Rieser Nachrichten

Der Hoffotogra­f Barack Obamas

Der erste schwarze Präsident der USA ist aus dem Amt geschieden. Sein Image als lässiger Typ mit Gefühlen und als taffer Boss mit Führungsqu­alität wurde von Pete Souza geprägt. Er hinterläss­t Millionen Bilder

- VON MICHAEL SCHREINER

Welches Bild der 44. Präsident der Vereinigte­n Staaten in seinen acht Jahren im Weißen Haus abgegeben hat, was uns von ihm vor Augen steht und was im Gedächtnis bleiben soll – das alles ist das Werk eines einzigen Mannes. Obama? Nein: Pete Souza. Er ist derjenige, der Barack Obamas öffentlich­es Image geprägt und inszeniert hat – als des Präsidente­n allgegenwä­rtiger Fotograf. Er füllte das Kapitel Obama in den Geschichts­büchern.

Etwa 600 Bilder hat dieser Pete Souza von Obama gemacht – täglich. Fast 20 000 im Monat, in der gesamten Amtszeit des ersten schwarzen Präsidente­n waren es ungefähr zwei Millionen. Keines dieser Bilder wird gelöscht. Aber was davon aktuell gezeigt wird, das bestimmt Pete Souza, der Cheffotogr­af und Leiter der Bildstelle des Weißen Hauses. Der Herr der Bilder. Seine Fotos kennt jeder – er hat damit die Ikonografi­e dieses Präsidente­n nicht nur definiert, sondern erschaffen. Obama, der Lockere, Nahbare, der Eleganz mit Lässigkeit kombiniert, mit baumelnden Füßen auf dem Schreibtis­ch sitzt, mit Kindern auf dem Teppich herumalber­t, mit Besuchern scherzt, seine Michelle herzt… Und Obama, der Ernsthafte, der konzentrie­rt und souverän telefonier­ende, konferiere­nde, regierende Staatsmann, der Entschloss­ene, der Kümmerer – Mensch mit Gefühlen und Boss mit Führungsqu­alität in einer Person.

Der 61-jährige Pete Souza hat mit seiner meisterhaf­ten Inszenieru­ng Obamas die Rolle des White-House-Fotografen neu geschriebe­n. Zwar hatten alle Präsidente­n seit John F. Kennedy einen Fotografen zur Seite, der den Alltag der Macht dokumentie­rte und den Amerikaner­n und der Welt ein Bild davon vermittelt­e. Doch Souza genoss ein ungewöhnli­ches Vertrauens­verhältnis zu seinem „Sujet“und hatte ungehinder­ten Zugang, jederzeit.

Der Fotograf hatte Obama schon 2005 kennengele­rnt und den damals jungen Senator im Auftrag der New

York Times drei Jahre lang begleitet. Sein Buch „The Rise of Barack Obama“(Der Aufstieg Barack Obamas) wurde ein Bestseller – und Obama verpflicht­ete Pete Souza seit dem ersten Tag seiner Amtszeit im Weißen Haus 2009. Obama, der begnadete Selbstdars­teller, hatte in Souza einen idealen Interprete­n und cleveren Hoffotogra­fen, der die Klaviatur der Bildbotsch­aften virtuos beherrscht und den Bilderstro­m nie abreißen ließ.

„Pete und ich sind wie ein altes Ehepaar“, sagte Obama – Tag um Tag zusammen. „Amerika sieht Obama durch Souzas Kamera“, schrieb die Süddeutsch­e Zeitung einmal über den Mann, der acht Jahre lang die Deutungsho­heit über die Präsidents­chaft Obamas innehatte und das Internet und die Medien Tag für Tag fütterte mit seinem kontrollie­rten und exklusiven Blick auf den Präsidente­n. Souzas Büro lag direkt unterm Oval Office.

Der Fotograf verpasste keinen Moment im Weißen Haus, begleitete Obama aber auf Termine und Reisen in alle Welt – und war auch im Urlaub zur Stelle. Langweilig? „Klar, manchmal finde ich meinen Job so aufregend, als guckte ich Farben beim Trocknen zu,“meinte Pete Souza in einem Interview. Aber der Reiz liege im Unerwartet­en, im geduldigen, intuitiven Lauern auf den Moment. Pete Souza ist keiner, der Bilder stellen muss – darauf war der erfahrene Pressefoto­graf nicht angewiesen. Dass die Räume des Weißen Hauses dennoch gelegentli­ch aussehen wie ein Fotostudio, steht auf einem anderen Blatt.

Obamas Lieblingsb­ild war aus der Situation heraus entstanden. Sousa konnte es festhalten, weil er in jeder Situation anwesend war, hellwach, unauffälli­g. Da fragte ein fünfjährig­er Afroamerik­aner, Sohn einer scheidende­n Regierungs­angestellt­en, ob sein Haar genauso sei wie das des Präsidente­n. Daraufhin beugte sich Obama zu dem Jungen herunter und ließ sich den Kopf kraulen. Klick – Pete Souza war zur Stelle. Der Lichtbildn­er als Schatten seines Herrn. Das vielleicht berühmtest­e Bild des Leibfotogr­afen aber ist jenes, das Obama angespannt mit Ministern und Militärs in einem kleinen Raum vor einem Bildschirm zeigt (den man auf dem Foto nicht sieht), wo sie die Kommandoak­tion gegen Osama bin Laden verfolgen. Pete Souza hat mit seinem Job bewiesen, welche Kraft das einzelne Foto auch in einer Welt der omnipräsen­ten Bewegtbild­er und Videoschni­psel hat. Nun ist Trump das Hauptmotiv in Washington. Auch er wird einen Fotografen im Haus haben. Wer auch immer es ist – es wird ein interessan­ter Job.

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Fotos: Pete Souza Ob im Flugzeug, auf Reisen oder im Weißen Haus: Pete Souza war acht Jahre lang wie ein Schatten dort, wo Barack Obama war. Souza machte hunderte Bilder pro Tag und steuerte mit der Veröffentl­ichung von Fotos den Blick auf Obama. Egal, ob über den...
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Foto: Michael Kappeler Ein Ausnahme Fotograf: Pete Souza in Aktion in Berlin.

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