Wer hat schon eine Ur Ur Oma?
Mit Hannah und Martha Keller leben nun fünf Generationen einer Familie im Ries
In zweierlei Hinsicht war es eine besondere Familienerweiterung, als Stefanie und Jonathan Keller Ende vergangenen Jahres in Nördlingen Eltern wurden: Erstens bekamen sie mit Hannah und Martha Nachwuchs im Doppelpack; zweitens bedeuteten die Zwillinge, dass nun sage und schreibe fünf Generationen der Familie im Ries ansässig sind: die 90-jährige Ur-UrOma in Schmähingen, die Urgroßmutter in Hürnheim, die Großmutter in Grosselfingen.
Seit jeher lebte die Familie im Ries, niemandem sind Vorfahren von außerhalb bekannt. Je nachdem, wo und wie man seinen jeweiligen Ehepartner kennenlernte, zog man in einen anderen Ort, aber eben niemals außerhalb des Kessels. Irgendwie scheint es, als hätten die Familienbande schon immer magnetische Wirkung besessen. Auch, als die heute 27-jährige Mutter der Zwillinge, Stefanie Keller, zur Erzieherinnen-Ausbildung nach Augsburg ging, tat sie das zusammen mit ihrem Mann, seines Zeichens Elektroingenieur, und es zog beide jedes Wochenende ins Ries zurück.
Ihre ganze Kindheit und Jugend war durch die Großfamilie geprägt: Von Grosselfingen aus, wo sie aufwuchs, besuchte sie in den Ferien und an den Wochenenden Großeltern und Urgroßeltern in den anderen Dörfern; bis heute halten die Familienmitglieder regen Kontakt. „Das habe ich richtig genossen“, sagt sie „mir würde etwas fehlen, wäre das nicht gewesen.“Sehr oft hörte sie, dass Freunde und Bekannte solch eine Großfamilie völlig ungewöhnlich fanden; Freundinnen waren beispielsweise ganz erstaunt, wenn die gesamte Weihnachtszeit von Verwandtenbesuchen reihum ausgefüllt war. „Ich war das so gewohnt, andere Leute haben statt vielen Verwandten eben Freunde und führen einen anderen Lebensstil.“
Zu diesem Lebensstil gehören heute bekanntermaßen elektronische Medien, die extrem oft den direkten sozialen Kontakt ersetzen. Solch ein elektronisches Sozialleben lehnt Stefanie Keller rundherum ab: „Da bin ich radikal; ich sehe die Leute lieber persönlich. Wenn es nicht anders geht, rufe ich eben an.“Ein Familienleben, in das man dermaßen hineingewachsen ist, möchte man ein Leben lang nicht mehr missen. „Es gibt nichts schöneres, als die Familie um sich zu haben“, sagt die Uroma und die Oma fügt hinzu: „Das ist in ländlichen Gegenden wie dem Ries noch weit verbreitet.“
Ist diese Lebensart wirklich so schwer zu bewerkstelligen, wie es heute oft propagiert wird? „Man kann der Familie durchaus größere Priorität als dem Beruf einräumen“, meint Stefanie Keller. „Oft lässt es sich nicht vermeiden, zu Ausbildung und Studium weiter weg zu gehen. Aber wenn man es wirklich anstrebt, kann man es schaffen, sein Leben dort zu führen, wo man will.“Die junge Mutter würde nicht so weit gehen, jemandem zu raten, einen Wunschberuf dafür aufzugeben und nicht alle Berufe sind überall gefragt. Aber wo ein Wille ist, ist meist ein Weg.