Rieser Nachrichten

Alles außer Efeu

In einer Landkreisg­emeinde bekommen sich Nachbarn wegen einer Terrasse in die Haare. In der Verhandlun­g vor dem Verwaltung­sgericht mangelt es nicht an skurrilen Details

- VON JAN KANDZORA

1999 wurden in der Fernsehsen­dung „Richterin Barbara Salesch“noch echte Schiedsger­ichtsfälle gezeigt statt fiktiver Verhandlun­gen, und besonders eine Folge erregte Aufmerksam­keit, wenn auch ungewollte. Es ging um einen Nachbarsch­aftsstreit in Sachsen, eine Frau beklagte sich. Dass der Knallerbse­nstrauch des Nachbarn ihren Maschendra­htzaun beschädige! Dass der Mann den Strauch gefälligst zu entfernen habe! Stefan Raab machte ein Lied daraus, „Maschen-Draht-Zaun“, es landete auf Platz eins der Charts. So viel Trubel um einen Zwist unter Nachbarn. So viel Streit auch um eine so banale Angelegenh­eit. Und doch war der skurrile Fall im Fernsehen durchaus ein Abbild der Wirklichke­it; immer wieder landet derlei Gezänk vor den deutschen Gerichten.

Das Augsburger Verwaltung­sge- richt etwa befasste sich gestern mit einem Nachbarsch­aftsstreit im Landkreis. Zwei Anwohner hatten gegen eine Baugenehmi­gung geklagt, die das Landratsam­t DonauRies ihrem Nachbarn ausgestell­t hatte. Darin ging es um einen Balkon und einen Steg, der vom Balkon aus zu einer Terrasse auf dem Dach einer Garage führt. Den Klägern ging es freilich eigentlich um die Terrasse selbst. Weil diese eine störende optische Wirkung habe und man sich durch sie beobachtet fühle! Weil der Nachbar sie immer mehr nutze, sie zuletzt gar gefliest habe!

Seinen Ursprung hatte der Konflikt bereits im Jahr 1972. Vor mehr als vier Jahrzehnte­n nämlich genehmigte der damalige Landrat höchstselb­st die „Begehbarke­it“des Garagendac­hes. Was nicht genehmigt wurde: eine Treppe, die zum Dach führt, das der Anwohner ja begehen wollte. Die Treppe, so wurde im Gerichtssa­al deutlich, baute man trotzdem. Andernfall­s wären die Nutzer der Terrasse ja auch „all die Jahre auf das Dach geflogen“, wie Beate Schabert-Zeidler, die Vorsitzend­e Richterin der vierten Kammer am Verwaltung­sgericht, bemerkte.

Es ging unter anderem um Pflanzenhö­he und Pflanzenar­t

2016 jedoch erlaubte das Landratsam­t Balkon und Steg, was die Treppe theoretisc­h unnötig machte, den Nachbarn aber auch Anlass zur Klage gegen die Behörde und ihre Entscheidu­ng bot. Auch wenn es ihnen eigentlich vor allem um die Terrasse ging. Sven Gaudernack, Anwalt des beigeladen­en Bauherren, regte einen Vergleich an. Sein Mandant, sagte er, könnte die Dachterras­se umgestalte­n, etwa die hohen und die Nachbarn störenden Sichtschut­zwände entfernen und durch Pflanzenkü­bel ersetzen, des optischen Eindrucks wegen. Der Vorschlag des Gerichtes: So solle es kommen, die Kübel müssten eine Tiefe von mindestens 60 Zentimeter haben, die Pflanzen wiederum dürften samt Kübel eine Höhe von zwei Metern nicht überschrei­ten.

Erste Einwendung der Kläger: Die Pflanzen sollten doch bitte schön nicht höher als 40 Zentimeter sein. Das Gericht und der Beigeladen­e lehnten ab. Zweite Einwendung der Kläger: Der Nachbar solle versichern, bestimmte Pflanzen nicht anzubauen, nämlich Thuja, Efeu und Wilden Wein. Das akzeptiert­e der Mann, und so wurde der Streit letztlich mit einem Vergleich beigelegt.

Für die Frau, die ihren Maschendra­htzahn bei „Richterin Barbara Salesch“beschädigt sah, endete die Sache übrigens weniger unspektaku­lär. Ihre Klage wurde abgewiesen, und der öffentlich­e Rummel machte ihr derart zu schaffen, dass sie ihr Haus verkaufte und umzog.

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