hatte in Souza einen idealen Interpreten und cleveren Hoffotografen, der die Klaviatur der Bildbotschaften virtuos beherrscht und den Bilderstrom nie abreißen ließ.
„Pete und ich sind wie ein altes Ehepaar“, sagte Obama – Tag um Tag zusammen. „Amerika sieht Obama durch Souzas Kamera“, schrieb die Süddeutsche Zeitung einmal über den Mann, der acht Jahre lang die Deutungshoheit über die Präsidentschaft Obamas innehatte und das Internet und die Medien Tag für Tag fütterte mit seinem kontrollierten und exklusiven Blick auf den Präsidenten. Souzas Büro lag direkt unterm Oval Office.
Der Fotograf verpasste keinen Moment im Weißen Haus, begleitete Obama aber auf Termine und Reisen in alle Welt – und war auch im Urlaub zur Stelle. Langweilig? „Klar, manchmal finde ich meinen Job so aufregend, als guckte ich Farben beim Trocknen zu,“meinte Pete Souza in einem Interview. Aber der Reiz liege im Unerwarteten, im geduldigen, intuitiven Lauern auf den Moment. Pete Souza ist keiner, der Bilder stellen muss – darauf war der erfahrene Pressefotograf nicht angewiesen. Dass die Räume des Weißen Hauses dennoch gelegentlich aussehen wie ein Fotostudio, steht auf einem anderen Blatt.
Obamas Lieblingsbild war aus der Situation heraus entstanden. Sousa konnte es festhalten, weil er in jeder Situation anwesend war, hellwach, unauffällig. Da fragte ein fünfjähriger Afroamerikaner, Sohn einer scheidenden Regierungsangestellten, ob sein Haar genauso sei wie das des Präsidenten. Daraufhin beugte sich Obama zu dem Jungen herunter und ließ sich den Kopf kraulen. Klick – Pete Souza war zur Stelle. Der Lichtbildner als Schatten seines Herrn. Das vielleicht berühmteste Bild des Leibfotografen aber ist jenes, das Obama angespannt mit Ministern und Militärs in einem kleinen Raum vor einem Bildschirm zeigt (den man auf dem Foto nicht sieht), wo sie die Kommandoaktion gegen Osama bin Laden verfolgen. Pete Souza hat mit seinem Job bewiesen, welche Kraft das einzelne Foto auch in einer Welt der omnipräsenten Bewegtbilder und Videoschnipsel hat. Nun ist Trump das Hauptmotiv in Washington. Auch er wird einen Fotografen im Haus haben. Wer auch immer es ist – es wird ein interessanter Job.